Wei Jianjun: Der Mann, der Chinas Autoindustrie und vor allem BYD attackiert

Er ist Gehirn, Gesicht und Stimme von Great Wall Motor (GWM): Wei Jianjun. Seine Strategie für den Autohersteller besteht im Wesentlichen aus drei Aspekten: Disziplin, Disziplin, Disziplin. Und genau die fehlt aus seiner Sicht vielen Konkurrenten auf dem chinesischen Automarkt.

In einem Interview mit dem Finanzportal "Sina Finance" kritisierte Wei zuletzt die Geschäftspraktiken rivalisierender Hersteller. Zwar nannte er keine Namen, doch richtet sich sein Angriff wohl vor allem gegen BYD. Manchen Konkurrenten warf er Schönfärberei ihrer Absatzzahlen vor.

GWM ist in China als Hersteller von SUVs und Pick-ups groß geworden. In Europa vertreibt der Konzern die Marken Ora und Wey – bislang mit überschaubarem Erfolg. Anders als viele Wettbewerber auf dem chinesischen Automarkt ist GWM kein Start-up.

Das private Unternehmen ist 1984 gegründet worden. Wei hat es 1990 in schlechter Verfassung übernommen und saniert, damals war er gerade einmal 26 Jahre alt. Vor der Übernahme hatte er nie in der Autoindustrie gearbeitet, heute ist er einer der reichsten Chinesen.

Wenn der GWM-Chef vor Foto- und Fernsehkameras tritt, neigt er nicht zum Herumalbern. Sein Gesichtsausdruck ist ernst, und wenn er überhaupt einmal davon abweicht, dann lässt er vielleicht ein mildes Schmunzeln zu.

Wie bei einem PR-Auftritt im Mai 2024, als er in einem chinesischen GWM-Autohaus als Verkäufer in Poloshirt und Jeans auftrat und sich bei der Testfahrt eines potenziellen Käufers werbewirksam auf den Beifahrersitz setzte.

In Wahrheit aber gilt Weis strikter Führungsstil selbst in China als extrem. Medienberichten zufolge herrscht in den GWM-Fabriken ein geradezu militärischer Umgangston.

Bill Russo, Autofachmann und früherer Daimler-Chrysler-Manager mit jahrelanger Erfahrung in China, will persönlich beobachtet haben, wie Werksmitarbeiter in Reih und Glied zum Fließband, in die Mittagspause und in den Feierabend marschierten.

Neue Belegschaftsmitglieder mussten laut einem Bericht der "Financial Times" aus dem Jahr 2017 einen zweiwöchigen Drill mit Ausbildern von Chinas Volksbefreiungsarmee durchlaufen, bevor sie ihre erste Schicht antraten. Laut "Bloomberg" war es ein ganzer Monat.

Wei sagte dazu der "South China Morning Post" Anfang der 2000er Jahre, er stelle die höchsten Ansprüche an seine Mitarbeiter, immerhin erhielten sie vom Unternehmen ja auch ein "intensives Training".

Für die mittlerweile geschlossene Europazentrale in München warb GWM Manager mit hohen Gehältern bei der Konkurrenz ab, doch viele davon beklagten laut einem Bericht der "FAZ" kurze Zeit später ein toxisches Betriebsklima. Aus China werde bis ins kleinste Detail "durchregiert", hieß es.

Dieser Mann ist es nun, der Chinas Autoindustrie den Spiegel vorhält. Der Branche attestiert er schlechte Gesundheit und vergleicht sie mit dem Kollaps des Immobilienentwicklers Evergrande: "Sie ist nur noch nicht zusammengebrochen", sagte Wei "Sina Finance".

Er kritisiert führende Akteure, sie hätten sich zu stark darauf konzentriert, ihre Börsenbewertungen zu steigern – auf Kosten der wirtschaftlichen Substanz und der Sicherheit ihrer Modelle. Anders seien die Billig-Angebote, wie sie aktuell vor allem BYD macht, "absolut unmöglich".

Weiter wirft Wei der Konkurrenz vor, ihre Absatzzahlen im großen Stil schönzufärben. Demnach erreichen manche Hersteller ihre straffen Ziele nur durch kreative Buchführung, indem sie etwa nicht an Endkunden verkaufte Neufahrzeuge als Null-Kilometer-Gebrauchtwagen an Händler weiterreichen.

Wie weit verbreitet diese angebliche Praxis ist, lässt sich nicht beziffern. Der GWM-Chef schätzt aber, dass zwischen 3000 und 4000 Gebrauchtwagenhändler im Land entsprechende Fahrzeuge auf Onlineplattformen anbieten. Chinas Handelsministerium will dem nun nachspüren. Das Ziel: Disziplin, Disziplin, Disziplin.