Facelift reicht nicht: Wo Tesla überall den Anschluss verloren hat

Mit dem aufgefrischten Model Y sollte vieles besser werden. Zu Jahresbeginn verpasste Tesla seinem Bestseller ein Facelift. Doch noch lässt der Effekt auf sich warten.

Die schlechten Verkaufszahlen im ersten Quartal schob der Autobauer noch auf den Modellwechsel und die dadurch bedingten Lieferschwierigkeiten. Die weltweiten Auslieferungen sanken in den ersten drei Monaten um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 336.681. Besonders dramatisch war der Rückgang in Europa: minus 45 Prozent. 

Im zweiten Viertel des Jahres ging es wieder etwas nach oben: 384.122 Autos verkaufte Tesla von April bis Juni. Im Jahresvergleich sieht es aber nach wie vor düster aus. Gegenüber dem zweiten Quartal 2024 fuhr Tesla ein Minus von 13,5 Prozent ein. Das gesamte erste Halbjahr liegt mehr als 13 Prozent unter dem Vergleichszeitraum.

Fakt ist: Teslas Probleme sind zu groß, um sie allein mit einem Facelift für das Kompakt-SUV zu beheben. Was der einst so gehypte Hersteller derzeit erlebt, ist eine strukturelle Krise – die zumindest zum Teil hausgemacht ist.

Die Überarbeitung von Model Y und Model 3 brachte bislang nicht den erhofften Erfolg. Bei den Produkten hat sich das Unternehmen zu lange auf seiner Pionierrolle ausgeruht. Neue Modelle sucht man vergebens.

Keine Frage, die technische Basis der Fahrzeuge ist solide, die Modellpflege für das Model Y brachte, wie schon im vergangenen Jahr beim Model 3, spürbare Verbesserungen und mehr Effizienz und Komfort.

Volkswagen, BMW und Mercedes, Stellantis und die Südkoreaner Hyundai und Kia haben ihre Produktportfolios massiv ausgebaut, immer neue chinesische Hersteller drängen auf den Markt. Teslas Angebot bleibt dagegen überschaubar.

Model S und X sind veraltet, der Cybertruck ein Nischenprodukt. Übrig bleiben Model 3 und Y, die im zweiten Quartal 2025 über 97 Prozent des Absatzes ausmachten. Ein angekündigter Siebensitzer auf Basis des Model Y lässt auf sich warten. Ebenso wie ein günstigeres Einstiegsmodell, das Musk zwar immer wieder andeutete, aber genauso oft wieder verworfen hat.

Auch beim Thema autonomes Fahren macht Tesla nach wie vor mehr durch vollmundige Ankündigungen denn durch serienreife Produkte von sich reden. 2024 stellte Musk mit dem Cybercab sein Robotaxi vor, das ab 2026 zu kaufen sein soll – ein ambitionierter Plan, der kaum zu halten sein wird.

Das angestrebte "Full Self-Driving"-System (FSD) bleibt eine Vision, der Autopilot ist ein Assistenzsystem der Stufe 2. In Frankreich drohen dem Hersteller in dieser Sache nun sogar empfindliche Strafzahlungen.

Die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde wirft Tesla "irreführende Geschäftspraktiken" vor – das Fahrerassistenzsystem hält laut den Behörden nicht das, was der Name verspricht. Tesla suggeriere ein vollautonomes Fahrerlebnis. Sollte das Unternehmen seine Geschäftspraktiken nicht anpassen, drohen 50.000 Euro Strafe – pro Tag.

Der größte Stolperstein in Teslas Autonomie-Strategie dürfte sein, ausschließlich auf Kameras zu setzen und teure Lidar- oder Radarsysteme zu vernachlässigen. Das birgt systemische Schwächen.

Wetterbedingungen, komplexe Verkehrssituationen oder ungewöhnliche Objekte stellen das System regelmäßig vor Probleme. Selbst Teslas oberster KI-Entwickler Ashok Elluswamy räumte kürzlich ein, dass man gegenüber Waymo "ein paar Jahre im Rückstand" sei.

Zwar hat Tesla nun in Austin einen ersten Level-4-Test mit wenigen Model Y gestartet, und angeblich auch das erste Fahrzeug völlig autonom von der Fabrik bis zum Kunden ausgeliefert. Der Durchbruch steht aber noch bevor.

Immerhin: Elluswamy scheint noch fest im Sattel zu sitzen. Omead Afshar, einst ein enger Vertrauter Musks, musste dagegen gehen. Erst Ende 2024 war er zum Vizepräsidenten aufgestiegen, verantwortlich für Produktion und Vertrieb in Europa sowie Nordamerika.

Afshar galt als detailverliebter Macher, der unter anderem den Aufbau der Gigafactory in Texas verantwortete. Seine Entlassung soll mit den schlechten Verkaufszahlen zusammenhängen. Vor Afshar haben schon Jenna Ferrua, Personalchefin für Nordamerika, und Milan Kovac, Leiter des Optimus-Robotikprogramms, Tesla den Rücken gekehrt.

Der personelle Aderlass, sei er freiwillig oder von Musk veranlasst, trifft Tesla in einer Phase, in der auch der CEO selbst ein Risikofaktor ist. Musk, einst gefeierter Innovator, sorgte mit seiner politischen Positionierung für Irritationen.

Seine einstige Nähe zu US-Präsident Donald Trump und der MAGA-Bewegung und die folgende Auseinandersetzung, die inzwischen beendete Rolle als Leiter der Deregulierungsbehörde DOGE sowie offene Sympathien für Rechtsaußen-Parteien wie die AfD stoßen insbesondere in Europa, aber auch in Kalifornien auf Ablehnung.

Teilweise klagen Kunden auf Rückgabe der Fahrzeuge – sie wollen nicht mit dem Image eines rechten Hardliners in Verbindung gebracht werden. Experten gehen davon aus, dass allein durch Musk auf dem CEO-Posten die Nachfrage dauerhaft um 15 bis 20 Prozent zurückgehen könnte.

Dass der gebürtige Südafrikaner zeitnah seinen Posten an jemand anderen übergibt, ist nicht abzusehen. Das Unternehmen bräuchte gleichwohl jetzt, da es den Start-up-Zeiten entwachsen ist, Ruhe und Erfahrung an der Spitze.

Ein handwerklicher Fehler in Teslas Marktstrategie ist beispielsweise das vernachlässigte Flottengeschäft. Während die Konkurrenz auf Autovermieter, Leasinggesellschaften und Gewerbekunden setzt, bleibt Tesla hier nahezu unsichtbar. In Deutschland lag der Anteil von Mietwagen an Teslas Verkäufen zuletzt bei einem Prozent.

Auch dass Musk bislang weitgehend auf klassische Werbung, PR und systematische Kundenansprache verzichtet, verschärft die Lage. Die Kommunikation beschränkt sich auf seine eigenen Kanäle – vor allem das soziale Netzwerk X, das jedoch vor allem Musks Fangemeinde erreicht. Breitere Zielgruppen, vor allem die preissensiblen und weniger technikaffinen Käufer, bleiben außen vor.

Dabei hätte Tesla noch Trümpfe in der Hand. Die Softwarekompetenz ist nach wie vor erstklassig. Die Produktionsprozesse gelten als effizient, die Eigenkapitalquote ist hoch. Doch diese Stärken verlieren an Bedeutung, wenn sie nicht durch strategisches Handeln ergänzt werden. Musk müsste sich wandeln. Ob ihm das gelingt, ist fraglich.