Exklusiv: VW kürzt die Kapazitäten – wie es die einzelnen Werke trifft

Volkswagen kürzt seine Produktionskapazität in Deutschland um rund 730.000 Fahrzeuge. Darauf hat sich das Unternehmen mit der Gewerkschaft im vergangenen Dezember geeinigt. Die Werke sind nach der Corona-Krise überdimensioniert, die Nachfrage stagniert, die vorgehaltene Kapazität kostet das Unternehmen Geld. Die Automobilwoche kennt die interne Streichliste.

Volkswagen-CEO Oliver Blume erklärte jüngst im Automobilwoche-Interview: "Wir erreichen die Reduzierung in Deutschland über Anpassungen in jeder einzelnen Fabrik. Zum Beispiel fahren wir in Zwickau von zwei auf eine Linie herunter oder nehmen in Wolfsburg zwei der vier Linien heraus, etwa durch die Verlagerung der Golf-Produktion nach Mexiko. Wenn man alle Initiativen summiert, dann kommt man auf über 730.000 Einheiten technischer Kapazität."

Als technische Kapazität bezeichnet man in der Branche die theoretisch maximale Produktionsmenge, die in der Praxis selbst bei voller Schicht-Auslastung zum Beispiel aufgrund von Pausen oder Störungen jedoch quasi unerreichbar ist. Zu konkreten Zahlen hat sich der Konzern bislang nicht geäußert. 

Wenig überraschend: Nach Automobilwoche-Informationen soll das Gros des Kapazitätsabbaus im größten Werk Wolfsburg erfolgen. Um 500.000 Einheiten will Volkswagen dem Vernehmen nach die technische Kapazität in seinem Stammwerk reduzieren.

Das entspricht in etwa der Jahresproduktion, darunter lässt sich das Werk derzeit wohl nicht wirtschaftlich betreiben. Zudem entspricht es knapp der Hälfte der technischen Kapazität. Aktuell soll sie bei rund 900.000 Fahrzeugen pro Jahr liegen. Früher war sogar von einer Million Fahrzeuge die Rede.

Den Abbau dürfte VW vor allem durch die Umsiedlung der Golf-Produktion nach Mexiko Ende 2026 erreichen. Derzeit werden auf den Wolfsburger Linien zwei und drei etwa 250.000 Golf und Golf Variant pro Jahr im Zweischichtbetrieb gebaut. Die technische Kapazität dieser Linien liegt deutlich höher und wird ab 2027 frei.

Dann soll der Kapazitätsabbau in Deutschland abgeschlossen sein. Es könnte sogar sukzessive wieder hochgehen. Denn: Ab Ende der Dekade baut VW in der jetzigen Golf-Halle 54 die Elektro-Modelle auf SSP-Basis, die im aktuellen Kapazitäts-Ziel nicht eingerechnet sein sollen. 

In Wolfsburg sollen dagegen schon bald Extra-Einheiten durch die Verlagerung von Elektromodellen aus Zwickau hinzukommen. Geplant ist, den ID.3 und eventuell auch den Cupra Born zukünftig in Niedersachsen statt in Sachsen zu bauen.

Das heißt, VW müsste auch auf den Linien eins (Tiguan und künftig MEB-Modelle) und vier (Tiguan, Tayron und Touran) technische Kapazität herausnehmen, um das Sparziel von einer halben Million zu erreichen. Die tatsächliche Produktion dürfte der Konzern dagegen vorerst nicht anfassen, denn derzeit ist die Nachfrage nach diesen Modellen hoch.

Aus dem geplanten Umzug der MEB-Modelle – ID.3 und Cupra Born nach Wolfsburg, ID.4 nach Emden – ergibt sich die angepeilte Reduzierung für das Werk Zwickau von 170.000 Einheiten und von zwei auf zukünftig eine Montagelinie.

Derzeit könnten dort über 300.000 Autos pro Jahr gebaut werden. Sollte sich an den Plänen nichts ändern, läuft in Zwickau demnächst nur noch der Audi Q4 vom Band. Allerdings gibt es bereits Gerüchte, dass zumindest der Cupra Born doch in Sachsen verbleiben und den Einlinien-Betrieb besser auslasten könnte.

Während der ID.3 bereits für viel Geld in Wolfsburg eingerüstet, aber bisher dort nie in Serie gebaut wurde, müsste VW für die Fertigung des Cupra trotz gleicher technischer Basis noch einmal investieren. In Anbetracht von rund 40.000 Fahrzeugen pro Jahr und einer endlichen Laufzeit dürfte der Hersteller sich das gut überlegen.

Mit den geplanten Maßnahmen in Wolfsburg und Zwickau erreicht VW bereits einen Kapazitäts-Abbau um rund 670.000 Fahrzeuge. Der Rest entfällt fast komplett auf das Werk in Osnabrück: Eine Kapazität von 56.000 Fahrzeuge soll dort eingespart werden.

Bis 2027 wird hier noch das T-Roc Cabrio gebaut, danach ist bisher keine neue Fertigung in Sicht. Dem Vernehmen nach ist das Werk schon derzeit nur zu rund einem Drittel ausgelastet. 

Schließlich bleibt noch die Gläserne Manufaktur in Dresden: VW arbeitet derzeit an einem Konzept für eine zukünftige Nutzung. Oliver Blume sagte jüngst: "Klar ist, dass wir die weitere Fertigung von Konzernprodukten in Dresden ausschließen." Damit würde dort eine technische Kapazität von rund 8000 Einheiten eingespart. Macht in Summe also 734.000 Fahrzeuge weniger.

Und Emden? Das niedersächsische Werk ist ähnlich wie das Nutzfahrzeug-Werk in Hannover von den Abbau-Plänen zunächst nicht betroffen. Allerdings hat VW hier zuvor schon Kapazitäten abgebaut. Geplant ist allerdings sogar, wie bereits erwähnt, neben dem ID.7 den ID.4/5 komplett von Zwickau nach Ostfriesland zu verlagern. 

Das heißt aber nicht, dass Emden und Hannover nicht von den Sparmaßnahmen betroffen sind. Zur Kostensenkung und dem geplanten Abbau von 35.000 Stellen bis 2030 müssen alle Standorte ihren Teil beitragen. Das gilt auch für die Komponentenwerke, etwa in Kassel oder Braunschweig.