Norbert Reithofer – ein Abschied von der ganz großen BMW-Bühne

Im Jahr 2019 hat der Münchner Autokonzern zum letzten Mal eine Präsenz-Hauptversammlung abgehalten. Der Grund, dass man, sechs Jahre später, am 14.Mai wieder Tausende Aktionäre zur Veranstaltung in die Olympiahalle einlädt, hat einen Namen: Norbert Reithofer.

An diesem Tag wird er seine letzte Aufsichtsratssitzung leiten, dann tritt der Automanager, der BMW in den vergangenen Jahrzehnten geprägt hat wie kaum ein anderer, endgültig von der Bühne ab.

Ende Mai wird Reithofer 69 und in einem seiner raren Interviews, die er in den vergangenen Jahren gegeben hat, hat er durchblicken lassen, dass er sich ein Leben ohne Wirtschaft problemlos vorstellen kann.

Reithofer, geboren im oberbayrischen Penzberg, kam 1987 zu BMW. Sein Stern ging so richtig in Spartanburg/USA auf. Nach seiner ersten internationalen, für ihn prägenden Station in Südafrika war Reithofer 1997 als Präsident der BMW Manufacturing nach South Carolina beordert worden – nur drei Jahre nach dem Produktionsstart des US-Werks,

BMW-CEO damals: Joachim Milberg. Als dessen wissenschaftlicher Assistent hatte Reithofer an der TU München am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (ibw) gearbeitet. Milberg war zudem auch Doktorvater des ambitionierten Studenten. Reithofers Auftrag  in den USA: den Produktionshochlauf des SUV X5 managen.

Dabei hinterließ der 41-jährige Manager sowohl fachlich wie auch als Motivator und Menschenführer eines jungen Produktionsteams einen so bleibenden Eindruck, dass ihn Milberg im Jahr 2000 als Produktionsvorstand zurück nach Deutschland holte.

In dieser Rolle war Reithofer das Mastermind bei der Entwicklung und Umsetzung eines weltweiten Produktionsnetzwerks für die gesamte BMW Group. Es gilt, von seinen Nachfolgern immer weiter verfeinert, bis heute wegen seiner Flexibilität als eines der besten weltweit und für andere Unternehmen als Maßstab.

In den Jahren als Produktionschef schärfte Reithofer sein Profil als Stratege und Innovationstreiber. 2006 wurde er als Nachfolger von Helmut Panke zum neuen Vorstandsvorsitzenden berufen, eine Position, die er bis 2015 innehatte.

Es war Reithofer, der im Jahr 2007 im Rahmen eine großen Strategieprozesses über das Zielbild des BMW-Konzerns im Jahr 2020 – auch gegen interne Widerstände im Vorstand – die Elektromobilität auf die Tagesordnung brachte. Letztlich drücke er das i3-Projekt durch, das für die Münchner den Einstieg in die Elektromobilität markierte.

Ausgerechnet Reithofer, der in seinen Jahren als Vorstand die berufliche Wegstrecke von seinem Wohnort in der Nähe von Penzberg in den Vierzylinder bevorzugt mit einem 507-PS starken M5 unter die Räder nahm, wurde damals im Vorstand der "grünen Gruppe“ zugeordnet. Zu der zählten außerdem die damaligen Vorstände Frank-Peter Arndt (Produktion) und Klaus Draeger (Entwicklung). "Grüne Gruppe" war seinerzeit nicht als Kompliment gemeint.

Im Ringen um die Verwirklichung des i-Projektes zeigten sich zwei wesentliche Eigenschaften Reithofers: zum einen seine in einem Interview selbst diagnostizierte Sturheit, zum anderen seine gelebte Überzeugung, immer strategisch auf das Unternehmen zu blicken und nie emotional.

Diese Haltung bewährte sich auch in der Finanzkrise 2008.Trotz des eher stillen, freundlichen Agierens konnte Reithofer auch harte Entscheidungen treffen, wenn dies strategisch geboten war. Schon vor der Finanzkrise ab 2008 verordnete er BMW mit der Strategie "Number One“ einen harten Sparkurs, der Tausende Stellen kostete und Milliarden einsparte.

Reithofer nahm zudem schon ab zirka 2007 in der Politik aufkommende Diskussionen um CO2-Grenzen ernst. Das ist insofern bemerkenswert, weil damals das  BMW-Geschäft mit hochmotorisierten Fahrzeugen noch brummte. Während viele Top-Manager der Branche über Elon Musk und das E-Auto Start-up Tesla feixten, erkannte Reithofer durchaus die Zeichen der Zeit.

Als Aufsichtsratschef, ab Mai 2015, hielt er auch dem aktuellen BMW-Chef Oliver Zipse den Rücken frei, als dieser den technologieoffenen Wandel propagierte und dafür von Medien und Politik heftig kritisiert wurde.

Im Interview mit dem "Manager Magazin“ Ende 2024 offenbarte Reithofer: "Es war immer der Plan, dass die Gewinne aus Modellen mit Verbrennungsmotor den Hochlauf der Elektromobilität mitfinanzieren. So funktioniert erfolgreiche Transformation.“

Nun tritt er ab, nach 38 Jahren bei einem Arbeitgeber, BMW, mit vielen Höhen und wenigen Tiefen. Nur einmal stand er öffentlich in der Kritik. Das war, als Reithofer vor zehn Jahren nahtlos vom CEO-Posten auf den Chefsessel des Aufsichtsrats wechselte.

Das ist Geschichte wie bald das Berufsleben. Künftig wird sich der heimatverbundene Bayer wohl den Dingen widmen, die ihm schon immer wichtig waren, der Familie, den Bergen und der Natur.

Mit Nicolas Peter steht ein Mann als designierter Aufsichtsratsvorsitzender bereit, der sich in den Jahren 2017 bis Mai 2023 als Finanzchef einen exzellenten Ruf erarbeitet hat. Der promovierte Volljurist mit deutscher und französischer Staatsbürgerschaft verfügt über eine breite und internationale Erfahrung in der Automobilindustrie.

Der 63 Jahre alte Manager war 1991 zu BMW gekommen und bekleidete seither unterschiedliche Führungsfunktionen in den Ressorts Finanzen und Vertrieb; als ehemaliger Chairman des Board of Directors von BMW Brilliance Automotive bringt er umfassende Erfahrung auf dem chinesischen Markt mit.

Der hauseigenen Altersgrenze für BMW-Vorstände folgend war Peter im Mai 2023 ausgeschieden und hatte zwei Jahre offiziell keine Funktion innerhalb der BMW AG mehr inne. Die sogenannte Cooling-off-Periode, mit der man verhindern möchte, dass Topmanager nahtlos vom aktiven Vorstandsamt eine Position im Aufsichtsrat übernehmen, endet jetzt im Mai.

So ganz weg war Peter in diesen zwei Jahren nicht. Seit August 2020 ist der in Mannheim geborene Finanzexperte Kuratoriumsvorsitzender der BMW Foundation Herbert Quandt. 

Dem Kuratorium gehören unter anderem BMW-Großaktionär Stefan Quandt, der ehemalige CEO und Aufsichtsratsvorsitzende Joachim Milberg, der aktuelle BMW-Produktionschef Milan Nedeljkovic an – und natürlich Norbert Reithofer. Insofern dürfte es Peter bestens orientiert sein, welche Herausforderungen als Aufsichtsratsvorsitzender auf ihn warten.