Google war gestern: Wie Kunden sich heute informieren und wie Hersteller reagieren können

SEO war gestern – GEO ist heute. Diese Formel bringt auf den Punkt, was sich im digitalen Marketing der Automobilhersteller gerade fundamental verändert. "Gut 50 Prozent des Traffics kommt heute über SEO. Doch dieses Nutzerverhalten verschwindet zunehmend“, sagt Axel Averdung, Experte für digitale Geschäftsmodelle.

Suchmaschinenoptimierung (SEO) wird zunehmend von "Generative Engine Optimization" (GEO) verdrängt. Der Hintergrund: Nutzer erhalten auf Suchanfragen zunehmend Antworten direkt von Sprachmodellen wie Gemini oder ChatGPT – oft ohne je eine Herstellerseite zu besuchen.

Die neuen Large Language Models (LLMs) sind keine reinen Suchmaschinen, sondern dialogfähige, beratende Instanzen mit enormer Marktmacht. Denn statt Nutzer auf Webseiten zu verweisen, liefern sie direkt Antworten auf alle Fragen, die während des Kundenkontakts auftreten können.

Damit ändert sich nicht nur die Sichtbarkeit der Marken, sondern auch ihre Funktion in der digitalen Customer Journey. "Früher hat man recherchiert, heute gibt man einen Prompt ein", erklärt Averdung. Der lautet etwa: "Drei Kinder, enge Garage, Ski-Trips, Festivalbesuche, Kombi bis 55.000 Euro" – eine klassische Familiensituation.

Schon heute muss man nicht mehr unzählige Webseiten nach dem richtigen Auto durchsuchen, sondern richtet die Fragen in einem Satz an die KI – und erhält direkt eine Antwort als Start für individuelle Dialoge. "LLMs bieten mehr personalisierte Informationen, als die meisten OEM-Websites, Vergleichsportale oder Händler vor Ort ad hoc heute bereithalten können", so Averdung.

Für Automobilmarken bedeutet das eine Umstellung: Statt Keywords zu optimieren, müssen sie sich nun Gedanken machen, wie sie in Sprachmodellen genannt werden – Mention-Optimierung statt Linkbuilding.

Anders als bei SEA (Search Engine Advertising), wo sich durch Geld gute Plätze kaufen lassen, ist das bei GEO aktuell nur bedingt möglich; entsprechende Geschäftsmodelle werden kommen, die Preise aber wahrscheinlich über den heute bekannten liegen, bei deutlich besseren Datenprofilen zu den Kunden. 

Umso wichtiger ist es, jetzt zu handeln, um nicht später teuer bezahlen zu müssen. Aktuelle Analysen aus dem "LLM Brand Ranking Monitor 06/2025" von Averdung und seinem Team zeigen: Das GEO-Ranking in LLMs korreliert nicht 1:1 mit klassischen SEO-Werten. Es klaffen zahlreiche Lücken in der digitalen Markenführung.

Deutsche Hersteller zeigen bei bestimmten LLMs und Anfragen deutliche Schwächen in der Repräsentanz, vor allem wenn es um Detailfragen geht. Aber es gibt auch Chancen: LLMs gewichten Markenstärke besonders hoch – ein Bereich, in dem die nationalen Autohersteller traditionell stark sind.

Sie stehen bei ungestützten Nennungen in den LLMs gut da. Das gilt zum Beispiel bei allgemeinen Anfragen wie "Nenne einen Autohersteller!" 

Die Frage, die sich OEMs stellen müssen, lautet: Wie strukturieren wir unsere Inhalte so, dass sie in LLMs lesbar sind? Hier geht es um KI-Standards, Programmier-Schnittstellen, Metadaten, semantische Tiefe, eine neue Webarchitektur. Das Ziel: maschinenlesbare Markentechnologie und Inhalte, die von den Sprachmodellen erfasst werden, um in der ersten Antwort zu jedem Anliegen aufzutauchen.

Gleichzeitig verändert sich das Erleben der Marke auf der Webseite selbst. Der klassische Fahrzeugkonfigurator? "Ein Auslaufmodell", sagt Averdung. Statt Tabellen und Dropdown-Menüs braucht es dialogische Interfaces: virtuelle Probefahrten, geteilte Erlebnisse und eine direkte Ansprache des Kunden: "Steig' mal ein, fahr' mal durch die Stadt, in die Wüste – und teile es mit deinen Freunden."

Die Website ist damit nicht länger ein bloßes Informationsinstrument, sondern wird Teil individueller Produkterfahrungen. Und wer als Hersteller im physischen Produkt Wert auf Design legt, muss das auch digital weiterführen.

Agentische KI ist dabei kein "Nice-to-have", sondern eine Voraussetzung, auch für die eigene Website – und zwar jetzt. Für Averdung ist klar: Innerhalb der nächsten zwölf bis 18 Monate müssen Hersteller einen umfassend geeigneten Assistenz-Bot bereitstellen, der die Kontakte zu den Kunden orchestriert. Ansonsten riskieren sie, dem neuen Nutzerverhalten nicht mehr nachkommen zu können.

Die große Gefahr: "Kunde fragt ChatGPT, bekommt eine Konfiguration – und steht dann beim Händler, der von nichts weiß." Damit steigt auch der Anspruch an die organisatorische Integration. Es braucht eine klare Vorstellung davon, wie Vertriebs-, Marketing- und After-Sales-Touchpoints miteinander verknüpft werden – vom CRM über Apps bis ins Fahrzeug selbst.

KI eröffnet dabei nicht nur neue Wege in Vertriebskanälen, sondern transformiert die Kundenbeziehung über den Fahrzeugkauf hinaus. Die Autoindustrie muss nicht nur ein Auto, sondern eine kontinuierliche digitale Beziehung gestalten.

Das könnte zukünftig so klingen: "App: Dein Auto hat ein Problem, die Werkstatt-Rechnung dürfte hoch werden. Wir kennen deine Vorlieben – hier ist ein Angebot für ein neues Fahrzeug. Übrigens: Du magst Blau nicht – wissen wir."

Diese neue Form der Loyalität ist datengetrieben und personalisiert. Wer hier punkten will, muss das Auto als Plattform denken, als Interface, nicht als Summe einzelner Teile. "Entscheidend wird sein, wie tief die Marke Teil der digitalen Lebenswelt des Kunden wird." Durch eine direkte, tief verankerte Beziehung zum Kunden könnten in Zukunft teure LLM-Kontakte sogar umschifft werden.