Mercedes testet Festkörperbatterie im EQS - über 1000 Kilometer Reichweite

Die Festkörperbatterie verspricht den nächsten großen Schritt in Sachen Reichweite von Elektroautos. Fast alle Hersteller arbeiten fieberhaft an der Serienreife der Technologie. Mercedes hat nun erstmals in einem EQS eine mit dem Partner Factorial entwickelte Lösung im Straßeneinsatz. "Dies wird uns wichtige Erkenntnisse für eine mögliche Serienintegration dieser hochmodernen Batterietechnologie liefern", sagte Mercedes-Entwicklungschef Markus Schäfer.

Festkörperbatterien besitzen im Gegensatz zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien einen Elektrolyt aus festem Material, in diesem Fall Metall. Dabei handelt es sich um diejenige Komponente, die geladene Teilchen (Ionen) zwischen den Batterieelektroden hin und her bewegt. Lithium-Festkörperbatterien haben eine Energiedichte von bis zu 450 Wattstunden/Kilogramm und damit deutlich mehr als Batterien mit flüssigen Elektrolyten.

Die Ingenieure des Batterie-Kompetenzzentrums in Stuttgart-Untertürkheim sowie die Formel-1-Experten der Tochter AMG High Performance Powertrains in Brixworth, England, haben den Prototyp der Batterie auf Basis der B-Muster-Zellen von Factorial entwickelt.

Notwendig war dafür beispielsweise ein komplett neues Batterie-Management-System, da sich die Zellen anders verhalten bei herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien. Um die Volumenänderungen zu unterstützen, sind bei Mercedes pneumatische Aktuatoren (per Druckluft gesteuerte Ventile oder Motoren) verbaut.

Die Festkörperbatterie im EQS ermöglicht eine bis zu 25 Prozent höhere Reichweite. Dabei sind Gewicht und Größe vergleichbar zu der Standard-Batterie eines EQS. Mit einer Batteriekapazität von 118 Kilowattstunden (KWh) bietet der aktuelle EQS 450+ eine Reichweite von über 800 Kilometer. Für das Entwicklungsfahrzeug wird eine Reichweite von über 1000 km erwartet. Wann Mercedes eine Festkörperbatterie in Serie verbauen wird, wollte ein Sprecher auf Anfrage nicht sagen. Dafür seien noch weitere Schritte notwendig.

Allzu lang dürfte dies aber nicht mehr dauern. "Erste Fahrzeuge wird man noch vor 2030 mit der Option Feststoffbatterie kaufen können", sagt Batterie-Experte Christoph Neef vom Fraunhofer ISI in Karlsruhe. Er rechnet allerdings nicht mit einem flächendeckenden Einsatz im Volumensegment, sondern zunächst mit einer Ausstattung von Oberklasse- und Mittelklassefahrzeugen, die besonders hohe Reichweiten erzielen sollen. "Die Ausstattung ganzer Serien dürfte erst deutlich nach 2030 stattfinden." 

Während Neef die Leistungseigenschaften der Prototypen als gut beurteilt, sieht er in der Produktion die größte Hürde auf dem Weg zur Serienreife. Pro Hersteller und Modellreihe würden mehrere Gigawattstunden (GWh) an Batteriezellen pro Jahr benötigt. Das funktioniere nur in großen Fabriken mit hohem Durchsatz.

"Die Prozesse müssen erst noch entwickelt und skaliert werden, das heißt Feststoffbatterien werden die gleiche Lernkurve durchlaufen müssen wie konventionelle Lithium-Ionen-Batterien dies in den letzten Jahren bis Jahrzehnten getan haben", so Neef. Das könne bei Feststoffbatterien deutlich schneller gehen, am Ende müssten aber Herstellungskosten und Qualität konkurrenzfähig sein.

Allerdings heißt es bei Factorial, dass die Festkörperbatterien so konzipiert sind, dass sie nahtlos in bestehende Fertigungsprozesse integriert werden können, um Skalierbarkeit und Effizienz zu gewährleisten. Mercedes hatte im vergangenen Jahr einen eigenen Zellcampus in Untertürkheim eröffnet, in dem zumindest in kleinem Maßstab Zellen produziert werden und in eine Batterie integriert werden können. Die Partnerschaft mit Factorial wurde 2021 geschlossen, 2024 die ersten B-Muster geliefert.

Neben Mercedes arbeiten auch viele andere Hersteller mit unterschiedlichen Partnern an der Festkörperbatterie. Toyota kooperiert bei der Entwicklung mit Idemitsu, einem Betreiber von Erdöl-Raffinerien. Der VW-Konzern beispielsweise hat das amerikanische Unternehmen Quantumscape als Partner und arbeitet mit Hochdruck an einer Industrialisierung.

So hat die Batterietochter PowerCo das Recht erworben, in Lizenz bis zu 40 GWh pro Jahr mit der Quantumscape-Technologie produzieren. Die Kapazität kann zudem optional auf bis zu 80 GWh pro Jahr ausgeweitet werden, was für rund eine Million E-Fahrzeuge pro Jahr reichen würde.

Noch dürfte die Produktion aber wegen des Rohstoffeinsatzes und der benötigten Prozesse teurer sein als die von herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien. "Wie viel teurer ist noch schwer zu bemessen", sagt Neef. Denn die Produktionskosten richten sich nicht nur nach den Materialpreisen und den Investitionen und Betriebskosten für die Fabrik, sondern auch danach wie reproduzierbar sich die Zellen herstellen lassen. "Fehlerhafte Produktion, also Ausschuss, ist in der Batterieherstellung ein sehr großes Thema", so Neef. Allerdings gebe es bereits Konzepte für die nächste Generation von Festkörperbatterien, die deutlich günstiger in der Herstellung seien.

Neben den Kosten wird für die Verbreitung von Festkörperbatterien auch entscheidend sein, ob sie in das Nutzungsprofil vieler Kunden passen – und wie sich bis dahin die Ladeinfrastruktur entwickelt. "Der Einsatz macht in Fahrzeugen Sinn, die für längere Fahrten bis 1000 Kilometer genutzt werden sollen, oder die von Kunden genutzt werden, die nur selten die Möglichkeit haben, das Fahrzeug zu laden", so Neef. Da zumindest in Deutschland und Europa in den nächsten Jahren deutlich mehr Schnelllademöglichkeiten zu erwarten sind, dürften Feststoffbatterien laut Neef zunächst eher auf teure Fahrzeugsegmente beschränkt bleiben.