Neuer Porsche-Deutschlandchef: "Das würde ich so nicht unterschreiben"

Einbrechende Neuzulassungen im ersten Halbjahr, wenig Interesse an E-Autos, gestoppter Destination-Roll-out, Rabatte – Robert Ader ist seit Mai Porsche Deutschlandchef und hat viel Arbeit vor sich. Im Gespräch mit der Automobilwoche sagt er, wo der die größten Herausforderungen sieht und diese angeht.

Herr Ader, seit zwei Monaten sind Sie CEO von Porsche Deutschland. Bei den Zahlen traut man sich kaum nach dem Start zu fragen. Ich mache es trotzdem: Wie war der Start?
Intensiv, aufregend und gleichzeitig wie erwartet. Ich kenne den deutschen Markt sehr gut.

Mit rund 16.500 Neuzulassungen steht Porsche nach sechs Monaten deutlich rund ein Viertel im Minus im Vergleich zum Vorjahr. Damit haben Sie gerechnet?
Ja, denn wir hatten 2024 einige Sondereffekte. Bei den Verbrennern läuft es aktuell gut. Panamera; Cayenne und vor allem beim 911. Dort konnten wir zuletzt die Nachfrage nach beliebten Derivaten wie dem 911 GTS kaum bedienen. Auch unsere elektrischen Modelle Macan und Taycan sind gut im Markt unterwegs. Hier erreichen wir – relativ gesehen – sogar einen höheren Marktanteil in den Segmenten als bei manchem Verbrenner. Es kommt also auf die Sicht an.

Wie meinen Sie das?
Im Segment der vollelektrischen Sport-SUVs haben wir mit dem Macan einen Segmentanteil von 30 Prozent; beim Taycan sind es 20 Prozent. Aber es stimmt auch, dass der Kuchen bei den vollelektrischen Fahrzeugen insgesamt noch nicht so groß ist wie ursprünglich angenommen. 

In absoluten Zahlen ging es deutlich nach unten. Woran lag das?
Bei der Modellreihe 718 hatten wir zuletzt nur noch wenige Derivate im Angebot, da die Produktion der Modellreihe im vierten Quartal ausläuft. Auch der Modellwechsel beim Macan macht sich bemerkbar: Wir hatten im vergangenen Jahr nochmals eine hohe Nachfrage nach dem Verbrennermodell, das schlägt sich in den Vergleichszahlen nieder.

Vom Cayenne, der 2023 neu aufgelegt wurde, konnten wir viele Modelle erst 2024 ausliefern. Das hat für einen Sondereffekt gesorgt. Beim 911 haben wir im vergangenen Sommer ebenfalls ein neues Modell an den Start gebracht und auch hier sind noch nicht alle Derivate im Markt.

Also alles nur Statistik?
Klar ist: Das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld macht es uns nicht leicht, hochemotionale Produkte zu verkaufen. Gerade in den vergangenen Wochen war die Welt sehr volatil und die Menschen machen sich über vieles Gedanken. Da steht der Kauf eines neuen Sportwagens vielleicht nicht gerade an erster Stelle. Es ist also nicht alles nur Statistik. Es sind auch Kundinnen und Kunden, die im Moment möglicherweise etwas verunsichert sind. 

Im vergangenen Jahr hatte Porsche in Deutschland mehr als 36.000 Neuzulassungen. Wo steht Porsche am Jahresende?
Grundsätzlich müssen wir zwischen Werkszulassungen und den Verkäufen der Handelsorganisation trennen. Etwa 20 bis 25 Prozent der Neuzulassungen in Deutschland gehen vom Werk aus, sind also zum Beispiel Werkswagen oder Erprobungsfahrzeuge. Hier bleiben die Zahlen in der Regel relativ konstant. Darüber hinaus liegt der Auftragseingang derzeit auf Vorjahresniveau, auch wenn wir bei den Auslieferungen im Moment etwas darunter liegen. 

Kommen die Werkszulassungen als Gebrauchte auf den deutschen Markt?
Überwiegend ja. Etwa zwei Drittel verkaufen wir in Deutschland. Das meiste über unsere Händlerorganisation. Das restliche Drittel geht in andere europäische Länder. 

Welches Absatzpotenzial sehen Sie in Deutschland in den nächsten Jahren?
Mittelfristig, also in drei bis fünf Jahren, halte ich die Größenordnung aus 2024 für ein realistisches Niveau, vielleicht auch etwas mehr. Aber das Volumen ist für uns nicht das Entscheidende. Wichtiger sind zufriedene Kunden.

Sie sind die Grundlage für ein Geschäftsmodell, das für die Händler und uns gleichermaßen attraktiv ist. Dabei steht für uns der wertorientierte Absatz an erster Stelle. Entwickelt sich die Nachfrage verhaltener als angenommen, produzieren wir auch weniger Fahrzeuge.

Warum wurde dann der 911er mit zweistelligen Rabatten verkauft?
Rabatte in dieser Größe sind mir nicht bekannt. Grundsätzlich liegt die Preisgestaltung bei unseren Handelspartnern. Das sind eigenständige Betriebe. Bei unseren Niederlassungen gibt es solche Nachlässe nicht.

Insgesamt sehen wir sogar, dass die Nachlässe in der 911er-Reihe in den vergangenen vier bis fünf Jahren deutlich gesunken sind. Natürlich kann es mal sein, dass besonders loyale Kunden von ihrem Händler einen Nachlass bekommen. In der Regel aber nicht in der von Ihnen genannten Größenordnung. 

Bei den Elektromodellen läuft es weniger gut …
Das würde ich so nicht unterschreiben. Unser Anteil in den jeweiligen Segmenten kann sich sehen lassen. Wir müssen aber gleichzeitig einfach feststellen, dass die Transformation langsamer läuft als wir vor einigen Jahren erwartet hatten.

Aber sie findet statt. Jeden Tag können sich mehr Menschen vorstellen, ein Elektroauto zu kaufen. Bei uns findet der Kunde beides: attraktive Verbrenner und Elektromodelle. Für mich persönlich ist der Taycan das beste Elektroauto der Welt.

Da würde nicht jeder zustimmen. Warum hat er dann so schwache Restwerte?
Fragt man seriöse Quellen wie die DAT, liegen die Restwerte für einen drei Jahre alten Taycan bei rund 50 Prozent. Das ist vergleichbar mit vielen Verbrennern. Das gilt natürlich nicht bei absolut vollausgestatten Top-Modellen. 

Von Händlern war zu hören, dass Sie den Taycan nahezu in den Markt drücken. 
Das kann ich nicht bestätigen. Beim Taycan haben wir die Produktion der Nachfrage angepasst, beim Macan stehen Angebot und Nachfrage in einem guten Verhältnis. 

Wo sehen Sie die Haupteinnahmequellen für die Händler in den nächsten Jahren?
Mit dem Neuwagenverkauf verdienen unsere Partner gutes Geld und der Service ist eine massive Stütze. Bei Sonderausstattungen und Individualisierungen sehen wir noch deutliche Potenziale. Manche Angebote – etwa individuelle Farben – sind so stark nachgefragt, dass es lange Wartezeiten gibt. Wer einen völlig individuell gestalteten Porsche will, wartet sogar Jahre. Hier wollen und werden wir unsere Kapazitäten deutlich ausbauen.

Und Gebrauchtwagen?
Sind seit jeher ein wichtiger Teil des Geschäftsmodells. 

Wie wirkt sich die aktuelle Entwicklung auf die Händlerrendite aus?
Im vergangenen Jahr haben die Händler eine durchschnittliche Rendite von 3,4 Prozent erzielt. Damit liegen sie weit über dem Branchenschnitt. Natürlich hat die Rendite im Vergleich zu den Corona-Jahren wieder abgenommen. Seinerzeit lag sie teilweise bei fünf Prozent. Aber sie liegt noch immer über der Vor-Corona-Zeit, als die Händler zwischen 2,5 und 3 Prozent verdienten.  

Wo sehen Sie die Händlerrendite mittelfristig?
Ich sagte schon: Die Corona-Zeit waren Ausnahmejahre. Das gilt auch für die Gewinne. Ich sehe beides mittelfristig eher auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit.

Reicht das, um die Kosten für die Investitionen ins Destination-Konzept zu finanzieren? 
Die 2024er-Zahlen reichen auf jeden Fall. Einige Händler, die bereits investiert haben, haben die genannte Rendite jedenfalls erreicht. Wahr ist aber auch, dass die Kosten für Industriebauten deutlich gestiegen sind - allein in den vergangenen drei Jahren um 31 Prozent. Das bekommen die Händler natürlich zu spüren. 

Wie steuern sie dagegen? 
Wir haben mit dem Händlerverband die gesamten Standards besprochen und haben uns darauf geeinigt, diese anzupassen: Bei Neubauten konnten wir so bis zu 20 Prozent der Kosten rausnehmen, bei Umbauten bis zu zehn Prozent. 

Standards gesenkt – eine Art Basis-Version des Konzepts?
Nein, eine Destination Porsche ist nie Basis. Ganz abgesehen davon gibt es viele weitblickende Partner, die in einem Neu- oder Umbau eine große Chance sehen und bereit sind in diese investieren. 

Die Investitionen ins Destination-Konzept sind nur eine Seite des Netzausbaus, was ist derzeit noch geplant?
Wir haben verschiedene neue Formate, von denen es bereits erste Standorte gibt – etwa die Porsche Approved & Service Zentren. Ende Juni haben wir in Baden-Baden das erste Porsche Studio in Deutschland eröffnet. Mit diesem Konzept präsentieren wir die Marke in innerstädtischen Toplagen und erreichen so neue Kunden.

Was steckt dahinter?
Ein Fullsize Porsche Zentrum lässt sich in Innenstädten selten umsetzen. Hier fehlen oft die Grundstücke. Mit den neuen Konzepten rücken wir näher an bestehende und potenzielle Kunden heran und holen sie in ihrer Freizeit ab.

Das bietet großes Potenzial. In Stuttgart zum Beispiel haben wir einen Brand Store in Toplage neben dem Kaufhaus Breuninger. Wir dachten, dass uns in unserer Heimatstadt alle kennen. Waren dann aber überrascht, wie viele neue Kunden wir dadurch gewinnen konnten.

Innenstadtlagen sind teuer und laut einer Studie kaum rentabel. Wer zahlt die Porsche Studios?
Die Händler. Natürlich bietet sich nicht jede Lage an und wir müssen auch nicht zwingend in jeder größeren Innenstadt vertreten sein. Wir sprechen hier über Einzelfallentscheidungen. In Baden-Baden haben wir einen idealen Standort in einem Top-Hotel.

Wir erreichen eine kaufkräftige Zielgruppe und zahlreiche Touristen und Fans der Marke aus dem In- und Ausland. Ähnlich wie auf Sylt. Hier eröffnet Emil Frey Sportwagen in diesem Sommer ein Porsche Studio.

Wie viel Studios haben Sie geplant?
Dafür gibt es keine fixe Zahl. Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Jahren eine Handvoll sein werden. Wie gesagt: Man braucht immer den richtigen Standort und einen guten Business Case. 

Warum ist der Netzausbau nötig, wenn der Trend zu Digitalisierung geht?
Am direkten Kundenkontakt führt kein Weg vorbei. Porsche ist immer ein Erlebnis. Aber wir bauen auch die digitalen Kanäle aus. Zuletzt haben wir den Car Konfigurator deutlich aufgewertet. Entscheidend ist ein nahtloser Kaufprozess: Der Übergang von der digitalen in die physische Welt muss möglichst einfach sein. Die verschiedenen Kanäle müssen perfekt miteinander vernetzt sein. 

Wie viel Porsche-Kunden kaufen digital?
Wir bieten den Kunden die Möglichkeit, einen Porsche rein digital zu reservieren. Aber das nutzen nur wenige. Bei Bestandsfahrzeugen sind das ungefähr fünf Prozent. Die meisten kommen an einer Stelle des Kaufprozesses ins Autohaus - und wenn es nur am Ende zum finalen Check ist. Porsche ist immer ein emotionales Erlebnis. Ein Traum, der in Erfüllung geht. Und diesen erfüllt man sich dann doch lieber in der realen Welt.  

Vielen Dank für das Gespräch!