Herr Blume, Sie sind seit vielen Jahren im Geschäft – gab es in dieser Zeit jemals so eine explosive Gemengelage wie jetzt?
Wir leben in einer Zeit des rasanten Wandels. Auch das Geschäftsmodell der Automobilindustrie hat sich innerhalb kurzer Zeit stark verändert. Fahrzeuge in Deutschland zu entwickeln, vorwiegend in Europa zu bauen und in die ganze Welt zu exportieren, das funktioniert im Volumengeschäft nicht mehr so einfach wie früher.
Regionen wie China legen eine sehr dynamische Innovationsgeschwindigkeit vor. Dazu kommen geopolitische Entwicklungen und deutlich stärkere marktspezifische Regulierungen. Das heißt für uns, dass wir unser Geschäftsmodell deutlich flexibler aufstellen müssen.
Warum wird der VW-Konzern diese ganzen Umbrüche überstehen?
Weil wir starke Produkte und eine starke Mannschaft haben. Vor zweieinhalb Jahren mit Übernahme meiner Verantwortung für den Volkswagen-Konzern hatten wir eine klare Analyse gemacht. Daraus entwickelten wir eine Strategie und einen Fahrplan des Umsetzens.
Diese Meilensteine arbeiten wir fokussiert und mit hohem Tempo ab. Schneller als ursprünglich geplant. Das betrifft zum Beispiel Produkte, bei denen wir Handlungsbedarf hatten. Technologie, Design, Qualität – all das konnten wir entscheidend verbessern. Wir haben eine Antriebs- und Tech-Strategie aufgestellt und umgesetzt. Für mehr Flexibilität weltweit.
Wir haben unsere Aktivitäten in China umfassend neu aufgestellt und eine Wachstumsstrategie für den nordamerikanischen Markt beschlossen und Fahrt aufgenommen. Und wir haben in Deutschland gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung eine Zukunftsvereinbarung für die Volkswagen AG geschlossen, also für die Marken Volkswagen, Volkswagen Nutzfahrzeuge und die Komponentenstandorte.
Das ist die stabile Grundlage, um auf unserem Heimatmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir senken die Kosten und steigern die Produktivität. Das ist die Grundlage für Erfolg.
Auch in China?
Wir haben vor zweieinhalb Jahren auch unsere China-Strategie neu aufgesetzt. Wir entwickeln jetzt in China für China. Passgenau für die Bedürfnisse der Kunden. In der Technologie und im Design. In diesem und im nächsten Jahr bringen wir die ersten vor Ort konzipierten Fahrzeuge auf die Straße.
Bei der Vorstellung der Autos auf der Shanghai Auto Show war die Resonanz überwältigend. Bis 2027 wollen wir in China 40 neue Modelle des Volkswagen-Konzerns einführen, 20 davon rein elektrisch angetrieben. Technologisch und preislich voll wettbewerbsfähig. Bei den Verbrennern haben wir unsere Position an der Spitze ausgebaut. Diese Erträge sind die Basis, um weiter in die Transformation und neue Technologien zu investieren. In Europa sind die Auftragsbücher voll.
Mit den E-Autos verdienen Sie aber nicht so viel wie mit Verbrennern. Wann erreichen Sie hier Margen-Parität?
Unsere Autos treffen den Nerv der Kundinnen und Kunden. Die Produktoffensive kommt im Markt gut an. Das sind positive Signale. In Europa sind wir mit großem Abstand Marktführer und in Deutschland kamen im ersten Quartal dieses Jahres 7 der 10 bestverkauften E-Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern. Richtig ist aber auch: Wir haben nach wie vor einen großen Handlungsbedarf auf der Kostenseite. Bei Entwicklung, Material, Produktion, Vertrieb und den Fixkosten.
Am Standort Deutschland haben wir im vergangenen Jahr maßgebliche Entscheidungen für die drei großen Marken getroffen, insbesondere bei VW, bei Audi und bei Porsche. Ziel ist es, uns in eine bessere Kostenstruktur zu bringen. Dafür haben wir umfangreiche Programme aufgesetzt. Und ich gehe davon aus, dass wir noch deutlich vor Ende des Jahrzehnts in die Region der Margen-Parität kommen können.
Mit welchen Modellen wird das der Fall sein?
Wir freuen uns schon jetzt auf den ID.2 von VW, den wir auf der IAA im September gemeinsam mit seinen Geschwistermodellen von Skoda und Cupra präsentieren. Damit wollen wir die Margen-Parität erreichen.
Wir haben in China gezeigt, dass wir mit unserem neuen Ansatz eins zu eins mit den chinesischen Herstellern mithalten können – indem wir deutlich schneller entwickeln. Und dort auch in der Lage sind, unsere Kosten um 40 Prozent zu reduzieren. In Europa haben wir die Weichen gestellt und müssen das in den nächsten Jahren beweisen.