Humanoide Roboter: Westliche Autobauer im Wettlauf mit China

Nach dem Software-definierten Fahrzeug entwickelt sich der Einsatz von humanoiden Robotern mit hohem Tempo zum nächsten großen Ding in der Automobilindustrie. So gut wie allen namhaften Autohersteller haben in den vergangenen Monaten Testläufe mit den menschenähnlichen Robotern gestartet.

BMW berichtete im November 2024 Jahres über einen erfolgreichen verlaufenen, mehrwöchigen Testbetrieb mit dem humanoiden Roboter Figure 02 des kalifornischen Unternehmens Figure im Karosseriebau des BMW-Werks Spartanburg. Der Job von Figure 02: das Zusammenfügen von Blechteilen im Karosseriebereich, wobei der Roboter erstaunliche taktile Fähigkeiten bewiesen hat.

Mercedes wiederum hat Mitte März im Werk Berlin-Marienfelde medienwirksam Apollo in der Logistik anpacken lassen. Noch handelt es sich um keinen regulären Betrieb, doch die Zeit der menschenähnlichen Roboter in der Massenproduktion von Autofabriken rückt näher. Um die Industrialisierung voranzutreiben, hat sich Mercedes am US-Unternehmen Apptronik beteiligt.

Und BMW hat den Testbetrieb mit dem Figure 02 in Spartanburg durchgeführt, weil man einen Partner gesucht hat, mit dem man die neue Technologie "möglichst schnell" in die Serienproduktion überführen kann. Das sagte Nikita Aleshin, Experte für Next Generation Robotics bei BMW, jetzt auf einer Veranstaltung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), auf der Experten über die Kommerzialisierung der humanoiden Robotik diskutierten.

In China setzt Audi im mit Partner FAW betriebenen Werk für New Energy Vehicle seit Anfang April den von UBTech Robotics entwickelten Walker S1 ein, der erste humanoide Roboter, den die Ingolstädter jemals in ihren Automobilproduktionslinien eingesetzt haben.  Der Walker S1 übernimmt im Werk Aufgaben wie Qualitätsinspektionen und das Aufspüren von Lecks in Klimaanlagen, eine Arbeit, die früher als Risiko für die Atemwege für menschliche Arbeiter galt.

Roboter als Arbeitskräfte in der Industrie sind eigentlich ein alter Hut. Mercedes beispielsweise hat sich bereits 1971 damit befasst, wie man eintönige und belastende Fabrik-Tätigkeiten auf Roboter übertragen kann. Lange blieb das Thema unter dem Kapitel "Vision" stecken und wo es darüber hinauskam, brauchten die Akteure einen langen Atem.

Dazu sagt Alin Albu-Schäffer, Leiter des Instituts für Robotik und Mechatronik des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR): "Es hat zehn Jahre gedauert, kommerzielle Produktionsroboter zu entwickeln und nochmal zehn Jahre, um Marktakzeptanz zu erreichen."

Das hat sich in nur wenigen Jahren dramatisch gewandelt. Dafür gibt es zwei wesentliche Ursachen: Zum einen hat sich durch den digitalen Wandel und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Zeitspanne zwischen Forschung und Entwicklung massiv verkürzt. Zum anderen ist die chinesische Regierung entschlossen, in einem weiteren industriellen Zukunftsfeld die Rolle als Weltmarktführer zu übernehmen.

Auf dem besten Weg dazu sind die Chinesen. In den vergangenen zehn Jahren, so Albu-Schäffer, wurden umgerechnet rund 140 Milliarden Euro in die Entwicklung der Robotik-Industrie in China investiert. Aktuell gibt es in China 100 Firmen, die sich mit humanoider Robotik befassen, alleine 40 sind im vergangenen Jahr hinzugekommen.

Auch da zeigt sich eine Parallele zur Elektromobilität und wieder spielt Elon Musk eine bedeutende Rolle: Wie in der E-Mobilität war Musk der Treiber, die Chinesen schauten genau hin, zogen nach und sind inzwischen führend bis dominant in der E-Mobilität.

Auch bei den humanoiden Robotern gehört Musk zu den großen Visionären und kündigt seit Jahren den großflächigen Einsatz der menschenähnlichen Roboter in der Autoproduktion an. Während Musks Optimus aber weiterhin nur homöopathisch in den Tesla-Werken eingesetzt wird, sind die Chinesen weiter.

Für Aufsehen sorgte die Geely Premium-Marke Zeekr kürzlich mit einem Video aus seiner Intelligent 5G Factory. Dort zu sehen ist wie Dutzende Walker S1-Roboter des chinesischen Tech-Unternehmens UBTec kollaborativ Tätigkeiten in der Fahrzeugmontage, der Endmontage und in der Qualitätsprüfung durchführen. Offenbar sind sie dazu in der Lage, Tätigkeiten eigenständig weiterzuentwickeln und untereinander zu koordinieren. Sollte dies zutreffen, ist eine nur über Roboter betriebene Autoproduktion bald keine Utopie mehr.

Nicht nur die Hersteller verbinden mit dem Einsatz humanoider Roboter hohe Erwartungen, auch die Zulieferer sehen in dem Bereich ein lukratives Geschäftsfeld. Bereits vor gut einem Jahr hat Schaeffler den Einstieg in die humanoide Robotik beschlossen.

Inzwischen stehe die Mannschaft, so Andreas Zeug, Projektleiter New Production Concepts bei Schaeffler Technologies, bei der vbw-Veranstaltung. Potenzial sieht man in den Bereichen Entwicklung und Komponente, Integration und Produktion sowie im Anwender-Bereich.

Was die humanoide Robotik so interessant mache, sind laut Zeug die hohe Anpassungsfähigkeit und die maximale Flexibilität, die man durch die sich frei bewegenden Roboter in der Produktion gewinne. So musste bei den statischen Produktionsrobotern aber auch bei kollaborierenden Robotern das Arbeitsumfeld um die Roboter gebaut werden. Jetzt passen sich die humanoiden Roboter an das Umfeld an.

Verbunden ist das allerdings mit einem hohen Anlernaufwand, wobei die Experten davon ausgehen, dass sich die Entwicklung mittels KI und End-to-End Learning deutlich beschleunigen wird.

Wirtschaftlich betrachtet haben die humanoiden Roboter das Zeug, zum Schauplatz der nächsten technischen Auseinandersetzung zwischen dem Westen und China und insbesondere zwischen den USA und China zu werden. So hat die chinesische Führung menschenähnliche Roboter zum Wachstumstreiber auserkoren.

Warum, zeigen Zahlen: So soll sich der Umsatz von umgerechnet 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf 44 Milliarden im Jahr 2031 vervielfachen. Die speziell für die Autoindustrie größere Drohung: Durch den Einsatz humanoider Roboter sollen die Produktionskosten laut Industrieschätzungen um 20 – 50 Prozent sinken.