Chinesische Importeure: Teure Versicherungen belasten BYD, MG & Co.

Die Kfz-Versicherungsprämien für chinesische Marken liegen in Deutschland und in vielen europäischen Ländern deutlich über denen für vergleichbare europäische Modelle. Das ist für die Importeure und ihre Handelspartner ein ernstes Problem.

Der Hauptgrund für die hohen Versicherungsprämien für chinesische Modelle hierzulande ist die geringe Erfahrung der Versicherungskonzerne mit den neuen Marken.

Immer dann, wenn kaum historische Daten über Schadensverläufe oder Diebstähle vorliegen, gehen die Versicherer auf Nummer sicher, um ihr Risiko so gering wie möglich zu halten. Im Ergebnis müssen die Versicherten dann tiefer ins Portemonnaie greifen.

Ein Beispiel: Das auch in Deutschland bekannte elektrische BYD-Mittelklassemodell Seal kommt bei einem Neuwagenpreis von 46.490 Euro  auf eine durchschnittliche jährliche Vollkasko-Prämie von 2536 Euro – ungeachtet möglicher Reduzierungen aufgrund von Schadenfreiheits- oder Regionalklassen. Ein deutlich kostspieligerer elektrischer BMW iX3, Neuwagenpreis 67.750 Euro, liegt mit einer Vollkasko-Prämie von 1870 Euro erheblich darunter. 

Noch deutlicher fällt der Kostenpunkt Versicherung beim VW ID.4 aus: Obwohl auch der VW mit 53.690 Euro teurer ist als der Seal, verlangen die Versicherer für eine Vollkasko-Abdeckung nur 1125 Euro - die Versicherung des chinesisches Modells ist somit 225 Prozent kostspieliger als der vergleichbare VW.

Zwar sind die Versicherungsprämien auch für die allermeisten Halter von Bestandsfahrzeugen im vergangenen Jahr beträchtlich gestiegen, was den Abstand zu vielen chinesischen Modellen etwas verringert hat. Doch am grundsätzlichen Problem hat dies nichts geändert. 

"Die Kfz-Versicherer in Europa haben kaum Schaden-Erfahrung mit chinesischen Modellen. Es gibt keine lange Historie, die Basis ist für die ausgefeilten Tarife der Branche", schildert Karsten Crede die Lage.

Crede ist ehemaliger Vorstand von VW FS,  Allianz und ERGO, Gründer des "Mobility Insurance Netzwerks" und Senior Advisor von Porsche Consulting und Strategy&.

"Die Typklassen-Einstufung ist ein retrospektives Verfahren, das auf realen Schadensverläufen der Vergangenheit beruht. Diese Erfahrung fehlt aber bei den chinesischen Anbietern", so Crede.

Hinzu kämen weitere Nachteile der chinesischen Newcomer: "Es gibt vielfach nur unzureichende Handels- und Servicestrukturen, die Ersatzteilversorgung ist nicht immer klar."

Und nicht zuletzt fehlen den chinesischen Herstellern in Europa eigene Finanzdienstleistungsstrukturen (Bank, Leasing, Versicherung). Im Ergebnis führt das zu schlechteren Konditionen bei Finanzierung, Leasing und Versicherungsprämie im Vergleich zu europäischen Herstellern.

Die chinesischen Importeure haben die hohen Kfz-Versicherung zwar als Problem erkannt, vorerst aber können sie nur auf die vergleichsweise günstigen Gesamtkosten ihrer Modelle verweisen.

"Unsere Fahrzeuge sind in der Total-Cost-of-Ownership-Betrachtung (TCO) oft günstiger als vergleichbare Modelle der meisten Wettbewerber. Neben niedrigen Anschaffungspreisen profitieren unsere Kunden insbesondere von attraktiven Wartungs- und Betriebskosten", sagt ein Sprecher von MG Deutschland der Automobilwoche.

Dennoch räumt man eine Benachteiligung im Versicherungsbereich ein: "Für unsere Modelle gibt es aufgrund unseres noch jungen Marktauftritts in Europa und dem 2021 erfolgten Start in Deutschland bislang nur eine eingeschränkte Datenbasis."

Hinzu komme das Problem, dass MG bei Schadensfällen häufig noch komplette Baugruppen austauschen müsse und nicht nur die beschädigten Bauteile, räumt der MG-Sprecher ein: "Für viele unserer Fahrzeuge existieren derzeit keine spezifischen Reparatursätze, zum Beispiel für Scheinwerfer oder Kabelbäume. In der Folge müssen oft komplette Baugruppen ersetzt werden, was die Reparaturkosten und damit auch die Einstufung nach oben treibt."

Versicherungsexperte Crede sieht die Importeure jetzt unter Handlungsdruck: "Die Hersteller aus China müssen sich vorerst um so stärker auf andere Instrumente wie Rabatte stützen, um die gesamten Mobilitätskosten ihrer Modelle in Europa nicht zu stark steigen zu lassen."

Unter dem Strich sei die aktuelle Situation belastend für die erzielbaren Erträge und Restwerte im Europageschäft. Eine schnelle Änderung der Lage erwartet er nicht.

"Interessanterweise arbeitet die Kfz-Versicherungsbranche in China auch noch nicht so digital wie in Deutschland vermutet wird. In den Autohäusern stehen eigene Mitarbeiter bereit, um die Formulararbeit in Papierform mit den Haltern durchzugehen. Allerdings entstehen Entwicklungspartnerschaften, zum Beispiel zwischen Ping An und FAW, um datenbasierte Versicherungslösungen zu etablieren."

Der Versicherungsexperte Thomas Zwack, Partner bei der Beratung Advyce & Company, rät den chinesischen Importeuren insbesondere bei weiter wachsenden Marktanteilen zu eigenen Finanzdienstleistungen "schrittweise aus einer Hand."

Denn er weiß aus langjähriger Erfahrung, dass die Versicherungsbranche Veränderungen in ihrer Risiko-Bewertung wie etwa in der Typklassen-Einstufung nur in kleinen Schritten vornimmt. Das kann viele Jahre dauern.

"Die Systeme der Versicherer sind auf neue Anbieter wie etwa neue Automobil-Importeure  verständlicherweise nur unzureichend vorbereitet. Es fehlen beispielsweise eine valide Schadenhistorie, Erfahrungen zu Ersatzteilpreisen und Reparaturdauern, Einschätzungen zur Zielgruppe, Wertverluste und eingesetzte risikorelevante Technologien."

Ein Weg zu niedrigeren Kfz-Versicherungsprämien besteht nun laut Crede darin, dass die Hersteller ihre Datensammlungen gegenüber den Versicherern öffnen würden.

"Daten etwa über die Haltbarkeit von Batterien, die Einbaurate von Assistenzsystemen oder Prognosen zur Wartung (predictive maintenance) könnten die Prämien nach unten bewegen. Da steckt sehr viel Potenzial dahinter. Und die chinesischen Hersteller haben große Erfahrung mit der Nutzung solcher Daten." 

Voraussetzung dafür sei aber die Zustimmung der Halter, was aber gerade viele Halter in Deutschland skeptisch sehen würden.  

MG will sich mit dem aktuellen Zustand nicht zufriedengeben. "Wir stehen dazu in engem Austausch mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)", sagt ein Sprecher des Unternehmens in Deutschland.

Das Werkstattnetz des Importeurs in Deutschland sei bereits "sehr gut ausgebaut" und werde kontinuierlich erweitert. Seit Anfang 2024 habe MG zudem die Ersatzteilverfügbarkeit und den technischen Support deutlich verbessert. "Besonders im Fokus steht aktuell, die gezielte Preisgestaltung bei sogenannten "Crashparts" wie Stoßfängern oder Kotflügeln, um Reparaturkosten nachhaltig zu senken."

Parallel steige mit jeder weiteren Fahrzeugzulassung die statistische Datenbasis – und damit die Chance auf eine  bessere Einstufung durch die Versicherungswirtschaft. So sei etwa der beliebte MG4 Electric ist in der Vollkasko-Versicherung von 2024 auf 2025 von Typklasse 24 auf 21 herabgestuft worden.
 
Langfristig erwäge MG in Europa auch den Aufbau einer eigenen Finanzdienstleistungssparte. "MG Motor Deutschland prüft laufend neue Geschäftsfelder, darunter auch Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Eine finale Entscheidung ist noch nicht getroffen, das Segment gilt für uns jedoch als ausgesprochen interessant."

Auch BYD verweist auf den Ausbau seines Service-Netzes in Europa. Bis Ende des Jahres werde der Hersteller in Deutschland auf 120 Vertriebsstützpunkte kommen, sagte ein Sprecher der Automobilwoche. Der Service solle dabei sogar um das 1,2-fache mitwachsen.