Radiosender: Warum Autobauer an einer deutschen Behörde verzweifeln

Autobauern in Deutschland droht eine Auseinandersetzung mit den Landesmedienanstalten. Grund dafür sind Vorgaben zur sogenannten „Public Value“-Einstufung von Rundfunksendern.

Die aktuelle Fassung des Medienstaatsvertrags sieht in § 84 Absatz 5 vor, dass Anbieter von TV- oder Rundfunkgeräten bestimmte Sender auf der Bedienoberfläche der Geräte besonders leicht zugänglich machen müssen – also mit einem Klick erreichbar.

„Public-Value-Sender“ sind demnach solche, die „in besonderem Maß einen Beitrag zur Meinungs- und Angebotsvielfalt im Bundesgebiet leisten“.

Während dies bei stationären TV-Geräten längst gängige Praxis ist und die Hersteller vor keine größeren Herausforderungen stellt, ist die Lage bei Fahrzeugherstellern deutlich komplizierter. Sie müssen sicherstellen, dass die Liste der bevorzugten Radiostationen in jedem Sendegebiet rechtlich abgesichert ist.

In Deutschland ist das überaus komplex: Hier existieren neun Landesrundfunkanstalten der ARD mit jeweils zahlreichen lokalen Angeboten. Hinzu kommen Hunderte private Sender, von denen viele für sich in Anspruch nehmen, für die Informationsversorgung in ihrer jeweiligen Region relevant zu sein.

Die Verordnung zielt vorrangig auf Nachrichtensender ab. Doch auch davon gibt es zahlreiche – zumindest nach Ansicht der Anbieter. Viele wollen sich die Voreinstellung sichern und sich damit Vorteile im Wettbewerb um Reichweite und Marktanteile verschaffen.

Alle Sender – öffentlich-rechtliche wie private – können sich bei der zuständigen Landesmedienanstalt NRW um den bevorzugten Status bewerben. Nach einer ersten Ausschreibung im Jahr 2021 endete im Oktober vergangenen Jahres die zweite Runde.

Insgesamt wurden 348 Anträge eingereicht – darunter 99 bundesweite Rundfunk- und TV-Anbieter sowie 249 lokale und regionale Programme. Wer den Zuschlag erhält, will die Landesmedienanstalt NRW in Kürze bekannt geben.

Bis dahin bleibt den Autoherstellern Zeit, Senderlisten entsprechend zu programmieren. Danach jedoch muss die Regelung laut der bundesweit federführenden Landesmedienanstalt NRW zügig umgesetzt werden.

Genau das bereitet insbesondere Importmarken große Sorgen: Sie müssten ihre Hersteller zu einem aufwändigen Sonderprozess bewegen, um Fahrzeuge speziell für den deutschen Markt anzupassen. Alternativ wäre eine manuelle Konfiguration jedes einzelnen Fahrzeugs in Deutschland nötig – ein erheblicher Aufwand.

Alexander Jess, Geschäftsführer des Verbands der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK), übt deutliche Kritik an den Vorgaben zum "Public Value":
"Gerade vor dem Hintergrund aktueller Bemühungen zur Senkung der Bürokratiekosten ist das eine absurde Situation. Die Anforderung bedeutet für uns Importeure einen enormen Aufwand und hat allein beim Verband bereits zu Kosten im siebenstelligen Bereich geführt", so Jess.

Der VDIK beschäftige sich seit drei Jahren mit dem Thema. "Seither versuchen wir, die Landesmedienanstalten davon zu überzeugen, dass die entsprechenden Bestimmungen des Medienstaatsvertrags im Automobilsektor nicht praktikabel sind – bislang leider erfolglos."

Auch Mario Köhler, Chef von Toyota Deutschland, sieht die Vorgaben kritisch: "Zum aktuellen Zeitpunkt existiert keine technische Lösung, die den Anforderungen der Landesmedienanstalten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerecht wird."
 

Ähnlich äußert sich Nissans Deutschlandchef Vincent Ricoux: "Dieses Thema beschäftigt uns leider schon lange – und eine Lösung ist nicht in Sicht."

Laut VDIK wandte sich die Behörde bereits 2022 an die Autohersteller mit der Forderung, die ursprünglich für stationäre Geräte gedachten Vorgaben auch in Fahrzeugen umzusetzen. "Wir haben damals ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben“, berichtet Jess.

"Es kam zu dem Ergebnis, dass die Rechtsauffassung der Landesmedienanstalten in weiten Teilen nicht zutrifft. Und selbst wenn man deren Interpretation akzeptiert, sehen wir derzeit keine technische Möglichkeit, die Anforderungen mit vertretbarem Aufwand umzusetzen."

Sollte es zu ersten Bußgeldern kommen, schließt Jess den Gang vor Gericht nicht aus: "Es ist durchaus denkbar, dass diese Angelegenheit letztlich vor dem Europäischen Gerichtshof landet.“
 

Ein Sprecher der Landesmedienanstalt NRW sagte der Automobilwoche: "Die Bedienoberflächen von Kfz-Infotainmentsystemen sind grundsätzlich als Bedienoberflächen im Sinne des Medienstaatsvertrags zu verstehen."

Gemeinsam mit der für die Umsetzung zuständigen Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) befinde man sich "im intensiven Austausch mit der Automobilbranche“. Ob bereits Fristen verstrichen sind oder Bußgelder verhängt wurden, ließ die Behörde offen.