Skoda-CEO Klaus Zellmer: "Der nächste Schritt ist ein elektrischer Kombi"

Skodas neue Firmenzentrale, der Laurin-&-Klement-Kampus in Mladá Boleslav, wirkt mit seiner modernen Architektur, Meetingzonen und Co-Working-Spaces eher wie das Hauptquartier eines Start-ups als wie der Stammsitz eines Traditionsunternehmens.

Selbst die Vorstände haben hier keine eigenen Büros mehr. In diesem Umfeld, das Wandel und Aufbruch ausstrahlt, trifft die Automobilwoche CEO Klaus Zellmer zum Interview.

Der Manager spricht mit klaren Worten und viel Leidenschaft über Künstliche Intelligenz, neue Märkte, den elektrischen Elroq – und warum Skoda noch lange nicht am Ziel ist.

Wenn man den Wunsch hegt, Titel nicht nur zu erringen, sondern auch zu verteidigen, dann ist es immer ein Fulltime-Job. Das ist wie beim Radfahren: Wenn Du aufhörst zu treten, fahren alle vorbei. Nach einem guten Jahr 2024 geben wir auch dieses Jahr wieder Vollgas – und dabei ist das gesamte Team gefordert.

Wir arbeiten hier in Tschechien mit besseren Rahmenbedingungen, weil wir günstigere Faktorkosten haben. Aber auch wir bestreiten intern unser Effizienzprogramm und heben Synergiepotenziale – auch innerhalb der Markengruppe Core –, um unsere Rendite-Erwartungen zu halten oder weiterzuentwickeln.

Bis 2028 wollen wir entlang der demografischen Kurve, also durch natürliche Fluktuation und Verrentung im indirekten Personalbereich, 15 Prozent leichter werden und gleichzeitig fünf Prozent in neue strategische Bereiche reinvestieren.

Unsere Belegschaft im direkten Bereich – also beispielsweise in der Produktion – ist hiervon unberührt. Das ist möglich, weil wir beispielsweise durch Künstliche Intelligenz deutlich effizienter werden können.

Nein, in allen Bereichen. Wir haben ein eigenes SkodaGPT aufgesetzt, das uns bei der Beantwortung von Briefen, dem Zusammenfassen von langen Texten oder Übersetzungen deutlich effizienter macht oder auch in der Buchhaltung hilft.

Wir können unsere Sparziele vor allem im indirekten Bereich nur erreichen, wenn wir frei werdende Positionen nicht nachbesetzen. Dafür müssen aber die Aufgaben effizienter organisiert werden. Wichtig ist: Niemand wird seinen Job wegen KI verlieren, sondern wenn die Möglichkeiten von KI ignoriert werden.

Ganz klar: der Octavia als Plug-in-Hybrid. Den müssen wir zurückbringen. Der Plug-in ist in der gerade etwas verlangsamten Transformation in Richtung elektrischer Fahrzeuge genau das Fahrzeug, das viele wollen. Der nächste Schritt ist dann ein elektrischer Kombi. In München zeigen wir im September eine erste Vision davon.

Wir stehen bei den Verbrennungsmotoren, die die Basis für einen Plug-in-Hybrid sind, gerade vor der Einführung der Euro-7-Abgasnorm. Es gibt wenig Sinn, das Modell vorher zu bringen – also vor 2027.

Dafür bieten wir ab kommendem Jahr mit dem Launch der Serienversion unseres Showcars 7S das einzige elektrische Siebensitzer-SUV des Konzerns an.

Beim Kleinstwagenprojekt haben wir uns bewusst entschieden, uns als Konzern aufzuteilen. Wir bleiben erst einmal bei unseren Einstiegsmodellen Fabia, Kamiq und Scala.

Volkswagen bietet mit der Serienversion des ID Every1 ein elektrisches Einstiegsmodell, während wir mit unserem elektrischen Siebensitzer das Portfolio nach oben abrunden.

Jede Menge! Es gibt Tausende von Beispielen. Mit dem Rollout unserer Strategie Ende 2024 haben wir ein Motto an die Mannschaft ausgegeben, das heißt: "No process without AI". Wir fragen uns bei jedem Prozess: Kann uns KI hier noch effizienter machen?

Nur ein Beispiel aus der Qualitätssicherung: Eine KI, die ein Soll-Bild mit dem per Kamera erfassten Ist-Zustand vergleicht, ist akkurater und schneller, als es das menschliche Auge sein kann, und kosteneffizienter. Wir nutzen auch eine App, die unsere Mitarbeiter entwickelt haben, die selbst lernt, wie Fehler behoben werden.

Wir hatten das Ziel, bis zum Jahr 2030 auf 50 bis 70 Prozent E-Anteil in Europa zu kommen – abhängig von der Entwicklung des Marktes. Nun ist die generelle E-Nachfrage hinter den Erwartungen der Branche zurückgeblieben.

2030 wird erneut eine riesige Herausforderung für die gesamte Automobilindustrie, weil die heute gültigen Grenzwerte dann noch einmal halbiert werden. Das schafft man nur mit sehr vielen Plug-in-Hybriden. Je nachdem wie die dann homologiert werden, oder eben mit einem hohen BEV-Anteil.

Die Zulassungszahlen sprechen für sich. Von allen BEV-Herstellern in Europa konnte Skoda im Mai auf Platz zwei des Rankings vorrücken; über das gesamte erste Halbjahr 2025 gesehen haben wir uns in den Top fünf etabliert.

Unser neuer Elroq war im April, Mai und Juni eines der bestverkauften Elektroautos in Europa. Das Auto ist super angekommen, das Design überzeugt. Aber auch die aktuelle Software-Generation, die in dem Fahrzeug verbaut ist, funktioniert reibungslos.

Preislich haben wir den Elroq auf ein Niveau gebracht, das ausstattungsbereinigt dem Verbrenner-Pendant Karoq entspricht, was gerade in Anbetracht der teuren Batterie eine enorme Herausforderung ist.

Der Verbrenner selbst bietet sicher noch ein gewisses Potenzial, die wesentlichen Effizienzsprünge passieren aber durch die Hybridisierung des Antriebs.

Wasserstoff flächendeckend in die Massenmobilität zu bringen, ist in der Kombination mit der Elektro-Transformation meiner Meinung nach nicht zu stemmen. Aber E-Fuels können durchaus eine Rolle spielen – wenn der Preis stimmt.

Unsere größte Aufgabe ist es, CO2 zu bekämpfen. Dabei brauchen wir Technologieoffenheit – vor allem in der Gesetzgebung –, denn am Ende entscheiden die Kunden.

Richtig ist, dass wir unseren Fokus eher auf Indien rücken und so innerhalb der Volkswagen-Gruppe hier auch die Verantwortung übernommen haben.

Die Hälfte des indischen Markts machen Fahrzeuge unter vier Meter Gesamtlänge aus. Hier haben wir mit dem Kylaq jetzt ein Angebot, das bereits sehr gut im Markt ankommt.

Gleichzeitig suchen wir vor Ort einen Joint-Venture-Partner, um unsere Position in diesem Wachstumsmarkt mittel- und langfristig deutlich zu stärken.

Wir feiern momentan in der Türkei ganz starke Erfolge. Das ist ein klassischer Limousinenmarkt, in dem zum Beispiel der Superb sehr gut ankommt. Auch Israel ist mit zweistelligen Wachstumsraten für uns hochinteressant, und gerade gehen wir Vietnam an.

Dort starten wir mit CKD-Kits ("Completely Knocked Down", Montage aus vorgefertigten Einzelteilen, Anm. d. Red.) aus Indien. Natürlich haben auch andere Marken Vietnam schon als Potenzialmarkt entdeckt, genau wie Thailand und weitere Länder in der Region.

Aber wir scheuen den Wettbewerb nicht. Wir haben gute Produkte, gute Strategien und in vielen Märkten eine Handelsorganisation als Ausgangsbasis. Deswegen ist die südostasiatische ASEAN-Region für uns der Fokus, um neben unserer starken Position in Europa ein zweites starkes Standbein aufzubauen.

Die Skoda-Klientel ist heute anders als vor zehn Jahren. Man muss ein Geschäftsmodell immer danach beurteilen, ob es dauerhaft erfolgreich ist, in die Gesellschaft passt und ob es die eigene DNA liefert – das ist bei uns immer noch das Thema Preis-Leistung.

Und natürlich, ob man damit Geld verdient – das tun wir. Es würde uns schwerfallen, zurück zu einem Auto zu gehen, das einfach nur von A nach B fahren kann. Unsere Aufgabe ist es, die richtige Balance zu finden.

Wir waren immer die Marke, die "simply clever" ist. Ein Regenschirm in der Tür oder der Eiskratzer im Tankdeckel sind cool, aber das reicht nicht mehr. Wir müssen einen Schritt weitergehen, zum Beispiel beim Design. Wir sind dabei, unsere neue "Modern Solid"-Strategie umzusetzen.

Wir müssen eine Designsprache haben, die das Gesicht in der Menge ist, man muss aber auch von außen erkennen, dass das Auto funktional etwas leisten kann.

Das Thema Design beschränkt sich bei uns aber nicht nur auf das Fahrzeug. Denken Sie an manche Tech-Marken: Dort hat der Kauf-Button in der App die gleiche Farbe wie die T-Shirts der Mitarbeiter im Laden. Wenn Sie so viel Identität schaffen, bleiben Kunden in einem Ökosystem – das haben wir auch im Fokus.

Ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Identität und unserer Marke sind auch die Menschen, die dahinterstehen – allen voran unsere Handelsorganisation.

Mit zunehmender Wettbewerbsintensität in Europa, mit chinesischen Automobilherstellern, die hier produzieren werden, sage ich: Die Marke ist dann stark, wenn Sie in Fällen der Nachfrage, des Kümmerns, der persönlichen Beziehungen eine starke Handelsorganisation haben – und die haben wir. Sie bekommen bei Skoda immer ein bisschen mehr, als Sie erwarten.

Wir können immer noch mehr von Wolfsburg lernen als andersherum. Das betrifft vor allem das ganze Thema Plattform. Einen Elroq würde es nicht geben, wenn wir nicht die technischen Lösungen hätten, auf denen wir dann unsere Produkte aufsetzen können.

Aber natürlich haben wir hier in Tschechien auch andere Rahmenbedingungen. Hinzu kommt das vertrauensvolle Verhältnis mit unserer Arbeitnehmervertretung, die langfristig denkt und sowohl Ergebnis- als auch Beschäftigungssicherung priorisiert.

Skoda hat sich in 130 Jahren oft neu erfunden und weiterentwickelt. Das ist eine Stärke, die wir jetzt nutzen, wenn wir auf 2030 und danach schauen. Durch die geopolitischen Konstellationen, die sich gerade zeigen, werden wir natürlich unseren Fokus auf Europa behalten, bauen aber ein weiteres starkes Standbein auf.

Bis Ende der Dekade wollen wir die Nummer drei in Europa werden. Und natürlich wollen wir wieder die magische Grenze von einer Million Fahrzeuge pro Jahr überschreiten. Wichtiger ist für uns jedoch unser hoher Anspruch an die Rentabilität. Unsere langfristige Zielrendite ist zehn Prozent.

Dass wir auf dem richtigen Weg sind, zeigen die jüngsten Halbjahresergebnisse: Wir haben in den ersten sechs Monaten 509.400 Fahrzeuge ausgeliefert. Damit sind wir erstmals auf Rang drei der bestverkauften Automarken Europas aufgerückt.

Unser Umsatz ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum um über zehn Prozent auf 15,1 Milliarden Euro gestiegen, unser Ergebnis sogar um fast zwölf Prozent auf rund 1,3 Milliarden Euro. Das ergibt eine Rendite von 8,5 Prozent. So kann es weitergehen.

Klaus Zellmer, geboren 1967 im bayerischen Mallersdorf, begann seine Karriere nach dem Studium der Automobilwirtschaft 1997 bei Porsche als Vorstandsassistent im Bereich Sales und Marketing. 2000 übernahm er Aufbau und Leitung von Vertrieb und Marketing am neuen Standort Leipzig.

2007 wurde er Marketingleiter bei Porsche Deutschland, drei Jahre später Geschäftsführer. Ab 2015 leitete Zellmer Porsche Nordamerika. Im September 2020 wechselte er zu VW Pkw nach Wolfsburg als Vorstand für Vertrieb, Marketing und Aftersales. Im Juli 2022 übernahm Zellmer von Thomas Schäfer den CEO-Posten bei Skoda Auto im tschechischen Mladá Boleslav.