Warum Volkswagen-Chef Oliver Blume jetzt die Politik in die Pflicht nimmt

Volkswagen-Konzernchef Oliver Blume sieht den härtesten Teil der Strecke bewältigt. "Wir haben eine der kritischsten Phasen in der Geschichte des Konzerns hinter uns“, sagte Blume bei einem Roundtable mit Journalisten kurz vor der Eröffnung der IAA Mobility in München.

Das Unternehmen sei finanziell stabil und dank des Sparprogramms in einer guten Position. "Trotz der aktuell harten Rahmenbedingungen sind wir finanziell besser aufgestellt denn je“, betonte Blume. Allein 2024 habe man konzernweit rund 15 Milliarden Euro eingespart.

Dass das Ergebnis nicht besser ausfällt, liege an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die härter denn je seien, so Blume. Zumindest konnten die Belastungen durch das eingesparte Geld kompensiert werden, und mit fast sechs Prozent Rendite stehe das Unternehmen solide da.

Vorausgegangen ist eine schonungslose Bestandsaufnahme, auf deren Basis zentrale Korrekturen eingeleitet wurden. Mit Zehn-Punkte-Plänen haben Blume und sein Team das Unternehmen neu aufgestellt.

Der Transformationsplan reicht von Design-Updates über neue Produkte bis hin zur Sanierung der Software. Diese galt lange als Schwachstelle, gewinne heute aber erste Vergleichstests – ein Fortschritt, den man sich vor wenigen Jahren kaum vorstellen konnte.

Auch bei Batterietechnologie und Plattformstrategie sieht sich Volkswagen gut aufgestellt. Als erster europäischer Hersteller beteiligt sich der Konzern an der Zellfertigung. Zudem seien die Plattformen sortiert: SPS für Europa, CSP für China. Dort sollen bis 2027 auf dieser Basis 30 neue Modelle auf den Markt kommen.

Jetzt sieht Blume die Politik am Zug und fordert verlässliche Rahmenbedingungen, um langfristig planen und investieren zu können. Daran, dass die Dekarbonisierung oberstes Ziel sein müsse, sei nicht zu rütteln.

Trotzdem sagt Blume: „Ich halte es für unrealistisch, dass wir 2035 nur noch reine Elektrofahrzeuge auf der Straße haben.“ „Wir dürfen uns bei der Dekarbonisierung nicht selbst im Weg stehen“, so der CEO.

Damit schließt sich Blume den Chefs von Mercedes und BMW an, bleibt im Ton aber zurückhaltender. Mercedes-CEO Ola Källenius und BMW-Chef Oliver Zipse hatten vor der IAA in teils drastischen Worten eine Neuausrichtung der Politik in Europa gefordert. Zipse beispielsweise bezeichnete das für 2035 geplante faktische Verbrenner-Verbot als „Desaster“.

Blume sagte, die E-Mobilität sei notwendig – und die Industrie in der Lage, bezahlbare Fahrzeuge für alle Segmente zu liefern. Voraussetzung sei jedoch, dass Infrastruktur, Energiepreise und Fördermechanismen wie ein Sozialleasing für Einstiegsmodelle mitziehen.

"Die Industrie kann liefern. Aber Entscheidungen heute wirken in 10 bis 15 Jahren – es braucht Planbarkeit.“ Außerdem dürfe die Industrie nicht für Fehler und Versäumnisse bestraft werden, die andere gemacht haben.

Auch die CO₂-Gesetzgebung müsse realistischer werden und sich an der Realität orientieren. Blume sprach sich dafür aus, nicht nur die Antriebsart, sondern auch Recycling, Materialwahl und synthetische Kraftstoffe zu berücksichtigen.

Diese könnten mit höheren Beimischungen dazu führen, den CO₂-Ausstoß unmittelbar zu senken. Er fordert eine realistische, pragmatische und intelligente Herangehensweise.

Angesprochen auf die Lage in China äußerte sich Blume kämpferisch: „Ich bin Sportler – wenn der Wettbewerb stark ist, muss man besser trainieren.“ Volkswagen habe seine Prozesse in China angepasst und könne heute auf dem gleichen Kostenlevel schneller entwickeln. Davon profitiere auch Europa: Das neue Urban-Car-Konzept sei ein Beispiel dafür.

In den USA setzt Blume auf eine rasche Umsetzung des vereinbarten Zoll-Deals, der rückwirkend zum 1. August gelten soll. „15 Prozent Zoll belasten den Wettbewerb erheblich.“ Vor allem das Ungleichgewicht, dass US-Importe nach Europa zollfrei erfolgen, stimmt Blume sorgenvoll.

Besonders betroffen von den geopolitischen Wirren ist der langjährige Renditekönig Porsche. In China sei der Luxusmarkt um 80 Prozent eingebrochen, sagte Blume. In den USA leidet die Marke unter Zöllen. Dennoch bleibt Blume zuversichtlich: „Wir kompensieren mit Absatzrekorden und justieren unsere Strategie neu.“

Der E-Anteil in Europa liegt bei Porsche aktuell bei 57 Prozent, weltweit bei 36 Prozent. Blume kündigte eine grundlegende Neuausrichtung an – 2026 soll der „Angriff“ erfolgen. Dann könnte auch die Doppelrolle als CEO enden.