VW-Betriebsrats-Chefin Cavallo: Oliver Blume "kann kein Halbtagschef sein"

Auf der VW-Betriebsversammlung im Stammwerk Wolfsburg hat sich Betriebsrats-Chefin Daniela Cavallo am Dienstag laut Teilnehmerberichten für ein Ende der Doppelrolle von CEO Oliver Blume eingesetzt. Blume führt nun seit genau drei Jahren sowohl den Volkswagen-Konzern als auch Porsche als Vorstandsvorsitzender.

"Der Vorstandsvorsitzende kann in Wolfsburg kein Halbtags-Chef sein und die restliche Zeit bei Porsche verbringen. Dieser Zustand muss enden!", hat Cavallo laut einem internen VW-Bericht wörtlich vor der Belegschaft gesagt.

Cavallo forderte zudem eine Konzentration der Zuständigkeiten im Konzern. "Volkswagen muss wieder stärker Dreh- und Angelpunkt für den gesamten Konzernverbund sein! Wir sind die Mutter und die Gesellschaften sind die Töchter!", so die Betriebsratsvorsitzende. Jede Marke, Gesellschaft und Region müsse auf die gemeinsamen Ziele einzahlen. Die sei leider momentan oft anders. 

"Marken-Egoismus und Ellenbogen" dürfe es laut Cavallo geben, aber nur gegen externe Wettbewerber und nicht nach innen. Damit das sichergestellt sei, bräuchte es klare Vorgaben und "und vor allem auch den nötigen Durchgriff aus dem Konzern-Vorstand." Alleingänge einzelner Marken können sich Volkswagen nicht mehr leisten.

Die Vorsitzende des Betriebsrats fordert mehr fachliche Zuständigkeiten im Konzern-Vorstand. "Dinge wie Software, Entwicklung, Produktion, Beschaffung und Vertrieb sind überlebenswichtig in einem derart komplexen Konzern wie Volkswagen – und dementsprechend gehören sie klar und verbindlich nach Wolfsburg ins Spitzengremium der Organisation." Es bräuchte nicht weniger zentrale Steuerung, sondern entschieden mehr.

Gleichzeitig erteilte sie der Überlegung, den Konzern aus einer Finanzholding heraus zu steuern, eine klare Absage. Wenn es nur noch um Finanzziele der Marken gehe, würden nötige Konzernsynergien unmöglich gemacht, so Cavallo.

Cavallos deutliche Worte dürften auch als Auftakt für den Betriebsrats-Wahlkampf zu deuten sein. Im kommenden Frühjahr werden die Beschäftigten wieder an die Urne gerufen. Cavallo wurde jüngst erst von der IG Metall als Spitzenkandidatin nominiert.

Neben der Kritik am Management gab es von Cavallo reichlich Lob für die Belegschaft. Mit 375.000 produzierten Fahrzeugen zum Ende August sei die Jahresproduktion von 523.000 Autos im vergangenen Jahr 2025 zu übertreffen, wird Cavallo zitiert.

Dieser Erfolg sei aber auch das Ergebnis vieler "belastender" Sonderschichten am Wochenende. Mit einem Dank dafür sei es eigentlich nicht getan, teilte die Betriebsrats-Vorsitzende mit, und spielte damit wohl auf wünschenswerte Sonderzahlungen an. 

Für den Rest des Jahres hat Cavallo einen ganz klaren Wunsch: Die technischen Ausfälle im Werk müssten weniger werden. Daran kranke das Stammwerk. "Es darf nicht so weitergehen, dass aus Kostendruck unser Stammwerk kaputt gespart wird. Und es gibt ja wohl nichts Schlimmeres als einen Schichtplan, bei dem man für Sonderschichten reinkommt und dann nicht arbeiten kann, weil die Maschinen und Anlagen das Problem sind," wird Cavallo von Teilnehmern zitiert.

Es bräuchte "an der einen oder anderen Stelle Investitionen, die dann auch vom Vorstand freigegeben werden müssen", so Cavallo, damit die gesteckten Ziele auch erreicht werden können. So wie es jetzt sei, würden die "Kolleginnen und Kollegen in der Fertigung immer mehr sauer gefahren!" VW-Marken-Chef Thomas Schäfer betonte, man arbeite gemeinsam mit dem Betriebsrat daran, die Situation so schnell wie möglich zu verbessern.

Zusammen mit Thomas Schäfer hatte Daniela Cavallo im Rahmen der Betriebsversammlung die Serienversion des elektrischen Kleinwagens ID.2all enthüllt, die erst am Sonntag ihre Premiere auf der IAA feiert. Cavallo wertete dies als "große Wertschätzung in Richtung Belegschaft. Und es ist ein großer Vertrauensbeweis."

Thomas Schäfer stellte ihm Rahmen der Betriesbversammlung zudem das Zielbild der Marke Volkswagen vor. Unter dem Titel "Boost 2030" hat das Management vier Handlungsfelder definiert: Arbeitgeber-Attraktivität, Technologieführerschaft, die Entwicklung einer weltweit einheitlich auftretenden Marke und die Aufstellung von Volkswagen als leistungsfähige Organisation.  

Im Gespräch mit Personalvorstand Arne Meiswinkel, Entwicklungs-Chef Kai Grünitz, Chief Brand Officer Christine Wolburg und dem Leiter der Unternehmensentwicklung Tino Laue vertiefte Schäfer dem vernehmen nach die einzelnen Aspekte. Weitere Details dazu sind bislang nicht bekannt, in den kommenden Wochen soll das Zielbild in allen Bereichen vorgestellt und individuell heruntergebrochen werden.

Schäfer stellte klar: "Unser Ziel ist ambitioniert: Bis 2030 wollen wir der technologisch führende Volumenhersteller sein. Mit unserem Zielbild und der überarbeiteten Strategie Boost 2030 haben wir einen klaren Fahrplan. Jetzt kommt es darauf an, dass wir diesen verstehen und mit vereinten Kräften umsetzen."

Uneinigkeit zwischen Betriebsrat und Management herrscht dem Vernehmen nach noch beim Thema Arbeitszeitkonten. Planmäßig sollen ab Oktober die Flexikonten der Belegschaft eingefroren werden, um Stunden aufzubauen für die Zeit ab Ende 2026, in der der Golf nach Mexiko zieht und das Stammwerk auf die neue SSP-Plattform umgerüstet wird.

Cavallo soll betont haben, dass viele Mitarbeiter dies als Bevormundung empfänden. Weiter soll die IG-Metallerin erklärt haben, "wir nehmen diese Betriebsversammlung zum Anlass, als Betriebsrat klar zu sagen, dass wir das Unternehmen aufgefordert haben, dieses Einfrieren ab 1. Oktober zurückzunehmen. Und damit die Entscheidungsfreiheit bei den Beschäftigten im Rahmen der An- und Abwesenheitssteuerung mit der Führungskraft zu belassen."