Elektromobilität: Warum sich der Markt jetzt neu sortiert

Kommt mit den neuen Modellen und Architekturen der endgültige Durchbruch der Elektromobilität? Bei Mercedes-Benz sieht es zumindest so aus, als könnte der neue CLA auf der MMA-Plattform den hohen Erwartungen gerecht werden.

Produktionschef Jörg Burzer spricht von einem "sehr erfreulichen Auftragseingang" für die rein elektrische Variante und kündigt für die zweite Jahreshälfte eine dritte Schicht im Werk Rastatt an. 

Nach der Delle im vergangenen Jahr nimmt die Dynamik bei den E-Autos deutlich zu. Dies gilt nicht nur für Deutschland. Laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC Strategy& verzeichneten die weltweiten BEV-Verkäufe im ersten Quartal mit plus 42 Prozent ein deutliches Wachstum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Der sprunghafte Anstieg führte zum höchsten jemals verzeichneten globalen BEV-Marktanteil von 16 Prozent.

Zwar kann ein Großteil dieses Anstiegs nach wie vor China zugeschrieben werden, das für mehr als 60 Prozent der weltweiten BEV-Verkäufe steht und seine Rolle als Leitmarkt einmal mehr untermauerte.

Der BEV-Marktanteil liegt in China nun schon bei 27 Prozent. Aber auch die Verkäufe auf den wichtigsten europäischen Märkten erholten sich und legten im ersten Quartal um 30 Prozent zu.

Ein Großteil dieses Anstiegs geht auf das Konto Großbritanniens und Deutschlands, die um 43 beziehungsweise 39 Prozent zulegten. Deutschland bleibt damit hinter dem Vereinigten Königreich der zweitgrößte Markt für BEVs in Europa.

Auch in den USA war im ersten Quartal eine Zunahme von Zulassungen rein elektrischer Fahrzeuge zu beobachten, wenn auch auf einem niedrigeren Niveau. Hier lag das Plus bei 18 Prozent.

Mit den neuen Modellen von Mercedes, BMW und auch aus dem Volkswagen-Konzern ändern sich die Vorzeichen. Tesla hat als Hersteller global gesehen nach wie vor eine dominante Stellung.

Doch die mangelnde Modellvielfalt und das politische Engagement von Unternehmenschef Elon Musk haben die Marke vor allem in Europa unter Druck gebracht. Hier dominiert inzwischen der Volkswagen-Konzern die Zulassungsstatistiken mit Fahrzeugen wie ID.7, ID.4 und ID.3. Tesla liegt dagegen nur noch im Mittelfeld.

In China wird der Markt von günstigen Modellen angeführt. Der Geely-Konzern setzte sich mit dem Geometry Xingyuan bei den Verkaufszahlen an die Spitze.

Laut Studie wurden von dem im September 2024 eingeführten Modell, das in China unter 9000 Euro kostet, allein im ersten Quartal fast 90.000 Exemplare abgesetzt. Beim zweitplatzierten Wuling Hongguang Mini EV handelt es sich um ein Kleinstauto. Teslas Model Y schaffte es auf den dritten Platz.

In den USA ist die Vormachtstellung des Elektroautopioniers dagegen ungebrochen. Model Y und Model 3 führen die Statistik mit großem Abstand an. Immerhin können sich mit VW ID.4 und BMW i4 erstmals zwei deutsche Hersteller in die Top Ten schieben.

Auf dem absteigenden Ast befindet sich Teslas Cybertruck, vom dem in den ersten drei Monaten nur 6406 Exemplare verkauft wurden, was kaum den Erwartungen von Musk entsprechen dürfte.

Gerade in Europa wird die Elektrooffensive in diesem Jahr mit neuen Modellen befeuert. Audi hat bereits mit dem Q6 und dem A6 e-tron vorgelegt. Mercedes schickt den CLA und später noch den GLC ins Rennen.

BMW zieht mit dem ersten Modell der Neuen Klasse nach. In den nächsten Jahren kommen Dutzende neue Elektroautos auf den Markt, die technologisch in einer anderen Liga spielen.

Alle stehen auf 800-Volt-Architekturen und versprechen kürzere Ladezeiten und höhere Reichweiten.

"Trotz geopolitischer Unsicherheiten und wachsender Handelsbarrieren haben die deutschen Autobauer zuletzt ihre Hausaufgaben gemacht – sie bringen zunehmend wettbewerbsfähige Modelle auf den Markt und verkürzen so den Abstand zur Konkurrenz", sagt Felix Kuhnert, Partner und Automotive Leader bei PwC Deutschland.

Außerdem helfe ihnen der Fokus auf Qualität und Sicherheit, der aktuell deutlich an Gewicht gewinnt – auch vor dem Hintergrund schwerer Unfälle chinesischer Marken. So gab es jüngst beim Elektro-Newcomer Xiaomi einen tödlichen Unfall bei aktiviertem Fahrassistenten. 

Kuhnert fordert die deutschen Hersteller auf, jetzt nicht nachzulassen. "Da BEVs weltweit immer beliebter werden und die Preise nicht nur in China im Sinkflug sind, müssen die deutschen OEMs gleichzeitig schnellstmöglich Wege finden, wie sie ihre Kosten senken und die Einsparungen an die Kunden weitergeben können. Das gilt insbesondere für die Batterie."

Als wesentlicher Faktor der Unsicherheit gelten die zunehmenden geopolitischen Spannungen und Handelsbarrieren auf der Welt. Die Studienautoren sehen das Risiko einer Fragmentierung des weltweiten Automobilmarkts in die drei Mega-Blöcke USA, China und Europa.

Alle drei Regionen setzen auf industriepolitische Maßnahmen, um ihre eigenen Märkte zu schützen – und könnten damit das Ende der heutigen global verflochtenen Lieferketten einläuten.

Dabei gehen sie unterschiedlich vor. Während die USA sich für Strafzölle auf die Einfuhr von Autos aus anderen Regionen entschieden haben, fördert China gezielt heimische Technologien, um die eigene Unabhängigkeit zu stärken.

Die EU versucht ebenfalls, die heimische Industrie mit Zöllen zu schützen. Sie reagierte zudem mit einem EU-Aktionsplan, der zum Beispiel Anreize zur heimischen Batteriezellproduktion setzt und Mechanismen zum gepoolten Kauf kritischer Rohstoffe etabliert. 

Erhebliche Auswirkungen auf Produktion, Entwicklung und Absatz der Autobauer sind zu erwarten. "Was wir derzeit erleben, ist keine schleichende Verschiebung, sondern eine tektonische Neuordnung des globalen Automobilmarkts", sagt Jörn Neuhausen, Senior Director und Leiter Elektromobilität bei der PwC-Tochter Strategy& Deutschland.

"Die europäischen Hersteller müssen dringend klären, wie sie sich im Spannungsfeld der drei Blöcke strategisch positionieren wollen."

Schon jetzt wird über Produktionsverlagerungen nachgedacht. Während etwa Mercedes-Benz bereits entschieden hat, mit dem Erfolgs-SUV GLC ein weiteres Modell in den USA zu fertigen, will der VW-Konzern noch die Verhandlungen der US-Regierung mit der EU abwarten.

Da VW gerade ein neues Werk für die Submarke Scout in South Carolina errichtet, ergeben sich auch Produktionschancen für andere Marken der Wolfsburger.

Klar ist, dass es in den nächsten Jahren deutlich anspruchsvoller wird, sich zu positionieren. BMW beispielsweise reagiert darauf mit Milliardeninvestitionen in die Neue Klasse.

"Wir heben nicht nur die Mobilität auf ein neues Niveau. Die BMW Group wird ein neues Unternehmen", so CEO Oliver Zipse. Die Neue Klasse bündele die Innovationskraft von BMW in den zentralen Bereichen Elektrifizierung, Digitalisierung und Zirkularität.

Eine zentrale Frage für die Elektromobilität ist aus Sicht der PwC-Studienautoren, wie man die verschiedenen Transformationsgeschwindigkeiten zwischen China und den USA abbilden kann.

Entscheidend sei zudem, wie europäische Autobauer künftig ihre Batterielieferketten absichern, wenn heute in fast allen Elektroautos Akkus chinesischer Hersteller stecken.

"Um hier unabhängiger zu werden, muss Europa mit Wucht und Fokus in eine eigene Zellfertigung sowie eine entsprechende Zuliefererinfrastruktur investieren", so Neuhausen. Dies sei von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung.

Angesichts der geopolitischen Unwägbarkeiten sind Prognosen derzeit sehr unsicher. Viele Hersteller könnten zwar bei Bedarf umstellen, gehen aber davon aus, ihre zunächst anvisierten BEV-Ziele deutlich später zu erreichen.

Die PwC-Studie trifft hier keine Aussage, ansonsten ist die Bandbreite groß. Die Beratungsfirma AlixPartners etwa rechnet im aktuellen "Automotive Outlook" damit, dass Elektrofahrzeuge aller Art, also von BEVs bis Range-Extender, 2030 einen Anteil von 30 Prozent am Weltmarkt haben werden.