Tesla Model S und X: Abschied oder Neustart?

Teslas Model S und X spielen in der Verkaufsstatistik kaum mehr eine Rolle. Von gut 384.000 ausgelieferten Autos im ersten Halbjahr entfielen nur 13.409 Fahrzeuge auf "Other Models" – also die Oberklasse-Fahrzeuge und den Cybertruck. Der Rest sind Model 3 und Y.

Nahezu bedeutungslos sind die beiden Modelle in Deutschland. Gerade mal 59 Model-S-Limousinen und 58 Model-X-SUV wurden hierzulande in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 zugelassen – macht 1,4 Prozent der Tesla-Verkäufe. Dass beide Modelle auf der Hersteller-Webseite nun nicht mehr bestellbar sind, dürfte also kaum einem Kunden auffallen.

Auch in anderen europäischen Märkten sind die beiden Top-Modelle aktuell nicht als Neuwagen konfigurierbar, etwa in Großbritannien und Frankreich, aber auch in den E-Auto-Vorreiterländer Norwegen und Niederlande. 

Das könnte man als Hinweis auf das baldige Aus der in die Jahre gekommenen Baureihen – das Model S wird seit 2012 gefertigt, das Model X mit seinen auffälligen, nach oben aufschwingenden Türen seit 2015 –  deuten, es muss aber nicht unbedingt sein. Denn: Erst im Juni hatte Tesla den beiden in Kalifornien gebauten Modellen noch ein Update verpasst. 

Schon im Februar hatte ein Tesla-Manager betont, die beiden Modelle würden keinesfalls eingestellt, sondern würden im Laufe des Jahres "etwas Liebe" bekommen. Seit gut sechs Wochen nun fahren beide Modelle nun in den USA mit überarbeitetem Fahrwerk, etwas mehr Reichweite und neuen Farben vor. 

Außerdem wurden Front und Heck leicht überarbeitet, beide bekamen – wie bei Model Y und Cybertruck üblich – eine neue Kamera in der vorderen Stoßstange und das Model X soll sogar minimal verlängert worden sein, um den Passagieren in der dritten Reihe etwas mehr Platz zu bieten.

Das sind keine revolutionären Neuerungen, aber es steckt doch zu viel Arbeit (und Geld) drin, um die Modelle zeitnah einzustellen. Denkbar also, dass beide Fahrzeuge auch in den europäischen Konfiguratoren bald wieder auftauchen.

Ungeachtet dessen gilt weiterhin: Perspektivisch muss Tesla an Nachfolgern arbeiten, die Konkurrenz hat inzwischen deutlich aufgeholt. Schon länger tüfteln die Entwickler an einer neuen Plattform. Der geplante Start neuer Modelle – angefangen mit einem häufig kolportierten Crossover mit dem internen Namen "Redwood" – wurde allerdings verschoben. Ursprünglich sollten schon 2025 die ersten Fahrzeuge in Austin vom Band rollen.

Die neue Plattform ist vornehmlich für kompakte Fahrzeuge gedacht, also mögliche Nachfolger von Model 3 und Model Y sowie ein günstigeres Einstiegsmodell. Sie sollte aber durchaus auch in der Lage sein, die nächste Generation des Model S oder X aufzunehmen, genauso wie das Cybercab. 

Zudem steht nach wie vor eine Neuauflage des Roadsters im Raum, genauso wie ein kleinerer Pick-up unterhalb des Cybertrucks. Auch von Letzerem hatten Tesla-Verantwortliche bereits offiziell gesprochen, allerdings ohne ein Startdatum oder Details zu nennen.

Anders als den Cybertruck könnte eine kleinere Version global erfolgreich sein und auch in Teslas geplanter autonomer Flotte eine Rolle für fahrerlosen Gütertransport spielen.

Noch ist die neue Plattform, die für jegliche neue Fahrzeuggeneration nötig ist, allerdings nicht fertig. Tesla behilft sich derweil wohl mit Umbauten der aktuellen Modelle: So soll in China schon bald eine verlängerte Version des Model Y mit sechs Sitzen an den Start gehen, die eventuell auch nach Europa kommt. Ob sie in Grünheide gefertigt wird, ist noch unklar. 

Und auch das günstige Einstiegsmodell rückte zuletzt wieder in den Fokus. Auch hier könnte Tesla übergangsweise auf die bestehende Basis zurückgreifen und Model 3 oder Model Y abspecken, damit der Preis auf rund 30.000 Euro sinkt.

Auf Anfrage von Automobilwoche äußerte sich Tesla übrigens nicht zum Aus der Modelle X und S. Ganz abschreiben sollte man die Oberklasse-Fahrzeuge aber noch nicht – und das gilt für die gesamte Marke. Auch wenn Tesla gerade mit herben Absatzrückgängen zu kämpfen hat, ist das finanzielle Polster beachtlich. Die Bar-Reserven liegen bei 36 Milliarden Dollar.

Erst jüngst erklärte Tesla im Rahmen seiner Halbjahreszahlen: "Wir verfügen über ausreichend Liquidität, um unsere Produkt-Roadmap, unsere langfristigen Kapazitätserweiterungspläne und sonstige Ausgaben zu finanzieren.

Die Vergangenheit zeigt zudem, das Elon Musk ungeachtet seiner politischen Eskapaden und teilweise skurrilen Ansichten nicht unterschätzt werden darf: Er hatte 2006 einen Roadster angekündigt und alle haben gelacht. Aber Musk hat geliefert. Er hatte E-Autos in Großserie angekündigt und wieder haben alle gelacht – doch 2017 kam das Model 3.

Bei SpaceX hatte er wiederverwendbare Raketen angekündigt – und in die Tat umgesetzt. Und Musk kündigte Robotaxis und humanoide Roboter an. Noch lachen alle, doch die Geschichte dürfte noch nicht zu Ende sein.