Die Pressetage der Auto Show in Peking sind vorbei. Unter den zahlreichen Premieren und Eindrücken kristallisieren sich fünf Punkte heraus, die die Autoindustrie auf dem weltweit größten Markt in den kommenden Jahren prägen werden.
Auto Show 2024: Fünf Lehren aus Peking
Die Messe in Peking hat interessante Erkenntnisse gebracht. Vom neuen Superstar der Branche bis zu den Chancen der deutschen Hersteller – ein Überblick unseres Reporters Michael Gerster.
Die chinesische Autoindustrie hat einen neuen Superstar. Wo immer Lei Jun, der Chef des Technologie-Konzerns Xiaomi auftaucht, bildet sich eine Traube. Abgeschirmt von Sicherheitskräften und unter dem Jubel der Messebesucher bahnt er sich seinen Weg durch die Hallen in Peking, um unter anderem bei Mercedes vorbeizuschauen und mit Konzernchef Ola Källenius zu plauschen.
Zuvor hat er bei der Pressekonferenz sein erstes Auto vorgestellt, das wegen der Menschenmassen kaum zu sehen war. Ein Video zeigt das Fahrzeug auf der Rennstrecke, der Clip endet mit einer Kampfansage. Schneller als der Porsche Taycan sei der SU7 und auch schneller als Teslas Model S Plaid. Die Zuschauer feiern die Botschaft begeistert. Über 100.000 Bestellungen hat Xiaomi für das Fahrzeug, das wie eine Mischung aus Teslas Model 3 und Porsche Taycan aussieht, bereits erhalten. Das Marketing hat Lei Jun offenbar von Elon Musk gelernt.
Audi Q6L e-tron: Die deutschen Hersteller haben es schwerer als bisher.
Es ist schon beeindruckend, wie sich die chinesischen Hersteller in den vergangenen Jahren entwickelt haben. Vorbei die Zeiten, als die Hallen in Peking mit schrägen Kopien vom Kleinwagen Smart oder Porsche vollgestopft waren, in deren Innerem es meist nach billigem Plastik roch. Stattdessen High-Tech und ausgereiftes Design an jeder Ecke, von BYD über Geely und Dongfeng bis Xiaomi oder Xpeng.
Aber es wäre verfrüht, die deutschen Hersteller abzuschreiben. Das Interesse an Mercedes, Porsche, Audi und BMW sowie am Noch-Marktführer VW ist nach wie vor groß. Und die Neuheiten von elektrischer Mercedes G-Klasse über Audi Q6 e-tron oder VW ID.Unyx dürften auch in China ihre Käufer finden. Der chinesische Markt ist erwachsen geworden, die Konkurrenz größer. Zweistellige Wachstumsraten wie in der Vergangenheit dürfte es hier auf absehbare Zeit nicht mehr geben. Aber für gute Geschäfte ist der Markt groß genug, zumal die deutschen Hersteller im Gegensatz zu vielen Newcomern aus China auf etablierte Händlernetze und einen großen Kundenstamm zugreifen können.
Tesla als Vorbild: Dongfeng zeigt eine chinesische Variante des Cybertrucks.
Wer sich an den Ständen umschaut, der stellt vor allem einen Trend fest. Die Autos werden immer größer. So steht beispielsweise am Stand von Dongfeng eine kuriose Antwort auf Teslas Cybertruck mit Zeltaufbau und bulligem Design, in dessen Lichtband an der Fronthaube sich Animationen abspielen lassen.
BYD schickt von der Marke Yangwang das Luxus-SUV U8 ins Rennen, das mehr einem Panzer gleicht und über 3,5 Tonnen wiegt. Ansonsten überwiegen überdimensionierte SUVs oder Vans, die auf riesigen Rädern stehen und kaum noch Kanten haben. Ein gutes Beispiel dafür ist auch das Showcar von VW, der ID.Code, eine Mischung aus SUV und Gran Turismo mit fließenden Flächen. Er soll ab 2026 die Kunden in China begeistern. Zwar macht der Trend schon wegen der immer größeren Batterien, die benötigt werden, klimapolitisch keinen Sinn. Doch zumindest in China scheinen die Kunden damit kein Problem zu haben.
Mercedes-Kunden können künftig im Auto "Need for Speed" spielen.
„In China for China“ – das war neben dem „China Speed“ der meistgehörte Slogan an den deutschen Messeständen. Alle Hersteller haben ihre Entwicklungsstandorte in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. Das Ziel ist es, den Kunden noch besser zu verstehen und schneller Innovationen in die Fahrzeuge zu bringen. „Wenn der chinesische Kunde Karaoke singen will, dann bekommt er das“, sagt Mercedes-Chef Ola Källenius.
Mercedes beschäftigt inzwischen 2000 Entwickler in Peking und Schanghai, die sich um Themen wie Infotainment oder automatisiertes Fahren kümmern. Während Mercedes dabei lediglich auf Partner setzt, geht VW mit der Übernahme der Plattform des Mitbewerbers Xpeng noch einen Schritt weiter. Die Zusammenarbeit soll die schnelle Integration der neuesten Technologien von Partnern wie Horizon Robotics und Thundersoft erlauben. Allein dafür investiert das Unternehmen am Standort in Anhui 2,5 Milliarden Euro in die Entwicklung. 3000 Menschen sind hier beschäftigt. Erstes Ergebnis der vertieften Lokalisierung soll der ID.Code sein, der 2026 kommt.
HiPhi-Modelle X und Z: Das Unternehmen ist schon wieder vom Markt verschwunden.
Noch immer gibt es angeblich eine dreistellige Zahl von chinesischen Autoherstellern, die vor allem mit rein elektrischen Fahrzeugen Geld verdienen wollen. Allerdings ist selbst auf dem großen chinesischen Markt nicht Platz für alle. Viele sind nur deshalb noch nicht verschwunden, weil sie von den Provinzregierungen unterstützt werden. So sind auf den Straßen von Peking relativ viele Fahrzeuge der Marke ArcFox zu sehen, ein Ableger des Mercedes-Partners BAIC, hinter dem die Stadt Peking steht. Doch die Stückzahlen dürften auf Dauer nicht ausreichen, um überleben zu können. Im ganzen Land sind die Automobil-Fabriken nach Angaben der Beratungsfirma PWC nicht einmal zur Hälfte ausgelastet. Erste größere Marken wie Evergrande oder HiPhi sind bereits verschwunden. Die Konsolidierung wird daher in den nächsten Monaten und Jahren deutlich an Dynamik gewinnen. In den Messehallen dominieren bereits jetzt die großen und bekannten Hersteller wie BYD, aber auch Nio, Xpeng, Geely, GAC oder Dongfeng mit ihren vielen Ablegern. Exotische Marken waren nur wenige zu sehen. Ob sich auch Xiaomi in diese Riege international ernstzunehmender Namen einreihen kann, wird sich erst bei der nächsten Messe in Peking in zwei Jahren zeigen.