E-Transporter: So wollen Renault und Volvo Trucks die urbane Logistik umkrempeln

Von Sommer 2026 an will ein von Renault, Volvo Trucks und dem Logistik-Konzern CMA-CGM geschaffenes Joint Venture die Welt der Logistik umkrempeln. Das Trio unter dem Namen Flexis will dann nach eigenen Angaben "100 Prozent elektrische, 100 Prozent vernetzte, 100 Prozent flexible und 100 Prozent urbane Transporter" nicht nur bauen, sondern auch selber einsetzen, managen und warten.

Abgesehen von besonderen Anwendungen im Bereich Baumaschinen und Agrartechnik gibt es noch nichts Vergleichbares in Europa.

"Wir liefen sehr fortschrittliche Produkte, aber das ist nur ein Teil unseres Geschäftsmodells: Wir liefern die Daten zum optimalen Betrieb der Fahrzeuge und wir lassen unsere Kunden echtes Geld damit verdienen", sagt Flexis operativer Vorstand Krishnan Sundararajan im Gespräch mit der Automobilwoche.

Damit sei Flexis einzigartig, ist Sundararajan überzeugt. "Was wir tun, ist eine Revolution in der urbanen Logistik." Bei verschiedenen Pilotprojekten habe man die Effizienz des Systems unter Beweis gestellt.

Die Pilotprojekt-Flotte habe gezeigt, dass ein digital optimierter Einsatz der Flexis-Fahrzeuge im Lebenszyklus bis zu 60 Prozent weniger CO2 verursache als vergleichbare Diesel-Lieferwagen.

Zudem würden bis zu 400 Euro pro Fahrzeug und Monat an Energiekosten gespart. Die Gesamtnutzungskosten (TCU, Total Cost of Utilization) würden bis zu 20 Prozent unter denen entsprechender Diesel-Transportern liegen.

Basis für das Flexis-System ist das Know-how der drei sehr unterschiedlichen Joint-Venture-Partner. Renault liefert dabei die elektrischen Fahrzeuge, Volvo Trucks steuert die operative Erfahrung von Logistik-Flotten bei und CGM-CGA kennt sich in der intermodalen Logistik aus.

"Wir sind überzeugt, dass wir mit den Erfahrungen aus den Pilotprojekten eine höchst effiziente, skalierbare und flexible Lösung für mittlere und größere Kunden entwickelt haben", verspricht Sundararajan.

Mit drei großen Transportunternehmen hat der Logistik-Disruptor inzwischen Absichtserklärungen unterzeichnet. Dies sind in Deutschland DB Schenker, in Frankreich Colis Privé und in Großbritannien HIVED.

Sollten diese Absichtserklärungen in vollem Umfang umgesetzt werden, komme man auf ein Volumen von bis zu 15.000 Fahrzeugen über einen Zeitraum von drei Jahren, kündigte Flexis jüngst an.

Das sei aber nur der Anfang, beteuert Sundararajan. "Ab 2026 wollen wir diese Fahrzeuge in größeren Serien bauen. Wir sehen dafür einen stark wachsenden Markt."

Mittelfristig sei der europäische Markt für Elektro-Transporter 600.000 Einheiten pro Jahr groß. Davon sehe man 100.000 Einheiten für Renault, Renault Trucks und Flexis als realistische Option. Das Werk in Sandouville jedenfalls könne auf bis zu 120.000 Einheiten pro Jahr ausgebaut werden.

Überzeugen will Flexis seine Kunden nicht nur mit voll vernetzten Fahrzeugen, sondern auch mit einer hohen Fahrzeug-Verfügbarkeit. Dazu kann das Joint Venture auf ein breites Service-Netzwerk sowohl der Renault Group als auch von Volvo Trucks zurückgreifen.

"Die Kunden können nur die Fahrzeuge kaufen oder chartern, wenn sie wollen. Doch der eigentliche Effizienzgewinn von Flexis liegt in der Nutzung des digitalen Ökosystems. Wir können die Flotten beobachten, betreiben und sogar die Kontrolle der Logistikketten übernehmen", beschreibt Sundararajan das Konzept.

Potenzielle Kunden der Flexis-Modelle sucht Sundararajan dabei nicht beim Handwerker um die Ecke. "Einzelhandelskunden sollten sich an die Marke Renault und Renault Trucks direkt wenden, auch sie haben demnächst drei ähnliche E-Transporter im Angebot."

Die Kontrolle einer Flotte durch Flexis kann so weit gehen, dass der Fahrzeuglieferant festlegt, wann und wo welche Waren in ein bestimmtes Fahrzeug geladen und wieder ausgeladen werden.

"Das alles geht natürlich nur mit einem zentral geführten System – und deswegen sind wir einzigartig", sagt Sundararajan. Natürlich werde auch das Lademanagement der E-Transporter optimiert. 

So sei es möglich, Verkehrsdaten live zu berücksichtigen, Mautstrecken je nach Erfordernis zu wählen oder zu meiden, die am besten geeigneten und verfügbaren Fahrer auszuwählen und sogar dafür zu sorgen, dass die Fahrer mit den geringsten Strafzetteln auf besonders "kritischen" Routen eingesetzt werden.

Und wenn die Kunden es wünschten, könnten die Fahrzeuge auch direkt mit einer Bank kommunizieren, um Ldestrom oder Mautstrecken zu bezahlen.

Technische Basis der Flexis-Flotte sind drei von Renault im Werk Sandouville gebaute Fahrzeugtypen, genannt Panel Van, Cargo Van und Step-in-Van. Sie beruhen alle auf einer modularen Skateboard-Plattform, die Renault zufolge 300 Kilogramm leichter ist als vergleichbare E-Transporter. 

Beim Antrieb setzt diese Plattform stets auf eine 800-Volt-Technologie. Dadurch sei es möglich, 80 Prozent der Kapazität in 20 Minuten zu laden. Die Reichweite der Fahrzeuge beträgt bis zu 460 Kilometer. 

Auf der IAA Nutzfahrzeuge 2026 in Hannover sowie bei der Messe "Die Flotte 2026" wird Flexis vor eine breite Öffentlichkeit treten. Vorstand Sundararajan freut sich schon auf die ersten skeptischen Fragen: "Wir werden sie alle überzeugen!"