Regierung untersucht Chinas Automarkt: Sind Absatzzahlen schöngefärbt?

In China mehren sich Zweifel an den Absatzzahlen führender Autohersteller. Jetzt schaltet sich deshalb sogar das chinesische Handelsministerium ein, wie unter anderem die Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg berichten.

Das Ministerium will demnach prüfen, ob die betroffenen Hersteller ihre Verkäufe zum Wohl des Aktienkurses künstlich aufplustern.

Die Berichte beziehen sich auf einen Beitrag im sozialen Netzwerk Weibo von Li Yanwei. Der ist Vertreter der China Automobile Dealers Association, die zusätzlich zu Herstellern an einem Treffen in dieser Woche beteiligt gewesen sein soll. Ein Vertreter des Herstellers Dongfeng hat das Treffen ebenfalls bestätigt.

Die Berichte passen zu den jüngsten Aussagen des Chefs von Great Wall Motor (GWM), Wei Jianjun. Der sagte in einem Interview mit dem Finanzportal "Sina Finance", Chinas Autoindustrie durchlaufe eine ungesunde Entwicklung.

In Anspielung auf die Insolvenz des zweitgrößten chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande sagte er: "Evergrande existiert bereits in der Autoindustrie – es ist nur noch nicht zusammengebrochen." Der Vergleich mag drastisch erscheinen, aber er passt zu Wei Jianjun, dessen Führungsstil und militärischer Umgangston selbst in China als extrem gelten.

Derweil heizt BYD die ruinöse Rabattschlacht auf Chinas Automarkt weiter an. Der Einstiegspreis des günstigsten Konzernmodells Seagull liegt umgerechnet bei nur noch 6820 Euro. Trotzdem steigen Berichten zufolge die Lagerbestände bei den Händlern, weil die Nachfrage der Kunden nicht im selben Tempo mit anzieht.

Die daraus resultierende finanzielle Belastung dürfte den Konsolidierungsdruck in der Branche weiter erhöhen. Experten zufolge werden speziell junge E-Auto-Hersteller mit einem Absatz unter zwei Millionen Neuwagen jährlich in China nicht lange überleben.

"Sie müssen so schnell wie möglich fusionieren, sich umstrukturieren und zusammenarbeiten", zitiert das Portal "Car News China" Professor Zhu Xican von der Fakultät für Kraftfahrzeugtechnik der Tongji-Universität.

Laut dem Handelsvertreter Li Yanwei will Chinas Handelsministerium nun herausfinden, ob und in welchem Ausmaß Hersteller ihre Verkaufsziele dadurch erreichen, dass sie nicht an Endkunden verkaufte Neufahrzeuge über Supply-Chain-Finanzierungsplattformen oder als Null-Kilometer-Gebrauchtwagen an entsprechende Händler abstoßen.

Auf Gebrauchtwagenplattformen werden diese De-facto-Neuwagen mit null gefahrenen Kilometern angeblich tausendfach gehandelt, für die Hersteller gelten sie zu dem Zeitpunkt längst als verkauft. Anders als in anderen Märkten sei diese Praxis in China nicht eindeutig geregelt, heißt es in den Berichten.

Li fordert das Handelsministerium sowie die chinesische Börsenaufsicht auf, dagegen vorzugehen.

Wie weit verbreitet die angebliche Absatz-Schönfärberei ist, lässt sich nicht beziffern. GWM-Chef Wei Jianjun schätzt aber, dass zwischen 3000 und 4000 Gebrauchtwagenhändler im Land sogenannte Null-Kilometer-Fahrzeuge auf Onlineplattformen anbieten. Der Stein kommt womöglich gerade erst ins Rollen.