ZF-Vorstand Holdmann: "Werden in Europa noch deutlich konsolidieren müssen"

Hier gibt es bereits zahlreiche Aktivitäten: 2024 haben wir mit Damme und Schalke zwei Werke in Deutschland geschlossen. In Eitorf werden noch einige Produkte hergestellt, bei denen es sich nicht lohnt, diese zu verlagern. Der Beschluss, das Werk zu schließen, wird in den nächsten Wochen erfolgen.

In den USA haben wir bereits 2023 zwei Lenkungswerke aufgegeben. Wir produzieren Lenkungen für Amerika jetzt nur noch in einem mexikanischen Werk. Im Juni haben wir zudem ein Bremsenwerk in Georgia geschlossen und die Produktion ebenso nach Mexiko verlagert. Aber wir haben jetzt ein massives europäisches Problem.

Wir werden in Europa noch deutlich konsolidieren müssen. Das Volumen in der europäischen Fahrzeugproduktion liegt 30 Prozent unter der von 2018. Wir stellen auf dem Kontinent jetzt so viele Fahrzeuge her wie 1997. Das heißt, im Markt gibt es mindestens 30 Prozent Überkapazität. Das ist für jeden Zulieferer eine Herausforderung und trotz voller Orderbücher auch für unsere Chassis-Division.

Dank der Synergieeffekte durch die Zusammenlegung der Divisionen Aktive Sicherheitstechnik und Pkw-Fahrwerktechnik zur Division Chassis Solutions Anfang 2024 und dem im Oktober 2023 gestarteten Performance-Programm haben wir in Summe mehr als 3000 unserer weltweit 33.000 Mitarbeiter abgebaut. Dadurch sind wir schon deutlich effizienter geworden, aber dieser Weg ist noch lange nicht beendet.

Die Diskussionen helfen natürlich nicht, auch wenn wir von den Zöllen an sich nicht so stark betroffen sind, weil wir darauf pochen, dass unsere Kunden die Mehrbelastung übernehmen. Aber durch die Zölle erhöhen sich die Fahrzeugpreise in Amerika.

Einige Modelle in Europa werden deshalb gar nicht mehr für Amerika gebaut. Das führt in Summe dazu, dass weniger Autos hergestellt werden mit den Folgen weniger benötigter Teile und weniger Umsatz für uns.

Wir sind gut vorangekommen. Mehr dazu sagen wir bei Veröffentlichung unserer Halbjahreszahlen.

2024 lagen wir bereinigt bei 10,1 Milliarden Euro Umsatz. In diesem Jahr macht uns natürlich die allgemeine Marktsituation und der Einbruch der Fahrzeugproduktion zu schaffen.

Besser. Wir sind aber noch lange nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Die Ausgangslage ist halt schwierig. Wenn sich kein Wachstum mehr darstellen lässt, weil der Markt stagniert, wenn inflationäre Effekte hinzukommen, dann lässt sich eine Ergebnisverbesserung nur erreichen, wenn harte Einschnitte in der Kostenstruktur vorgenommen werden.

Nicht freiwillig. Ein Entgegenkommen gibt es nur, wenn man ein Produkt hat, das der Kunde unbedingt will. Wir erleben bei uns auch im Fahrwerk eine Transformation mit viel Grundlagenentwicklung, die wir für die By-Wire-Technologie leisten müssen. Wir sind gerne bereit, für weitere Kunden zu arbeiten, aber dafür benötigen wir vorab eine Beteiligung an den Entwicklungskosten.

Da ist es noch schwieriger, weil sich in China deutlich mehr Wettbewerber um die gleichen Aufträge bemühen. Der Markt dort ist sehr wettbewerbsintensiv.

Die Unternehmen kommen mit bekannter Technologie. Wenn wir für chinesische Kunden in Ländern außerhalb Chinas produzieren, greifen wir im Grunde auf die gleichen Produkte zurück, die in China bereits entwickelt wurden. Im Augenblick gibt es noch keine speziellen Fahrzeuge nur für Europa oder Südamerika.

Ja, das sind sie. Sogar im Jahr 2030 ist die Division Chassis Solutions schon zu 75 Prozent ausgebucht. Ich habe in 25 Jahren ZF noch nicht erlebt, dass wir über einen solchen Zeitraum im Voraus so gut ausgebucht waren.

Wir sind da auf einem sehr guten Weg. Das hat auch damit zu tun, dass wir mit Philippe Gasnier seit gut einem Jahr einen Entwicklungsleiter für die Division Chassis Solutions haben, der Softwarekompetenz mitbringt.

Wir sind im Bereich Software noch nicht da, wo wir hinwollen, aber im Vergleich zum Stand vor eineinhalb Jahren, als ich die Division übernommen habe, wurden deutliche Fortschritte gemacht. Das wird auch von unseren Kunden anerkannt. Ich bin optimistisch, dass wir in den nächsten zwölf Monaten unser Ziel erreichen werden.

Das ist kaum zu quantifizieren. Aktuell gibt es nur Einzelfälle, in denen Software schon separat angefragt wird. Aber der Trend, dass Kunden das getrennt nachfragen, ist erkennbar.

Ja, darauf sind wir definitiv stolz. Unser Projekt mit Nio läuft seit April ohne jegliche Anlaufprobleme. Wir arbeiten auch bei anderen Fahrwerkthemen in Richtung Software-definiertes-Fahrzeug sehr eng mit Nio zusammen.

Ja, wir sind dazu in der Lage. Nio ist nicht unser einziger Kunde. Teilweise haben wir mit chinesischen Unternehmen einen höheren Chassis-Content in den Fahrzeugen als mit unseren langjährigen deutschen Kunden.

Einige der chinesischen Fahrzeughersteller unterstützen wir auch auf ihrem Weg nach Brasilien oder Südostasien. Wir liefern beispielsweise seit ein paar Wochen Lenkungen an BYD in Thailand.

Im Falle der By-Wire-Technologie haben wir in China nur wenige lokale Wettbewerber. Hier stehen wir im Wettbewerb mit den Anbietern, die wir schon aus Europa oder Nordamerika kennen. Aber es entstehen auch neue Konkurrenten. Es bleibt abzuwarten, wie viel davon Powerpoint-Engineering ist und wie viel davon real.

Häufig werden die lokalen chinesischen Zulieferer von den Herstellern auch als Preisbrecher benutzt. Ich sehe derzeit nur wenige chinesische Zulieferer, die im Chassis-Bereich global auftreten. In der elektrischen Antriebstechnologie ist das anders. Das sind Technologiefelder, die chinesische Zulieferer früher besetzt haben und in denen sie jetzt auch global agieren.