Porsche, Ferrari und Co.:Auf Luxusautos lastet ein Elektrofluch

Bei Porsche haben sie eigentlich alles richtig gemacht. Mit dem neuen Taycan sollten die Defizite des Vorgängermodells endgültig beseitigt werden. Die Ingenieure schafften mehr Reichweite, schnelleres Laden, dazu ein Topmodell Turbo GT mit über 1000 PS und einer brachialen Beschleunigung von nur 2,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100.

Es gibt nur ein kleines Problem: Die Kunden lassen das Auto, das in der leistungsstärksten Version mit Weissach-Paket über 240.000 Euro kostet, links liegen.

Vom Taycan wurden im Zeitraum Januar bis Juni nur 8302 Fahrzeuge weltweit an Kunden ausgeliefert, ein Minus von sechs Prozent. Im kompletten Jahr 2021 konnten die Stuttgarter noch 41.296 Einheiten des ersten E-Porsche absetzen.

Premium- oder gar Luxusanspruch verbunden mit Elektroantrieb – das passt bisher noch nicht zusammen. Diese Erfahrung machen auch andere Hersteller, die ihre Top-End-Fahrzeuge mit Batterie statt Verbrenner anbieten. So hat Mercedes-Benz Unsummen in die Entwicklung der elektrischen G-Klasse investiert.

Das Auto kann nicht nur wie eine Gams auf den Hausberg Schöckl am Grazer Produktionsstandort kraxeln, sondern sich auch wie ein Panzer auf der Stelle drehen. Und er bringt es immerhin auf 470 Kilometer Reichweite.

Verkaufen lässt sich das Auto, das als AMG Line ab 160.000 Euro zu haben ist, allerdings genauso wenig wie der auf betuchte chinesische Kunden zugeschnittene Maybach EQS SUV.

Audi hat sein Flaggschiff Q8 e-tron bereits ausgemustert, auch bei BMW laufen die teuren E-Modelle nicht wie erwartet. Für das Topmodell i7 M70 xDrive werden mindestens 181.800 Euro fällig. Um es in freier Wildbahn zu erspähen, braucht es eine gehörige Portion Glück.

Auch in der echten Luxuskategorie geht elektrisch wenig. Ferrari hat das Debüt des Elettrica wegen mangelnder Nachfrage verschoben. Das zweite E-Modell soll gar erst 2028 kommen. Selbst der gefeierte Supersportwagen Nevera von Elektropionier Mate Rimac mit einer Höchstgeschwindigkeit von über 400 km/h verkauft sich nur schleppend.

Die Erfolglosigkeit dieser Modelle steht dabei in Kontrast zum Vordringen der Elektromobilität: Im weltgrößten Einzelmarkt China sind die Weichen gestellt. Nach Zahlen des Ministeriums für öffentliche Sicherheit legte die Zahl der New Energy Vehicles (NEV), zu denen auch Plug-in-Hybride und E-Fahrzeuge mit Range-Extender zählen, im ersten Halbjahr um fast 28 Prozent auf 5,6 Millionen zu.

Rund 45 Prozent aller Neuzulassungen entfallen auf NEVs. In Europa und in den USA geht es zwar langsamer, doch der Weg weg vom Verbrenner ist klar definiert.

Warum dies ausgerechnet bei hochpreisigen Autos anders ist, dafür gibt es viele Erklärungsversuche. "Die Nachfrage nach elektrischen Luxusfahrzeugen bleibt insgesamt hinter den Erwartungen zurück, weil Kunden in diesem Segment hohe Anforderungen an Performance, Langstreckentauglichkeit und exklusives Fahrerlebnis stellen – alles Aspekte, bei denen batterieelektrische Fahrzeuge teils noch nicht mit Verbrennern konkurrieren können."

Das sagt Professor Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft. Außerdem seien viele der Premium- und Luxuslimousinen Repräsentationsfahrzeuge und damit besonders empfindlich gegenüber Einschränkungen bei Ladeinfrastruktur oder Reisezeitplanung.

Während die technologischen Aspekte mit der rasanten Entwicklung bei Batterie und Ladezeiten in den Hintergrund rücken könnten, ist die emotionale Komponente nicht zu unterschätzen.

"Allein der Sound eines AMG C 63 ist für viele Menschen ein wichtiges Kaufargument", sagt Peter Schäfer, Geschäftsführer der Autohausgruppe Kreuter-Medele-Schäfer.

Frank Schwope, Lehrbeauftragter für Automotive Management an der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover, beschreibt das Problem so: "Die Differenzierungsmerkmale im Premiumsegment wie Motorleistung, Sound oder Fahrgefühl sind bei Elektrofahrzeugen weniger stark ausgeprägt als bei Verbrennern. Viele Kunden empfinden den Aufpreis für ein E-Modell daher als nicht gerechtfertigt."

Bei Mercedes tüfteln die Ingenieure der Sportwagentochter AMG an der Lösung genau dieses Problems. So wird der AMG GT XX, der für 2026 geplant ist, ein völlig neues Soundsystem erhalten. Für den V8-Mode wurden außen Lautsprecher zur Abgabe des Fahrsounds installiert.

Sie nutzen das Scheinwerfer-Gehäuse als Klangkörper, um satte Basstöne zu erzeugen. AMG-Chef Michael Schiebe verspricht Emotionen pur. So seien amerikanische Händler, sonst eingefleischte V8-Fans, bei einer Probefahrt begeistert gewesen. Die Erfolgsformel ist aus Schiebes Sicht einfach: "In erster Linie muss es ein AMG sein, die Art des Antriebs ist zweitrangig."

Ob dies ausreicht, die Petrolheads mit dem elektrischen Antrieb zu versöhnen, muss sich zeigen. Denn auch die technologischen Sprünge, die im AMG GT XX mit seinem Axialflussmotor und einer anvisierten Ladeleistung von über 800 kW Eingang finden, sind ein Teil des Problems.

Im Gegensatz zum Verbrenner, der nach über 130 Jahren praktisch ausentwickelt ist, ist jedes neue Elektroauto mit Innovationen vollgestopft, die das Vorgängermodell alt aussehen lassen. Dies führt zu dramatischen Restwertverlusten.

Während Kunden eines Porsche 911 vor allem bei limitierten Modellen auch nach Jahren kaum mit großen Minderungen rechnen müssen, sieht dies beim Porsche Taycan komplett anders aus. Ein Taycan Turbo S von November 2022 mit 27.820 Kilometern auf dem Tacho, Neupreis um die 200.000 Euro, steht aktuell bei einem Porsche-Händler für 107.000 Euro zum Verkauf.

"Luxus definiert sich schließlich auch über die Wertstabilität eines Produkts", lautete die bittere Erkenntnis des ehemaligen Porsche-Finanzchefs Lutz Meschke angesichts der Absatzprobleme der E-Autos aus Zuffenhausen.

Ganz gravierend zeigen sich die Probleme in China, wo derzeit mit teuren E-Fahrzeugen deutscher Autobauer kein Blumentopf zu gewinnen ist. "Hersteller wie BYD, Nio oder auch Xiaomi und Huawei bieten hochmoderne E-Fahrzeuge mit starker Softwareintegration, modernsten Batterien, großer Reichweite, die oft günstiger als vergleichbare Modelle von BMW oder Mercedes sind", analysiert Schwope.

Zudem fördere die chinesische Regierung heimische Marken politisch und wirtschaftlich. Hinzu kommt: "Europäische Marken verlieren in China auch an Relevanz, weil junge Käufer stärker auf Technologie, User Experience und Innovation schauen."

Die deutschen Hersteller müssen daher ihre Anstrengungen erhöhen, um auf Dauer im hochpreisigen Segment erfolgreich zu sein.

Reindl sieht als Voraussetzung dafür eine "höhere Differenzierung gegenüber Volumen-BEVs, etwa durch emotionale Designs, klare Markenidentität und einen erlebbaren Mehrwert bei Software, Sounddesign oder Materialsprache".

Zudem fehle eine zuverlässige Ladeinfrastruktur und eine Regulatorik der Politik, die planbare Rahmenbedingungen beispielsweise bei den CO2-Flottenzielen schaffe und eventuell die Förderung innovationsgetriebener Oberklasse-BEVs erhöhe.

Zumindest bei der Technologie wollen die deutschen Premiumhersteller bald wieder auf Augenhöhe mit der Konkurrenz aus Asien sein. Der neue AMG GT XX sowie die Plattformen MMA und MB.EA zeigen, was Mercedes auf dem Gebiet Batterie und Elektromotor inzwischen gelernt hat.

Auch die Neue Klasse von BMW verspricht in vielen Disziplinen einen deutlichen Innovationsschub. Ob dies reicht, um auch in Zukunft hohe Margen erwirtschaften zu können und das Tempo in Forschung und Entwicklung zu forcieren, wird sich mit der beispiellosen Modelloffensive in den nächsten Jahren zeigen.

Stillstand jedenfalls ist keine Option. Denn die Konkurrenz vor allem aus China macht Druck. Schwope warnt: "Noch sind wir mit der Elektromobilität erst in der ersten Stufe der Disruption." Gegen Ende der Dekade werde mit dem autonomen Fahren die zweite Stufe breit ausgerollt. "Spätestens dann werden einige Hersteller auf der Strecke bleiben."