Viele Autobauer haben sich vom A-Segment verabschiedet. Jetzt wittern chinesische Marken eine Chance. Das setzt wiederum die Europäer unter Zugzwang.
Punktet mit günstigem Preis: der Leapmotor T03.
Die noch vor wenigen Jahren von vielen Herstellern aussortierten Kleinstwagen erleben momentan ein Comeback, getrieben von chinesischen Herstellern.
BYD, Leapmotor & Co. wittern eine Chance: In dem von Volkswagen und Stellantis aufgegebenen Segment kommen sie mit neuen Modellen und bringen Elektroautos zum Kampfpreis auf den Markt. Dabei sind die Grenzen zwischen den kleinen Segmenten A (Kleinstwagen wie Toyota Aygo) und B (Kleinwagen wie VW Polo) mittlerweile fließend.
"Von europäischen Herstellern gibt es quasi kein Angebot im A-Segment, das ist natürlich eine Chance für die chinesischen Hersteller", sagt Martin Benecke, Associated Director bei S&P Global. "Konzerne wie BYD können die Kosten für kleinere Elektroautos besser darstellen, da sie günstigere Batterien produzieren können als die europäischen Hersteller."
Ende Mai präsentierte BYD den Dolphin Surf mit großen Ambitionen. Er kostet weniger als 20.000 Euro und soll der Türöffner zu großen Kundengruppen sein. "Der Dolphin Surf bietet die Chance, dass Tausende neue Kunden mit der Marke BYD in Kontakt kommen“, ist Maria Grazia Davino, Regional Managing Director, überzeugt.
Zusätzlich zu den günstigen Produktionsbedingungen in China hat der Autobauer weitere Vorteile: Allein die im vergangenen Jahr in China verkauften knapp 450.000 Surf/Seagull führten zu massiven Skaleneffekten.
Bereits ein halbes Jahr früher startete Leapmotor mit dem T03 in Deutschland. Mit einem Listenpreis von 18.900 Euro ist das Modell eine Kampfansage an die Konkurrenz.
Vom Eintritt ins A-Segment erhofft sich Tinashu Xin, CEO von Leapmotor International, viel: "In Europa gibt es in diesem Segment einen Bestand von rund 22 Millionen Fahrzeugen, etwa die Hälfte kommt von Stellantis."
Die Nachfrage in diesem Segment sei immer noch da, aber viele traditionelle Hersteller hätten das Segment aus Kostengründen aufgegeben. Die Chinesen haben sich in Europa mit Stellantis verbündet. Der T03 wird in Autohäusern von Stellantis-Marken verkauft.
"Kostendruck und sinkende Margen vor dem Hintergrund der durch die EU geforderten Sicherheitstechnik sowie die immer schärferen Emissionsgrenzwerte haben das Segment leider sehr unlukrativ gemacht“, bedauert Eric Haase, Managing Director von Jato Dynamics in Deutschland.
In der Folge schrumpfte das Angebot im A-Segment massiv. Die Zahl der Modelle halbierte sich. Laut Jato Dynamics hatten die Kunden Anfang 2019 noch die Wahl zwischen 19 Modellen. Anfang 2024 waren es noch zehn.
Das führte wiederum zu steigenden Preisen: Kostete ein Kleinstwagen 2019 noch durchschnittlich 12.750 Euro, waren vier Jahre später bereits knapp 18.400 Euro fällig. Die fehlende Auswahl bei den Kleinstwagen trieb die durchschnittlichen Neuwagenpreise massiv in die Höhe.
"Die europäischen Hersteller mussten sehr schnell umdenken und auf Elektromobilität umstellen. Man hat gesehen, dass man die Preise bei den kleinen Fahrzeugen nicht halten kann und hat deshalb das Segment aufgegeben", so S&P-Manager Benecke. "Jetzt rudern die Hersteller wieder langsam zurück."
Volkswagen bringt mit dem ID.2 und ID.1 zwei kleinere Modelle. Renault arbeitet an der Rückkehr des elektrischen Twingo, der R5 steht schon bei den Händlern. Hyundai ist bereits mit dem Inster auf dem Markt.
Damit drehte die Entwicklung in kurzer Zeit. Mehr noch: "Das A-Segment wird das erste Segment in Deutschland sein, das voll elektrifiziert wird", so Patrick Schulz, BYD-Vertriebschef in Deutschland.
Doch ob die Kleinstwagen zu alter Stärke zurückkehren, ist mehr als fraglich. Im Jahr 2009 zählte das Kraftfahrtbundesamt noch 368.000 Neuzulassungen im A-Segment, zehn Jahre später waren es noch 230.000. Im vergangenen Jahr waren es mit 80.000 Neuzulassungen noch gut ein Drittel.
"Es gibt eine Kundschaft für chinesische Fahrzeuge aus dem A-Segment, aber ich halte es eher für eine kleine Nische", sagt Benecke. "Viele Verbraucher haben immer noch die europäische Brille auf. Das A-Segment erhält einen Schub, wenn Volkswagen 2027 mit dem ID.1 auf den Markt kommt."
In Deutschland sind Fahrzeuge aus den kleinen Segmenten deutlich weniger gefragt als in anderen europäischen Ländern. Nach Beneckes Einschätzung spielen sie vor allem in Italien und Spanien sowie in Teilen Osteuropas eine wichtige Rolle.
"Mittel- und langfristig sehen wir eine leichte Erholung der kleinen Segmente, aber kein großes Comeback", sagt S&P-Manager Benecke. "Was früher den Kunden gereicht hat, ist heute nicht mehr genug. Die Ansprüche haben sich nach oben verschoben."
