Die besten Erträge erzielen Automobilhersteller bei Ersatzteilen. Doch das treibt die Kosten der Versicherer in die Höhe. Gibt es Auswege aus dem Dilemma?
Das kann teuer werden: Aufgrund gestiegener Reparaturkosten mussten Versicherer in den vergangenen Jahren ihre Prämien erhöhen.
Erst stiegen die Autopreise, nun schnellen die Nebenkosten in die Höhe. Vor allem die Versicherer erhöhen nach Milliardenverlusten ihre Prämien. Allein im vergangenen Jahr kletterten sie in Deutschland um durchschnittlich ein Fünftel. Die Tendenz zeigt nach oben.
Hinter den Kulissen wird hart gerungen: Hersteller gegen Versicherer. Es geht natürlich ums Geld. Die Hersteller brauchen die Gewinne, die Versicherer müssen die Kosten drücken.
"Hier handelt es sich um einen Interessenkonflikt von zwei starken Industrien. Die Versicherer sitzen in diesem Fall aber am kürzeren Hebel", sagt Karsten Crede.
Der Ex-VW-Manager und frühere Versicherungsvorstand (Allianz und Ergo) hat sich Anfang des Jahres mit dem Beratungsunternehmen Crede & Company selbstständig gemacht und lehrt zugleich an der Universität St. Gallen (Institute for Mobility).
Die Hersteller drehten massiv an den Preisschrauben für ihre Ersatzteile. Laut Gesamtverband der Versicherer (GDV) stiegen die Preise allein im vergangenen Jahr um durchschnittlich 6,2 Prozent.
Kühlergrill und Stoßfänger legten deutlich über zehn Prozent zu. Zudem kletterten, nicht zuletzt durch die Lohnerhöhungen in den Werkstätten, die Stundenverrechnungssätze.
"Arbeiten an der Mechanik, Elektrik oder der Karosserie kosteten 2023 im Schnitt 188 Euro pro Stunde, Lackierarbeiten sogar 205 Euro. Beide Preise stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 8,6 Prozent", sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen bei der Vorstellung der Zahlen. Rund zwei Milliarden Euro fehlten den Kfz-Versicherern 2024, im Jahr zuvor waren es noch mehr.
Die Folgen sind klar. Primus HUK-Coburg hat in den beiden vergangenen Jahren seine Kfz-Beiträge jeweils um 15 Prozent erhöht. "Wir hatten viele Jahre eine Überinflation im Teilepreissektor", sagt HUK-Vorstand Jörg Rheinländer. "Wir erwarten, dass sich dies weiter fortsetzt." Es gebe keine Gründe, warum dies nicht der Fall sein sollte.
Im Gegenteil: Je mehr der Preiskampf im Neuwagengeschäft an den Margen zehrt, umso wichtiger ist der Teilebereich. "Rund 20 Prozent der weltweiten Umsätze erzielt die Autoindustrie derzeit mit Ersatzteilen und Reparatur", so Crede. "Das entspricht einem jährlichen Umsatz von etwa 800 Milliarden US-Dollar."
Doch die Erlöse sind nur eine Seite. Viel entscheidender sind die Erträge. "Je nach Hersteller werden dort Margen zwischen 30 und 50 Prozent realisiert", sagt Crede. Das zahlt sich für die Hersteller aus. Je nach Unternehmen steuert das Aftersales-Geschäft bis zur Hälfte des Gesamtgewinns bei.
Darauf verzichtet keiner freiwillig. "Die Hersteller werden ihr Monopol bei Teilen mit Designschutz nicht ohne Kampf aufgeben", sagt Zoran Nikolic, Co-Chef von Wolk & Nikolic After Sales Intelligence.
Dieses schützt die äußere Erscheinungsform eines Produkts – und die Hersteller vor Konkurrenz freier Anbieter. Die 2020 in Deutschland eingeführte nationale Reparaturklausel weicht dies auf, aber nur langsam. Es gilt Bestandsschutz.
Die Möglichkeiten der Versicherer, auf die Preiserhöhungen zu reagieren, sind entsprechend begrenzt. Die höheren Preise ablehnen geht nicht, bleibt die Weitergabe an Kunden oder Kosten senken.
Durch Werkstattbindungsverträge erreichen Versicherer einen Teil ihrer Kunden. Ältere Fahrzeuge können dann in freie Werkstätten gelenkt werden. Das macht es günstiger.
"Mich wundert, dass die Versicherer nicht mehr tun, um mehr Expertise in ihrer zentralen Kostenposition aufzubauen", so Crede. Nach seiner Einschätzung ließen sich so die Ausgaben für Schäden um zehn bis 15 Prozent reduzieren.
Denkbar ist beispielsweise:
Doch dafür müssten die Versicherer enger zusammenrücken: "Solange jedoch rund 100 Autoversicherer mit 100 Schadenabteilungen, 100 IT-Systemen und 100 Produktabteilungen maximal fragmentiert und ohne die nötige Innovations- und Investmentkraft agieren, fehlt die erforderliche Bündelung der Kräfte", so Crede. Die Folge: "Preiserhöhungen bleiben als Ultima-Ratio die einzige Möglichkeit, auf weitere Preissteigerungen zu reagieren."
