IG Metall zu Jobabbau bei Daimler Truck: "Erwarten, dass Zahl zurückgenommen wird"

So ganz genau weiß niemand, wie die Zahl in die Welt gekommen ist. Vermutlich war es Finanzchefin Eva Scherer, die sie auf dem Kapitalmarkttag im US-Werk Cleveland, North Carolina, zuerst in den Mund genommen hat. 5000 Stellen, so die Aussage, sollen im Rahmen des Sparprogramms "Cost Down Europe" bei der Daimler Truck AG in Deutschland in den nächsten Jahren wegfallen. 

Nun ist die Empörung auf der Arbeitnehmerseite groß. "Wir erwarten, dass diese Zahl zurückgenommen wird", sagte IG-Metall-Bezirkschefin Barbara Resch in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Betriebsratschef Michael Brecht und seinen Kollegen in den deutschen Lkw-Werken von Gaggenau über Mannheim bis Kassel.

Denn eigentlich, so argumentieren die Arbeitnehmervertreter, sei mit dem Vorstand ein anderes Vorgehen beschlossen worden, das auch in anderen Unternehmen inzwischen üblich ist. Gemeinsam mit dem Management werden für jeden Standort Zielbilder erarbeitet, mit denen die Stellhebel für eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit definiert werden.

In den Werken gehört dazu beispielsweise die Frage des "make or buy", also ob bestimmte Komponenten außerhalb des Unternehmens günstiger eingekauft werden können als sie selbst herzustellen. In Gaggenau etwa würden Bereiche mit 800 Beschäftigten dieser Prüfung unterzogen, sagte Brecht. Erst danach könne man seriös darüber sprechen, ob und in welchem Ausmaß wirklich Stellen wegfallen. Dieses Vorgehen habe in der Belegschaft große Anerkennung gefunden. 

Stattdessen ist die Aufregung bei den rund 28.000 Mitarbeitern der Truck AG nach der Ankündigung in den USA nun groß. "Ich erwarte vom Vorstand, dass er wieder zurechtbiegt, was er hier angerichtet hat", sagt ein sichtlich aufgewühlter Michael Brecht.

Erklären kann er sich den Vorfall nur damit, dass das Unternehmen vor den Investoren in den USA Eindruck schinden wollte und deshalb eine recht hohe Zahl in den Raum gestellt hat. Auch Brecht ist klar, dass es in ein paar Jahren wohl eher weniger Jobs als mehr in Deutschland geben wird. "Aber wie viele das sind, lässt sich heute beim besten Willen nicht vorhersagen."

Da bei Daimler Truck eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2029 gilt und diese im Paket mit einem neuen Tarifvertrag und dem Sparprogramm zudem bis Ende 2034 verlängert werden soll, wäre ein Abbau in dieser Größenordnung ohnehin nur über Fluktuation und Altersteilzeit oder über ein großes Abfindungsprogramm möglich.

"Mit dem Vorstand waren wir uns aber einig, dass es so ein Programm genau nicht geben soll", so Carmen Klitzsch-Müller, Betriebsrätin in der Zentrale in Leinfelden-Echterdingen, wo rund 5500 Mitarbeiter beschäftigt sind. Stattdessen sollen auch hier von Vertrieb über die Entwicklung bis hin zum Personalbereich alle Prozesse auf den Prüfstand. Erst danach werde klar, wo Handlungsbedarf bestehe. In diesem Bereich dürften aber die meisten Stellen wegfallen.    

Dabei sind sich Arbeitnehmervertreter und Management in der Analyse einig. Daimler Truck und insbesondere die Marke Mercedes-Benz müsse wettbewerbsfähiger werden, um in den nächsten Jahren zu bestehen. Die Busse und der Bereich der Finanzdienstleistungen sind vom Sparprogramm explizit ausgenommen. Dort läuft es gut. Bei den Lkw dagegen befinde man sich bei den Stückzahlen auf einem Niveau wie in der Finanzkrise 2008/09.

Für Brecht wird ein Jobbabbau allein aber nicht helfen. Für ihn geht es auch darum, den Fokus auf die Produkte zu legen und hier gegenüber der Konkurrenz aufzuholen. "Ich erwarte, dass wir Marktanteile zurückgewinnen." Es nütze nichts, Stellen zu streichen, ohne die eigentlichen Ursachen zu bekämpfen.

Klar ist aber, dass es in den nächsten Jahren deutliche Verschiebungen aus Deutschland heraus geben wird. Komponenten werden eingekauft, indirekte Bereiche etwa im Vertrieb oder der Personalabteilung ausgegliedert. Zudem kündigte Finanzchefin Scherer an, den ausländischen Anteil der Lkw-Produktion bei Mercedes-Benz von 25 auf 45 Prozent anheben zu wollen.

Die Verlagerung von Produktionsumfängen in so genannte "Best Cost Countries", also Billiglohnländer, ist das erklärte Ziel. Für Brecht muss das nicht unbedingt zum Nachteil des Mercedes-Lkw-Werks in Wörth sein. Denn die Montage von Elektro- oder Brennstoffenzellen-Lkw nehme mehr Zeit in Anspruch als bei konventionellen Lkw. Wenn die Konjunktur wieder anziehe auf ein normales Niveau, seien zusätzliche Kapazitäten nach 2030 ohnehin notwendig.

Die Unterschriften unter das vereinbarte Sparpaket sowie den neuen Tarifvertrag wollen Brecht und Resch trotz der Verärgerung an diesem Mittwoch leisten. Neben dem Verzicht auf Entgelt und der Erhöhung der Produktivität ist darin auch die Beschäftigungssicherung bis Ende 2034 festgeschrieben.

Davor soll es aber noch ein klärendes Gespräch mit Truck-Chefin Karin Rådström geben. "Ich habe die Erwartung, dass die Verträge auch eingehalten werden", betont Resch zum Ende des Pressegesprächs. Schließlich sei genau darin festgehalten, dass das Unternehmen anders vorgehen wolle als mit der Gießkanne.