"Wir werden noch einmal signifikante Anstiege bei den Reparaturkosten sehen"

Ob neu oder gebraucht: Wer heute ein Auto kauft, hat häufig eine Garantie auf das Fahrzeug. Dahinter steckt in vielen Fällen der Versicherer CarGarantie. Wie allen Versicherern machen auch diesem stetig steigende Reparaturkosten in der Kfz-Branche zu schaffen. Im Interview erklärt CEO Marcus Söldner, warum es für CarGarantie dennoch gut läuft und wo er die größten Wachstumschancen sieht.

2024 sind Ihre durchschnittlichen Schadenkosten pro Reparatur auf 718 Euro gestiegen. Mit 61 Euro war der Anstieg gegenüber dem Vorjahr so hoch wie nie. Es scheint, als ob sich der Anstieg der Reparaturkosten immer mehr beschleunigt. Was erwarten Sie für 2025?

Wir hatten 2024 mit einem Plus von zehn Prozent in der Tat den stärksten Anstieg der Reparaturkosten, den wir jemals gemessen haben. Die Inflation im Automobilbereich, etwa bei Ersatzteilen und Lohnkosten, war in den vergangenen Jahren oft ein Vielfaches so hoch wie die Kerninflation. Ich glaube aber, dass mittelfristig eine gewisse Beruhigung eintritt.

Das bedeutet?

Wir werden keine Steigerungen von zehn Prozent mehr sehen, sondern eine Normalisierung im Bereich von etwa fünf Prozent Anstieg pro Jahr.

Das ist immer noch doppelt so viel wie die allgemeine Inflation…

Genau – Lohnkosten und Materialpreise entwickeln sich weiter dynamisch. Durch die Lieferkrise und den Krieg in der Ukraine haben sich die weltweiten Lieferketten nachhaltig verschoben. Und die Globalisierung der letzten Jahrzehnte wird derzeit mit den US-Strafzöllen ein Stück weit aufgelöst.

Letzteres treibt kurzfristig noch einmal die Preise, bis das Thema gelöst ist. Dieses Jahr werden wir daher sicher noch einmal signifikante Anstiege sehen, bevor wir danach wieder Normalität haben. Aber die Normalität in der Autobranche sind aus den genannten Gründen vier bis fünf Prozent Inflation und nicht zwei.

Eine Angleichung an die allgemeine Inflation ist also ausgeschlossen?

Ja. Das liegt auch daran, dass die Margen in der Autobranche enorm unter Druck sind. Im Neuwagengeschäft brechen sowohl bei Herstellern als auch Händlern die Gewinne ein. Wenn die Industrie daher die Margen im Ersatzteilgeschäft nicht halten kann, bekommt sie ein großes Problem.

Um die Reparaturkosten zu senken, forciert der Versicherer Allianz Reparaturen mit gebrauchten Teilen. Käme das auch für Sie infrage?

Wir schauen uns das Thema natürlich an. Realistischerweise ist das für einen Player unserer Größe aber nicht umsetzbar. Der logistische Aufwand wäre viel zu groß. Wir müssten mehr als 20.000 Händler in 19 Ländern mit gebrauchten Ersatzteilen versorgen. Denn die Händler werden das von sich aus nicht aufbauen. Warum sollten sie auch?

Der Versicherer-Verband GDV schätzt, dass die Kfz-Versicherer infolge der steigenden Schadenkosten 2024 rund zwei Milliarden Euro Verlust gemacht haben. Wie ist die Lage bei Ihnen? Mussten Sie ebenfalls Verluste hinnehmen?

Nein, wir haben ein sehr stabiles Geschäftsmodell. Wir haben frühzeitig erkannt, dass unsere Reparaturkosten stark ansteigen und dort individuell die Prämien erhöht, wo die Margen nicht ausgereicht haben, um kostendeckend zu arbeiten. Unsere Profitabilität hat dennoch gelitten. Unterm Strich steht aber ein Plus. Und das haben nicht alle im Markt geschafft.

Wie stark sind Ihre Prämien im Schnitt gestiegen? Die Kfz-Versicherung wurde durchschnittlich 20 Prozent teurer.

Diese Größenordnung mussten wir zum Glück nicht aufrufen. Wir sind im einstelligen Prozentbereich geblieben. Dass wir die Prämien erhöht haben, um profitabel zu bleiben, ist nebenbei auch im Interesse unserer Kunden.

Das müssen Sie erklären.

Wären wir nicht mehr profitabel, steigt uns die BaFin auf die Füße. Diese würde uns höhere Rückstellungen auferlegen und wir müssten die Prämien noch deutlich stärker erhöhen. Erst kürzlich ist das bei einem anderen Garantieanbieter passiert, der sozusagen stillgelegt wurde.

Wir setzen hier eher auf eine verlässliche Solvabilitätsquote von derzeit 263 Prozent. (Anm. d. Red.: Die Solvabilitätsquote gibt das Verhältnis der Eigenmittel zu den möglichen Verpflichtungen an.)

Sind steigende Reparaturkosten nicht auch ein Konjunkturprogramm für Sie, weil Verbraucher sich gegen die ständig steigenden Kosten mit einer Garantie absichern wollen?

Das ist so. Die Verbraucher in Europa haben durch die Rezession in vielen Ländern wenig finanziellen Spielraum beim Autokauf. Wenn sie dann ein Auto kaufen, wollen viele die Sicherheit, dass keine unvorhergesehenen Kosten mehr auf sie zukommen. Das haben wir in der Vergangenheit schon öfters gesehen.

In Krisenzeiten, wenn der Neuwagenabsatz deutlich zurückging, sind wir dennoch leicht gewachsen, weil der prozentuale Anteil der Garantien auf verkaufte Neuwagen und die Zahl der Garantieverlängerungen überproportional gestiegen sind. Vor der Krise lagen die Abschlussquoten bei Garantieverlängerungen immer unter 20 Prozent, jetzt sind wir deutlich darüber.

Das müsste sich auch in ihrem Vertragsbestand zeigen. Wo stehen Sie?

Unsere Vertragszahlen wachsen. Wir haben derzeit rund zwei Millionen Garantie- und Reparaturkostenverträge im Bestand und schließen pro Jahr etwa 700.000 Neuverträge ab. Auch in den ersten vier Monaten 2025 haben wir gegen den allgemeinen Trend der Branche wieder ein leichtes Plus verzeichnet. Die Entwicklung zeigt sich auch an den Beitragseinnahmen, die 2024 auf 335 Millionen Euro gestiegen sind.

Wie entwickeln sich die Vertragslaufzeiten? Wenn Kunden ein gesteigertes Absicherungsbedürfnis haben, müssten die Laufzeiten ja steigen, was Ihnen entgegenkommt.

Die durchschnittliche Garantielaufzeit bei Gebrauchtwagen liegt aktuell bei 1,8 Jahren – Tendenz steigend. Das Fahrzeugalter in Deutschland steigt immer weiter an. Da gehen wir natürlich mit, indem wir zunehmend Garantieverlängerungen und Garantien für ältere Autos anbieten.

Gleichzeitig beobachten wir, dass immer mehr Kunden ihre Garantie über die gesamte Laufzeit ihrer Finanzierung abschließen, also nicht nur 24, sondern 60 Monate. Unsere durchschnittlichen Prämien pro Vertrag sind dementsprechend deutlich gewachsen.

Dementsprechend müssten Sie mit dem aktuellen Geschäftsjahr bislang zufrieden sein, oder?

Ich bin tatsächlich sehr zufrieden. Das war ich aber auch mit dem Geschäftsjahr 2024. Die ganze Branche hat schwer gelitten und wir haben trotzdem ein solides Ergebnis erzielt. Und 2025 könnte es sogar noch einmal etwas besser laufen.

Welche Ziele haben Sie sich konkret gesetzt?

Ich will dieses Jahr die Marke von 350 Millionen Euro an Beitragseinnahmen knacken. Danach sieht es derzeit auch aus. Bei der Profitabilität will ich mindestens das Vorjahresniveau erreichen.

Können Sie konkrete Zahlen nennen?

Nein, auch weil die Schadenentwicklung sehr volatil ist. Wenn sich die Schadenfrequenz nur leicht erhöht, haben wir sofort eine gewaltige Delle beim Profit.

Was ist derzeit der wichtigste Trend in Ihrem Geschäft? Wo sehen Sie aktuell die größten Wachstumschancen?

Bei der Service Activated Warranty, also wenn der Hersteller dem Kunden verspricht: Wenn du deinen nächsten Service beim Vertragshändler machst, verlängert sich die Garantie auf dein Auto bis zum nächsten Service.

Sie sprechen von Toyota Relax? Fahren Kunden jährlich zur Toyota-Werkstatt ist eine Garantie bis 15 Jahre oder 250.000 Kilometer möglich.

Genau, das Beispiel Toyota hat viele Hersteller veranlasst, über das Thema nachzudenken. Und da sind wir bereits in ersten Gesprächen.

Sind Sie bei Toyota mit an Bord?

Nein, Toyota hat die Philosophie, möglichst viel selbst zu machen. Bei anderen Herstellern sehen wir aber gute Chancen.

In welchen Bereichen sehen Sie darüber hinaus Potenzial?

Im Neuwagenbereich sind mittlerweile viele Hersteller mit eigenen Programmen und Versicherungen aktiv. Aber der Gebrauchtwagenmarkt bietet noch unendlich viel Potenzial. Allein in Deutschland gibt es einen Bestand von 50 Millionen Pkw und jährlich rund sieben Millionen Besitzumschreibungen, während wir europaweit 700.000 Neuverträge pro Jahr schließen.

Gemeinsam mit dem Handel gibt es hier noch viel zu holen, zumal Garantien angesichts des wachsenden Absicherungsbedürfnisses der Verbraucher für Händler als Differenzierungsmerkmal immer wichtiger werden.

Vielen Dank für das Gespräch!