Chinas Macht bei Seltenen Erden: Jetzt drohen Produktionsstopps

Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) schlägt Alarm, erste Zulieferer müssen die Produktion ruhen lassen. Chinas Exportbeschränkungen für Seltene Erden bedrohen die Autoproduktion in Europa. 

"Wenn sich an der Situation nicht schnell etwas ändert, sind Produktionsverzögerungen und sogar Produktionsausfälle nicht mehr auszuschließen", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller der Automobilwoche. 

Der europäische Automobilzuliefererverband CLEPA sieht bereits erhebliche Beeinträchtigungen. Wegen Chinas Exportbeschränkungen seien bereits Werke in Europa stillgelegt worden. Welche Unternehmen betroffen sind, führte der Verband in seiner Pressemitteilung nicht weiter aus. 

VDA-Chefin Müller sieht die Politik in der Pflicht "Wir fordern daher sowohl Brüssel als auch Berlin erneut auf, dieses Thema nachdrücklich gegenüber der chinesischen Seite zur Sprache zu bringen, damit rasch eine Lösung für die Situation gefunden wird."  

China nutzt seine Dominanz bei kritischen Mineralien und insbesondere bei Seltenen Erden derzeit, um im Zollkrieg mit den USA die Muskeln spielen zu lassen. Das betrifft auch Europas Unternehmen: Denn China hat zwischenzeitlich eine faktische Ausfuhrbeschränkung in den Westen verhängt. Derzeit läuft immer noch eine strenge Exportkontrolle

Eine aktuelle Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Schluss: "Diese ökonomische Waffe ist keine leere Drohung, sondern ist bereits zwei Mal eingesetzt worden." 2010 habe China Japan von der Belieferung ausgeschlossen, 2025 nutzt China die Exportwaffe vor allem gegen die USA.

 Deutschlands Autobauer reagieren deswegen, wie eine Nachfrage der Automobilwoche beim Volkswagen-Konzern sowie BMW und Mercedes zeigt.

"Es könnte sich ein Szenario wiederholen, das wir schon während der Chipkrise gesehen haben: Die Hersteller konzentrieren sich bei einer Mangellage auf den Bau und die Auslieferung besonders margenträchtiger Modelle, während die Fertigung der günstigeren, kleineren Modelle zurückgestellt wird", sagt Christian Grimmelt, Partner bei der Unternehmensberatung Berylls by AlixPartners, der Automobilwoche.

"In vier bis sechs Wochen dürften die letzten Lagerbestände verbaut sein. Dann werden Teile der Produktion eingestellt werden müssen", vermutet Grimmelt.

Davon ist bei Deutschlands Autobauern offiziell noch nicht die Rede. Aber: Die Hersteller beobachten die Situation genau.

Ein Sprecher von BMW sagte der Automobilwoche, von den chinesischen Ausfuhrbeschränkungen seien Teile des BMW-Lieferanten-Netzwerkes betroffen.

Es gebe eine Fachgruppe, die in engem Austausch mit den Zulieferern stehe und die Situation kontinuierlich evaluiere. 

Welche Maßnahmen BMW konkret ergreift, um die Versorgung mit den genannten Seltenen Erden sicherzustellen, wollte der Sprecher nicht sagen. Er betonte aber, dass die aktuell von BMW verbauten Elektromotoren keine Seltenen Erden benötigen.

Ein VW-Sprecher erklärte, aktuell gebe es keine Engpässe. "Unsere Lieferanten arbeiten kontinuierlich gemeinsam mit ihren Sublieferanten zusammen, um die notwendigen Exportlizenzen zu erhalten. Wir haben Hinweise erhalten, dass eine begrenzte Anzahl dieser Lizenzen erteilt wurde."

Zur Strategie des Konzerns, wie sich VW bei ernsten Lieferproblemen verhalten werde, äußerte sich der Sprecher nicht.

Bei Mercedes hieß es, man habe aus den Lieferketten-Problemen während der Pandemie gelernt. "Wir haben uns im Einkauf weltweit mit mehr Optionalität aufgestellt. An dieser Diversifizierung unserer Lieferketten arbeiten wir permanent."

Dies gelte insbesondere auch für die Versorgung mit Seltenen Erden. "Wir haben konkret eine klare Risikostrategie mit unseren Tier1-Partnern definiert. Diese sieht unter anderem einen regional gesplitteten Einkauf aus zwei Quellen für Neodym, Terbium und Dysprosium vor."

Zudem arbeite Mercedes gemeinsam mit den Lieferanten an Konzepten, um die benötigte Menge an Seltenen Erden pro Fahrzeug zu verringern. Ziel sei es, komplett auf Materialien wie Dysprosium zu verzichten.

Grundsätzlich, so der Mercedes-Sprecher, begrüße der Autobauer das Ziel der EU für mehr Unabhängigkeit bei der Rohstoff-Versorgung und den von der EU vorgelegten Critical Ram Materials Act. "Es ist wichtig, dass die Politik Maßnahmen ergreift, um die Resilienz der europäischen Batterie-Wertschöpfungskette zu stärken."

Genau das dürfte jedoch schwierig werden. Laut Daten der Internationalen Energie-Agentur (IEA) vom Mai dieses Jahres dominiert China die weltweite Produktion von Seltenen Erden derzeit zu 61 Prozent. 

Noch größer ist die Marktmacht bei der Weiterverarbeitung: 92 Prozent der raffinierten Seltenen Erden stammen aus China.

Und schaut man auf weitere relevante Metalle und Mineralien für die Industrie, dann zeigt sich nach den Daten der IEA: China dominiert die Raffinerie-Kapazitäten bei 19 von 20 wichtigen Rohstoffen. 

Zwar sind viele Länder bemüht, diese Abhängigkeit zu mindern, doch die notwendigen Minen und Raffinerie-Kapazitäten entstehen nicht über Nacht.

So wird China laut IEA-Prognose auch noch im Jahr 2030 für 51 Prozent der weltweiten Produktion und für 76 Prozent der weltweiten Weiterverarbeitung Seltener Erden stehen.

Aus den USA sollen dann trotz aller Bemühungen erst sieben Prozent der Raffinerie-Produkte stammen, aus Malaysia neun Prozent.

Chinas Staatsführung hat schon in der Vergangenheit  deutlich gemacht, dass Peking bei unverzichtbaren Rohstoffen und deren Weiterverarbeitung am längeren Hebel sitzt.

So blockierte Peking im Jahr 2010 zwei Monate lang die Ausfuhr von Seltenen Erden nach Japan. Damals ging es um einen Grenzstreit. Heute dienen die Seltenen Erden als Waffe im Handelskonflikt mit den USA. 

Zwar einigten sich China und die USA jüngst bei ihren Gesprächen in Genf auf eine Aussetzung dieser Beschränkungen von 90 Tagen, doch gelöst ist der Konflikt damit nicht, wie ein genauerer Blick auf die Einigung zeigt..

Zwar nahm China 28 US-Firmen von einer schwarzen Liste über Dual-Use-Exportgüter herunter und entfernte 17 weitere US-Unternehmen von einer weiteren Exportstopp-Liste.

Doch die Ausfuhrbeschränkungen selbst und die Notwendigkeit, für die Ausfuhr von Seltenen Erden eine Genehmigung zu beantragen, blieben bestehen. Zudem kündigte die Staatsführung strenge Maßnahmen gegen den Schmuggel Seltener Erden an.

Konkret betroffen sind von den Ausfuhrbeschränkungen unter anderem die Rohstoffe Neodym, Dysprosium und Terbium, die für den Bau von hitzebeständigen Dauermagneten benötigt werden, die wiederum Grundbaustein moderner Elektromotoren sind.

Während chinesische Autobauer und Zulieferer nicht um die Versorgung mit Seltenen Erden und mit anderen essentiellen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt und Graphit bangen müssen, sieht das bei westlichen Herstellern anders aus. 

Und das könnte für  chinesische Autobauer beim Ausbau ihrer Marktposition in Europa perspektivisch noch nützlich werden – vor allem im Segment der preiswerteren Elektroautos.