Europa-Chef Dirk Adelmann schürt Erwartungen, unter anderem in Bezug auf Größe und Preis. Doch chinesische Marken haben das Konzept bereits übernommen.
Der Schatten der Zukunft: Smart hat entschieden, einen neuen Zweisitzer als #2 zu bringen.
Smart-Fans der ersten Stunde waren in den letzten Jahren arg gebeutelt. Erst hat Mercedes die Hälfte der Marke an die Chinesen verkauft, dann haben sie den früher mal 2,50 Meter kurzen Kleinstwagen mit dem jüngsten Modell #5 auf 4,70 Meter aufgeblasen.
Außerdem haben sie den Zweisitzer aus alter Produktion im März vergangenen Jahres eingestellt. Die Idee von minimalen Abmessungen für maximale Mobilität im urbanen Raum war damit vorerst Geschichte.
Doch jetzt kündigt Smart-Europa-Chef Dirk Adelmann wenige Tage vor dem Start der IAA Mobility in München einen neuen Fortwo an, der freilich in der aktuellen Nomenklatur #2 heißen wird.
Adelmann ist Europachef des Joint Ventures und hat immer wieder von einer Rückkehr des ursprünglichen Konzepts gesprochen. "Denn wir haben den Fortwo nie vergessen, sondern vom Beginn des Joint Ventures an auf dem Zettel gehabt."
Nur hätten sie sich in der neuen Konstellation erst einmal neu aufstellen und da nötige Geld für so ein Projekt verdienen müssen. Und vor allem mussten sie lange rechnen und entwickeln, um die Idee zum Fliegen zu bringen. Die Angst vor einem neuen Verlustgeschäft saß offenbar tief.
Schließlich mag der Vorgänger zwar viele Liebhaber gehabt haben, Gewinne aber hat er nie eingefahren, sondern gilt als eines der ganz großen Leidensgeschichten im Konzern.
"Wir haben in der Vergangenheit gelernt, wie klein und spitz das Segment ist", sagt Adelmann diplomatisch. "Und vor allem haben wir hier in Europa nie aufgegeben. Schließlich sind wir der mit Abstand größte Markt für so ein kleines Auto."
Dass es jetzt offenbar doch noch einmal klappt mit dem Kleinstwagen, hat viele Gründe: Es gibt neue Geldgeber in China und neue Entscheidungsträger in Stuttgart – und obendrein ist offenbar auch die Entwicklungsmannschaft weitergekommen.
Dabei lag die Last vor allem in China. Denn ein Design dürften sie in Stuttgart locker aus dem Ärmel geschüttelt haben, nachdem sie schon drei Generationen im Block hatten. Aber eine passende Plattform zu finden oder zu bauen und den richtigen Antrieb für so ein kleines Auto zu definieren, das dürfte eine große Aufgabe gewesen sein.
Wie sie die gelöst haben, will Adelmann noch nicht verraten. Doch mit dem Hinweis auf die eigene Architektur dürfte sich die 800 Volt-Technik von #1, #3 und #5 für diese Preisklasse erledigt haben – und womöglich auch die Batterie-Technologie, die sonst bei Smart zum Einsatz kommt.
Der chinesische Hersteller Linktour zeigt auf der IAA Mobility einen Zweisitzer, der an den ForTwo von Smart erinnert.
Dennoch können sich die Freunde der elektrischen Minimal-Mobilität über großen Fortschritt freuen: "Die Reichweite wollen wir mindestens verdoppeln", verspricht Adelmann. Statt etwa 130 sind also mindestens 260 Kilometer drin – und als #2 muss der Fortwo Autos wie einem Dacia Spring oder bald einem VW ID1 nicht mehr neidisch hinterher schauen.
Allerdings liegt hier auch das Problem: Denn das einst revolutionäre Konzept hat bereits Nachahmer gefunden. So tritt auf der IAA das chinesische Unternehmen Linktour mit einem Zweisitzer an, der es auf genaue jene urbane Kundschaft abgesehen hat, die sich auch für den ForTwo begeisterte.
So verspricht Linktour für sein Fahrzeug urbanen Spirit gepaart mit Technologie auf höchstem Niveau. Die Karosserie soll komplett aus Aluminium bestehen. Kunden können mithilfe von Künstlicher Intelligenz ein kleines Kunstwerk schaffen, dass dann zur Individualisierung des Fahrzeugs dient und an der Seite unterhalb der A-Säule aufgebracht wird.
Entschieden wird das Rennen um die Gunst der Kunden wohl über das Design, das bei den Chinesen doch etwas gewöhnungsbedürftig ist. Wie der Smart aussehen wird, ist noch geheim. Selbst wenn der Schattenriss, der zur Ankündigung veröffentlicht wird, eine vertraute Silhouette zeigt, sollte man nicht mehr auf die Größe von anfangs 2,50 und zuletzt 2,70 Meter hoffen.
Adelmann betreibt Erwartungsmanagement. "Schließlich haben sich die gesetzlichen Vorgaben und die Crashnormen seitdem weiterentwickelt." Aber Smart will so nah wie möglich am Original bleiben und Adelmann verspricht zumindest "eine zwei an erster Stelle", was den Fortwo noch immer zum kürzesten Serienauto auf dem Markt machen würde.
Beim Preis, der für das E-Modell am Ende bei 21.490 Euro begonnen hat, wollen sie dagegen trotz der größeren Reichweite keinen so großen Sprung machen. Nicht umsonst wird der #2 genau wie seine großen Geschwister künftig in China gebaut und nicht in Europa, wie Adelmann in früheren Interviews in Aussicht gestellt hatte.
Aber er verspricht, dass der kleinste Smart auch der günstigste wird und plant mit einem Einstiegspreis in den "unteren Zwanzigtausendern". Damit läge er zwar auf dem Niveau von Viersitzern wie dem Hyundai Inster und dann auch VW ID.1 und Renault Twingo.
Doch wären das immerhin 50 Prozent weniger als beim #1 und Grund genug für die Vermutung, dass der #2 als Einstiegsmodell zumindest in Europa das Potenzial hat, zum meistverkauften Auto im Portfolio aufzusteigen – und so am Ende doch wieder Größe zu beweisen.
