Mercedes startet Niederlassungsverkauf: Die heiße Phase beginnt

Mercedes geht mit dem Verkauf seiner deutschen Niederlassungen in die heiße Phase. Die erste Verkaufsrunde läuft, die ersten Händler haben ihre Angebote abgeben. "Wir schauen uns die Angebote jetzt an und entscheiden dann", sagte ein Mercedes-Sprecher. Geplant sind mehrere Verkaufsrunden, Zeitdruck gebe es keinen.

Von 20 Niederlassungen mit 80 Standorten will sich Mercedes trennen. Das Interesse an der neuen Verkaufsrunde ist groß. Hier werden nicht nur Standorte verkauft, sondern die Vertriebsgebiete. Gerade im Agenturmodell, in dem die Mercedes-Partner die Fahrzeuge im Namen des Herstellers vermitteln, ist dies entscheidend. Schließlich sind die Preise überall gleich.

Wer kann, bietet mit. Das dürfte etwa jeder zweite Partner aus dem Mercedes-Netz sein, schätzen Insider des Mercedes-Netzes. Von den Mercedes-Riesen fehlt wohl keiner: Senger-Gruppe aus Rheine, Fahrzeug-Werke Lueg aus Bochum, Beresa-Gruppe aus Münster und die Jürgens-Gruppe aus Hagen sind Mercedes-Top-Player in Deutschland.

Nur wenige Mercedes-Partner lassen sich ein wenig in die Karten schauen. Wer bietet, muss Stillschweigen bewahren. Jürgens-Chef Frank Döhring deutet immerhin Interesse an, wenn auch verklausuliert: "Die Mercedes-Agenten sind allesamt wirtschaftlich sehr gefestigt und das Netz bereits sehr stark konsolidiert. Es gibt kaum noch Übernahmeoptionen."

Interesse haben die Partner meist an Niederlassungen, die an ihre Gebiete angrenzen. Um zu erkennen, wer auf welche Niederlassung biete, müsse man nur auf die Landkarte schauen.

Auch Beresa-Chef Sebastian Knapp will zukaufen: "Der Verkaufsprozess ist bekanntlich angestoßen, alle Niederlassungen stehen zum Verkauf und ich bin mir sicher, dass sich für alle ein Käufer finden wird."

Der Münsteraner Mercedes-Partner hat bereits Erfahrung: Vor zehn Jahren hat er die Mercedes-Niederlassung Ostwestfalen-Lippe mit Standorten in Bielefeld, Detmold und Gütersloh übernommen.

"Natürlich gibt es Unterschiede zwischen einem Großkonzern und einem Mittelständler – aber wir haben das Beste aus zwei Welten zusammengeführt und die Niederlassung zu einer wichtigen Ertragssäule unserer Gruppe gemacht", so Knapp. Dabei habe beispielsweise die Tarifbindung der Autohausgruppe geholfen.

Ein entscheidender Faktor auch bei den aktuellen Verkaufsrunden: Denn Mercedes hat sich verpflichtet, Niederlassungen nur an Investoren zu verkaufen, die den Tarifvertrag des Kfz-Handels anwenden.

Zudem müssen sie früheren Angaben zufolge Handelsexpertise und unternehmerische Kompetenz mitbringen, wirtschaftliche Stärke und Investitionsbereitschaft aufweisen, sowie gegenüber Arbeitnehmervertretungen aufgeschlossen sein.

"Als Betriebsrat haben wir mit dem Unternehmen Standards und Rahmenbedingungen für mögliche Erwerber vereinbart und sind in den Prüfprozess involviert", sagt eine Sprecherin des Mercedes-Betriebsrats.

Kernpunkt ist eine Einmalzahlung, die je nach Voraussetzungen durchschnittlich 85.000 Euro pro Mitarbeiter betragen soll. Rund 8000 Mitarbeiter betrifft der Verkauf. Weil bis Ende 2029 eine Beschäftigungssicherung gilt, muss der Betriebsrat den Verkauf mittragen, allerdings hält er die Entscheidung für grundsätzlich falsch.

Die Trennung von den Niederlassungen bietet vor allem großen nationalen und internationalen Gruppen die Chance, im deutschen Mercedes-Netz Fuß zu fassen. Und viele wollen dies nutzen. Beispiel AVAG aus Augsburg: Mit drei Milliarden Euro Umsatz ist die Gruppe ein Top Player auf europäischer Ebene.

"Wenn Mercedes eine Ausschreibung macht, wir daran teilnehmen können und diese für uns interessant ist, schauen wir uns das an", so AVAG-Co-Chef Roman Still. In Österreich übernahm die Gruppe 2017 acht Mercedes-Standorte der Wiesenthal-Gruppe.

Doch vor allem finanzstarke Big Player aus dem Ausland stehen in den Startlöchern. In der Branche kursieren Namen wie Pendragon (Großbritannien) und Pappas (Österreich), Kestenholz und Merbag (beide Schweiz) sowie Hedin (Schweden).

Vor allem die niederländische Van-Mossel-Gruppe will die Chance nutzen. "Wir interessieren uns für die Standorte, an denen wir bereits mit der Marke aktiv sind", sagt Van-Mossel-CEO Eric Berkhof. Das sind Berlin, Hamburg und Hannover. Kommt Van Mossel zum Zug, hätte Berkhof innerhalb weniger Jahre die größte Autohausgruppe in Deutschland zusammengekauft.

Dafür muss er tief in die Tasche greifen. Nach Löhr & Becker, Nord-Ostsee Automobile und Hugo Pfohe käme ein weiterer Zukauf in mindestens dreistelliger Millionen-Größe auf die Niederländer zu. Im Mercedes-Netz kursiert allein für die Niederlassung Hamburg mit vier Standorten ein Preis von einer halben Milliarde Euro. "Ich kenne die Zahl nicht, halte sie aber für zu hoch gegriffen", so Berkhof.

Je nach Lage dürften die Mercedes-Autohäuser Schätzungen zufolge im Durchschnitt zwischen 30 und 50 Millionen Euro wert sein, die Prestige-Häuser wie in Berlin, Hamburg oder München natürlich mehr. Am Ende könnten die Verkäufe Mercedes einen einstelligen Milliarden-Betrag einbringen.

Die Verkaufswelle bei Mercedes rollt schon seit Jahren. In Deutschland trennte sich der Hersteller bereits vor zehn Jahren von einem Teil seiner Niederlassungen. Allein Sternauto, die deutsche Tochter der chinesischen Lei-Shing-Hong-Group (LSH), übernahm damals 15 Standorte in Ostdeutschland.

In anderen Ländern ist man noch weiter: In Kanada, Frankreich, Belgien und Schweden hat sich Mercedes von allen seinen Niederlassungen getrennt.

Dies gilt auch für Großbritannien: 2021 stellte Mercedes UK die Niederlassungen zunächst auf den Prüfstand, später zum Verkauf. "Dieser Prozess ist nun abgeschlossen", bestätigte ein Mercedes-UK-Sprecher.

Laut britischen Medien beendete Mercedes damit ein verlustreiches Geschäft. Demnach lagen die Vorsteuerverluste 2019 und 2020 jeweils über 20 Millionen Pfund. 2023 schrumpften sie auf einen einstelligen Millionenbetrag.