Neue Elektro-Plattform SSP: Volkswagen legt die Grundlage für nächste Fahrzeuggeneration

Mit dem sogenannten "Architektur-Freeze" hat Volkswagen bei seinem neuen Elektrobaukasten SSP (Scalable Systems Platform) die Grundlagen für die nächste Fahrzeuggeneration geschaffen, Wie die Automobilwoche aus Wolfsburger Kreisen erfahren hat, nimmt das modulare E-Auto-Fundament nun Gestalt an – und soll zum zentralen Hebel für Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit im Konzern werden.

Die SSP stellt, ähnlich wie früher beispielsweise der Modulare Querbaukasten, die klassische Basis für die Fahrzeuge dar – vom Fahrwerk über Lenkung und Antrieb bis zum Akku. Mit dem Architektur-Freeze wurde nun die Grundlagenarbeit abgeschlossen, und der Baukasten nimmt Form an: Leistungsumfänge und die Anzahl an möglichen Varianten wurden festgelegt und mit wirtschaftlichen Kennzahlen hinterlegt.

Konzernchef Blume selbst soll bei einer internen Veranstaltung im Rahmen des Architektur-Freeze seine Topmanager auf die SSP eingeschworen haben. Es sei wichtig, sich jetzt an die Vorgaben zu halten und zum Beispiel bei der festgelegten Varianz zu bleiben, um sich nicht zu verzetteln, wird Blume von einem Insider zitiert.

Rund 150 Vorstände, Entwickler und Manager sollen bei dem Event dabei gewesen sein. Blume rief seine Mannschaft dazu auf, am Ball zu bleiben. Verständlich, denn Fehler kann sich Volkswagen bei der SSP nicht mehr leisten.

Der Baukasten muss ein Erfolg werden, die Reduzierung der Komplexität gelingen, um zukünftig am Markt bestehen zu können. Das Ziel ist eine Kostenreduktion um 20 Prozent gegenüber heute, heißt es in Wolfsburg.

Als nächstes müssen nun interne und externe Partner ins Boot geholt, Verträge mit Lieferanten ausgehandelt und geschlossen und Details weiter verbessert werden. Spätestens im Frühjahr 2026, heißt es, will Volkswagen den nächsten Schritt abschließen.

Bis dahin sollen nicht nur die einzelnen Plattformen, die sich je nach Fahrzeugklasse aus dem SSP-Baukasten zusammensetzen lassen, definiert werden, sondern auch schon eine konkreter Fahrplan für die Modelle ausgearbeitet sein.

Insgesamt acht SSP-Plattformen sollen demnach über viele Konzernmarken hinweg verschiedenste Modelle ermöglichen – vom Kleinwagen bis zum Sportwagen ist fast alles machbar. Die einzelnen Marken sollen dabei die standardisierte Basis individuell ausgestalten können.

Große Fortschritte der SSP gegenüber den aktuellen Baukästen wie MEB (Modularer Elektrobaukasten) oder PPE (Premium Platform Electric) verspricht sich Volkswagen vor allem bei Reichweite und Ladeleistung (vorgesehen sind 400- und 800-Volt-Systeme) sowie Digitalisierung und Assistenzsystemen.

Aber auch bei Fahrdynamik und Antrieb – teilweise auch mit Range Extender – soll nochmal deutlich nachgebessert werden. 

Das erste europäische Modell auf SSP-Basis soll dem Vernehmen 2027 vorgestellt werden und 2028 auf die Straße kommen. Als sicher gilt, dass es im Kompaktsegment losgeht. Konkreteres ist derzeit noch nicht zu erfahren.

Die Marke VW Pkw hat bereits mehrfach betont, dass nicht der neue, elektrische Golf den Anfang macht –  ein denkbarer Kompakt-Debütant wäre also der E-Nachfolger des T-Roc. Der soll aber erst Ende der Dekade kommen.

Wahrscheinlich also, dass eine andere Konzernmarke mit der SSP durchstarten darf – dabei dürfte es sich um Audi handeln. Häufig wurde spekuliert, dass der elektrische A4 den Anfang macht. Die Einschränkung auf die Kompaktklasse spricht aber für den A3-Nachfolger.

Der elektrische A3 dürfte in Ingolstadt gebaut werden, anschließend wird Volkswagen die SSP dann in Wolfsburg für Golf und T-Roc einrüsten – in der Halle 54, wo derzeit noch der aktuelle Golf vom Band rollt; für 2027 steht allerdings der Umzug nach Mexiko an. 

Sukzessive sollen danach zahlreiche Werke im Konzernverbund auf die SSP umgestellt werden. Denkbar ist etwa, die Technik zeitnah auch nach Zwickau zu bringen, wo aktuell noch MEB-Fahrzeuge für VW, Cupra und Audi gebaut werden.

Ein erster SSP-Vorbote soll übrigens noch ein Jahr früher serienreif sein. Wie neulich bekannt wurde, arbeitet VW parallel an einer eigenen China-Plattform, die China Scalable Platform (CSP), die schon 2027 erwartet wird. Details dazu verrät der Konzern noch nicht, doch soll es sich dem Vernehmen nach dabei um einen Ableger auf Basis der SSP handeln, allerdings mit mehr lokalen Komponenten. 

In der China-Version kommt zum Beispiel die eigene elektrisch-elektronische Architektur (E/E) CEA (China Electronic Architecture) zum Einsatz, die lokal in Kooperation von XPeng entwickelt wird; die CEA selbst soll wiederum schon 2026 auf den Markt kommen, allerdings zunächst in Kompaktmodellen auf der ebenfalls speziell für China entwickelten China Main Platform (CMP).

Zurück zur SSP: Außerhalb Chinas setzt VW auf das Joint Venture mit Rivian, das sowohl die E/E-Architektur als auch die Software-Architektur entwickelt – unter dem Kürzel SDV. Ähnlich wie in China geht auch die SDV-Architektur schon vorab in Serie, nämlich Ende 2027 mit dem ID.1. Im nächsten Schritt wird sie dann mit dem SSP-Baukasten kombiniert. 

Damit vollzieht VW in einigen Jahren das, was Blumes Vorgänger 2021 angestoßen hatte. Herber Diess stellte damals die SSP als neue Wunderplattform vor, träumte sogar von einem eigenen Werk in Warmenau bei Wolfsburg. Pläne, die Blume kurze Zeit später korrigierte. 

Vom großen Ziel eines starken E-Auto-Baukastens aber rückte der Konzern nicht ab. Ab 2028 soll die SSP das Rückgrat von Volkswagens E-Auto-Strategie sein – flexibel, effizient und global skalierbar. Spätestens dann wird sich auch zeigen, ob die Plattform ihre ambitionierten Versprechen bei Kosten, Leistung und Digitalisierung einlösen kann.