Neue Klasse: So wappnet BMW die Produktion gegen den Zollkrieg

Natürlich hat BMW die Entscheidungen zur Lokalisierung der Produktion der Neuen Klasse schon vor mehreren Jahren getroffen – lange, bevor Donald Trump erneut zum Präsidenten der USA gewählt wurde und einen Handelskrieg vom Zaun brach.

Seit vielen Jahren perfektionieren die Münchner ihren "Local for local"-Ansatz immer weiter. Dahinter verbirgt sich, was Noch-Einkaufsvorstand Joachim Post, der im Juni das Entwicklungsressort übernimmt, kurz und knackig auf einen Nenner brachte: "Die Produktion folgt dem Markt, das Lieferanten-Netz folgt der Produktion".

Darauf hat BMW nicht das Urheberrecht, aber die Münchner setzen das Prinzip im Dreiklang aus Entwicklung, Produktion und Lieferantennetzwerk mit hoher Konsequenz um. Ablesbar ist das an einem in einem hohen Maße ausbalancierten Verhältnis zwischen Produktion und Verkaufszahlen in den drei Weltregionen USA, Europa und China.

In den USA setzte der BMW-Konzern 2024 knapp 371.000 Fahrzeuge ab. Dem standen 396.000 in den USA gebaute Autos gegenüber. In China betrug das Verhältnis Verkauf zu Inlands-Produktion 715.000 zu 695.500 und in Europa 1,22 Millionen zu 949.000 Fahrzeugen. Natürlich wird in Europa, den USA und China nicht nur produziert, was dort verkauft wird.

Dennoch sehen Auto-Experten wie Stefan Bratzel und Frank Schwope die Münchner aufgrund ihres hohen Lokalisierungsgrades besser gewappnet gegen die Unwägbarkeiten des Zollkrieges und anderer geopolitischer Verwerfungen.

Die Schweizer Großbank UBS hat eben erst die Kaufempfehlung für die BMW-Aktie bestätigte und dabei die "starken lokalen Aktivitäten" des Autobauers hervorgehoben.

Mit der Einführung der Neuen Klasse hebt BMW die Lokalisierung auf die nächste Entwicklungsstufe. Für das "Jahrhundertprojekt", mit dem der Autobauer nach 2025 eine komplett neue Technologie über das gesamte Modellportfolio ausrollt, entstehen in den Weltregionen neue Produktionsstätten lokalisiertes Lieferanten- und Komponentennetzwerk. 

Das schließt erstmals auch die Batteriezellen ein, ein aufgrund des hohen Anteils an der Wertschöpfung und der starken Rolle chinesischer Unternehmen ein besonders heikles Thema.

"Wir haben das Ziel, Komponenten wie Batteriezellen dort einzukaufen, wo sich die Fahrzeugproduktion befindet und auch die Lieferkette für Vormaterialien schrittweise zu lokalisieren", sagt BMW-Sprecher Christian Marxt.

In der Praxis sieht das so aus: Im neuen Werk in Debrecen läuft die Vorserienproduktion des ix3. Er wird das erste Modell mit der Technologie und dem Design der Neuen Klasse. In Shenyang in China soll die Produktion ebenso im Jahr 2026 starten wie in München, gefolgt von Spartanburg/USA und San Luis Potosi/Mexiko.

In Nachbarschaft der Neue-Klasse-Produktion errichtet der Autobauer fünf neue Montagewerke für die Hochvoltbatterien, Standorte sind Irlbach-Straßkirchen (Niederbayern), Debrecen (Ungarn), Shenyang (China), San Luis Potosi (Mexiko) und Woodruff bei Spartanburg (USA).

Um den Bedarf an Batteriezellen abzudecken, hat BMW-Partnerschaften mit CATL EVE Energy und AESC geschlossen, die in den wichtigsten Weltregionen lokale Batteriezellfabriken errichten, aus denen BMW versorgt wird.

Wichtiger Zelllieferant in China ist CATL, quasi auf dem BMW-Areal in Debrecen plant EVE Energy Anfang 2026 die Eröffnung seiner ersten Gigafactory in Osteuropa und in South Carolina steht die Gigafactory von BMW-Partner Envision AESC kurz vor der Fertigstellung.

Die Lokalisierung beschränkt nicht auf Fahrzeug und Komponenten, sondern umfasst auch die Software, die für den Markterfolg entscheidende Bedeutung hat. Erst vor Kurzem hat BMW in China bekannt gegeben, dass man in seine in China produzierten Modelle der Neuen Klasse das HarmonyOS-Betriebssystem von Huawei integriert.

Dabei kommt die Huawei HiCar-Technologie zum Einsatz, die eine umfassende Vernetzung zwischen Smartphone, Fahrzeug und Smart Home ermöglichen soll. Im Rest der Welt setzt der Autobauer das iDrive X, das BMW auf Basis des Android Open Source Project (AOSP) entwickelt hat.

Es gibt auch Grenzen. Joachim Post spricht gerne und oft über "Skalierung". Wo diese nicht erreicht wird oder nicht mindestens erwartbar ist, wird keine lokale Lösung angestrebt.

Letzteres gilt noch für den neuen Elektroantrieb, dessen Serienfertigung im Sommer im Motorenwerk in Steyr anläuft und den Energy-Master, das "Hirn" des Gen6-Batteriesystems, das im BMW-Komponentenwerk Landshut entwickelt und gefertigt wird. E-Antrieb und Energy-Master werden aus diesen Standorten global ausgeliefert. 

Bis auf Weiteres. Je nachdem, wie gut die Modelle der Neuen Klasse am Markt ankommen, wird die Fertigung gesteigert. Dann dürfte auch die Produktion dieser zentralen Komponenten lokalisiert werden. Den Plan dazu hat BMW bereits in der Schublade.