E-Autos: Deutschland verliert Rennen um das bidirektionale Laden

In Frankreich geht in diesen Tagen eine Technik erstmals flächendeckend an den Start, auf die viele Elektroautofahrer in Deutschland noch längere Zeit warten müssen:  Die sogenannte "Vehicle-to-Grid"-Technik (V2G), das bidirektionale Laden und Entladen von E-Fahrzeugen, die mit dem Stromnetz eines Hauses oder einer ganzen Stadt verbunden ist.

Der neue Renault R5 E-Tech Electric ist mit der V2G-Technik ausgestattet, Partner dafür ist der Lade-Dienstleister The Mobility House (TMH) aus München, dessen Verwaltungsratsvorsitzende der frühere VW-Chef Herbert Diess ist. 

„Mit dem Launch in Frankreich haben wir ein bedeutendes Etappenziel erreicht, das beweist, dass wir technisch in der Lage sind, V2G erfolgreich umzusetzen“, freut sich TMH-Gründer und CEO Thomas Raffeiner. Doch seine Freude wird geschmälert durch die Ungewissheit bei der Einführung der Technik in Deutschland.

In Frankreich bietet Renault das Paket aus E-Auto und Einbindung ins Stromnetz über seine Tochter Mobilize an. Diese hat das Produkt "Mobilize Power" gemeinsam mit dem Münchener Unternehmen The Mobility House entwickelt.

Das Gesamtpaket besteht aus vier Elementen: Das E-Auto, eine bidirektionale AC-Ladestation, ein Stromvertrag "Mobilize Power" sowie eine App zur Steuerung der Anlage.

Bisher wurde die Technik nur in Pilotprojekten lokal getestet. Renault wird diese Möglichkeit auch in seinem kommenden E-Modell R4 sowie im Alpine A290 anbieten.

Durch die V2G-Technik können gleichzeitig Stromkosten gespart und das Stromnetz stabilisiert werden. Die Autobatterie kann den privat oder von Unternehmen erzeugten Solarstrom speichern und bei Bedarf ins Netz einspeisen, womit der Anteil regenerativer Energien am Gesamtangebot steigt. Zudem ist eine Notstromversorgung möglich, die angesichts der wachsenden hybriden Bedrohungen immer wichtiger wird.

Nach Frankreich will TMH seine Entwicklung 2025 in Großbritannien einführen und möglichst auch in Deutschland - ob dort allerdings rechtzeitig die rechtlichen und bürokratischen Hürden abgebaut werden, ist ungewiss.

"Frankreich ist in der Regulatorik weiter als Deutschland, und dort sind Smart Meter (intelligente digitale Strommesser) flächendeckend verfügbar", sagt TMH-Chef Raffeiner im Gespräch mit der Automobilwoche. Auch in China werde die Technik stark politisch gefördert. "Allein in Schanghai sind schon mehr als 10.000 Charger mit V2G-Technik geplant - und es werden immer mehr."

In Deutschland laufe die Einführung der Smart Meter dagegen sehr schleppend, derzeit seien erst rund zwei Prozent der Anschlüsse damit ausgerüstet. "In Deutschland sind davon weniger installiert als in Jordanien", bemerkt Raffeiner dazu.

"Deutschland ist bei der V2G-Technik weit zurückgefallen. Man hat es in den vergangenen 15 Jahren nicht geschafft, hier die Rahmenbedingungen zu schaffen", bedauert der TMH-Chef. "Das behindert letzten Endes das Hochlaufen der Elektromobilität."

Anders als in Frankreich, wo mit dem Unternehmen Enedis ein einziger großer Verteilnetz-Betreiber existiert, gibt es in Deutschland mehr als 900 verschiedene Netzbetreiber. Das erschwert die flächendeckende Einführung des Smart Meter enorm.

In Großbritannien sind sechs Netzbetreiber für das gesamte Netz verantwortlich - mit vollständig digitalen Prozessen, was einheitliche Schnittstellen erleichtert.

Seine Erwartungen setzt der Chef von The Mobility House in Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die Automobilhersteller und in die Energiewirtschaft. Jetzt gelte es, den regulatorischen Rahmen und funktionierende Marktprozesse für den schnellen Rollout der Smart Meter zu entwickeln.

"Die Autobauer waren anfangs skeptisch gegenüber V2G. Sie sagten uns, fasst bloß nicht unsere Batterie an. Aber wir konnten in umfangreichen Tests nachweisen, dass intelligentes bidirektionales Laden das Leben einer Batterie deutlich verlängern kann. Das hat auch die Autobauer überzeugt."

The Mobility House liefere für jedes Automodell mit jeder Batterie-Konfiguration spezifisch angepasste Lösungen.

In der vergangenen Woche trafen sich bei dem Minister rund 90 europäische Entscheidungsträger aus den Bereichen Automobilindustrie, Energiewirtschaft und Politik, um die V2G-Technik auch in Deutschland Wirklichkeit werden zu lassen. "Wir haben den Minister gebeten, die Hürden endlich zu beseitigen und diese überzeugende Technik auch in Deutschland zu ermöglichen," sagt Raffeiner.

Habeck habe dabei seine Haltung bekräftig, die er schon mehrfach geäußert hat: „E-Autos können als mobile Stromspeicher das Stromsystem stabilisieren – eine echte Win-Win-Situation, von der auch die Autobesitzer profitieren,“ so der Minister.

Ob aus dieser Einsicht mehr wird als zustimmende Worte? Thomas Raffeiner bleibt skeptisch: „Die Hausaufgaben für Deutschland bestehen aber auch nach dem Treffen noch, das ist trotz der Haltung Habecks ernüchternd”, resümiert er. „Es bleibt viel zu tun.”

Doch das Wirtschaftsministerium kann nicht alleine alle Hürden beiseite räumen. So bestehen weiterhin steuerliche Probleme, die es für die Betreiber von V2G-Anlagen bislang unattraktiv machen, in die Technik zu investieren.

Darüber hinaus gibt es noch eine Menge datenrechtlicher Fragen, die ungeklärt sind. So müssen die Anbieter von E-Autos, die ans öffentliche Stromnetz angeschlossen sind, auch Daten vom Netzbetreiber erhalten, um ihre Anlagen effizient und sinnvoll einsetzen zu können.