Kommentar: VW schafft die ID-Modellnamen ab – gut so!

Bei einem informellen Abendessen Anfang Mai druckste Volkswagens Vertriebschef Martin Sander noch herum, als es um die Namen der zukünftigen Modelle ging. Der elektrische Kleinwagen "müsse nicht unbedingt ID.2 heißen", erklärte der Manager und deutete damit verklausuliert an, worüber längst schon spekuliert wurde: dass VW bei seinen Stromern womöglich zu klaren Modellnamen zurückkehrt. 

Gegenüber der österreichischen Zeitschrift Auto & Wirtschaft wurde Sander nun deutlicher: "Die Autos bekommen wieder richtige Namen", erklärte der Vertriebschef im Interview und ergänzte: "Weder der ID. 2all noch der ID. Every1 werden in der Serie so heißen." Wie die beiden elektrischen Kleinwagen benannt werden, lässt Sander allerdings noch offen: "Wir verkünden das, wenn es soweit ist."

Logisch erscheint allerdings, dass VW für die Einstiegs-E-Autos die Namen Up und Polo verwendet, wie schon im Februar von Automobilwoche berichtet. Zumal auch eine Klasse darüber die Bezeichnung Golf elektrisch weiterleben dürfte. Markenchef Thomas Schäfer hatte bereits 2022 erwähnt, es sei verrückt, ikonische Namen sterben zu lassen.

Das ist mehr als ein kosmetischer Schritt – es ist ein überfälliger Kurswechsel. Denn die ID-Nomenklatur hat bei Kunden nie gezündet. Schon die Aussprache war uneinheitlich: Ieh-Deh oder Ei-Die? Drei oder Three? Und warum heißt der ID.Buzz Buzz und nicht etwa ID.9? Die Zahlen: bedeutungslos, die emotionale Bindung: gering. Anders als bei BMW, wo die Nummernstruktur historisch gewachsen ist und als Statussymbol funktioniert, blieben VWs ID-Modelle austauschbar – im Namen wie im Image.

Die Rückkehr zu richtigen Namen ist auf jeden Fall klug. Namen wie Golf oder Passat stehen seit Jahrzehnten für Verlässlichkeit, Solidität und breite Akzeptanz – genau das, was VW in der E-Mobilität bislang fehlte. 

Und auch politisch dürfte die Namenswende gut ankommen. Olaf Lies, künftiger Ministerpräsident Niedersachsens und damit qua Amt Mitglied des VW-Aufsichtsrats, ließ kürzlich durchblicken, dass der ID.3 vielleicht besser ein Golf geworden wäre.

Das ID-Branding war ein Versuch, Elektromobilität als eigene Welt zu inszenieren – mit futuristischem Design, neuen Plattformen und eben neuen Namen. Doch die Realität hat VW eingeholt: Die Kunden wollen keine Abgrenzung um der Abgrenzung willen. Sie wollen vertraute Modelle mit zeitgemäßer Technik. 

Die Erkenntnis, dass Elektromobilität kein radikaler Bruch, sondern eine technologische Evolution ist, setzt sich inzwischen auch bei anderen Herstellern durch. Mercedes zum Beispiel denkt laut über ein Ende der EQ-Reihe nach – E-Klasse-Kunden wollen vielleicht auch lieber eine elektrische E-Klasse als einen EQE fahren.