Analyse: Wie Autobauer den wachsenden Elektro-Lademarkt für sich nutzen wollen

Fast 170.000 Ladepunkte, Tausende Ladesäulenbetreiber und unzählige Tarifanbieter – der Lademarkt nicht nur in Deutschland ist unübersichtlich und kann Elektro-Neulinge überfordern. Damit das nicht passiert, setzen viele Hersteller von E-Autos auf eigene Lade-Ökosysteme.

Die versprechen niederschwelligen Zugang zu einer großen Zahl an Stromtankstellen und oft vergünstigte Tarife. Mit den Angeboten wollen die Hersteller einen Teil vom Ladegeschäft ergattern. Zwar schwanken Experten-Prognosen für das globale Marktvolumen 2030 deutlich, doch sprechen manche von bis zu 140 Milliarden Dollar (2024: circa 30 Milliarden).

Ein deutlich zweistelliges Wachstum sagen alle voraus. Vor allem aber schaffen die Autohersteller so Kundenbindung. Um zu verstehen, wie die Dienste funktionieren, lohnt sich ein Blick auf das Ladegeschäft im Detail.

Die Ladesäule selbst wird vom sogenannten Charge Point Operator (CPO) aufgestellt und betrieben, in Zusammenarbeit mit Netzbetreiber und Energieversorger. Manchmal sind letztgenannte auch gleichzeitig der CPO. Den Strom kann der CPO direkt an einen Kunden verkaufen, der an der Ladesäule zum Beispiel mit Kreditkarte bezahlt.

Der Großteil aber wird über sogenannte E-Mobility Service Provider (EMP) veräußert. Unternehmen also, die mit dem CPO einen Vertrag abschließen und ihren Kunden wiederum den Zugang zu der Ladesäule ermöglichen. Viele CPOs, zum Beispiel Aral Pulse, treten auch gleichzeitig als EMP auf.

Kaum ein EMP hat allerdings mit jedem CPO einen eigenen Vertrag. Hier kommen Roaming-Anbieter wie Hubject ins Spiel, die die Verbindung zu zahlreichen CPOs herstellen und den EMPs die Nutzung der Ladesäulen gegen Gebühr ermöglichen. Oft sind die Ladepreise für Roaming-Nutzer deshalb höher.

Die Rolle des EMP nehmen inzwischen immer mehr Fahrzeughersteller selbst ein, oder sie kooperieren mit einem Aggregator, der seine Dienste als White-Lable-Lösung bereitstellt und dann unter dem jeweiligen Markenlogo anbietet.

Dazu gehört neben der eigentlichen Nutzung der Ladesäule auch die passende App, über die Steckdosen gefunden und freigeschaltet werden können, sowie die Bezahlfunktion.

Einer der großen Anbieter in Deutschland ist das Münchner Unternehmen Digital Charging Solutions (DCS). 2017 ist es als BMW-Ausgründung gestartet, heute sind auch Mercedes und der Mineralölkonzern BP daran beteiligt.

DCS ermöglicht nach eigenen Angaben derzeit den Zugang zu über 960.000 Ladepunkten in Europa und ist unter anderem die Basis für die herstellereigenen Angebote BMW Charging und Mini Charging, MB.Charge Public von Mercedes und Smart Charge@Street sowie die Dienste der südkoreanischen Marken Hyundai (Charge myHyundai) und Kia (Kia Charge).

Viele Hersteller verfeinern dieses Angebot. Sie ergänzen es beispielsweise um weitere Ladesäulen, werfen Standorte, die nicht den eigenen Standards entsprechen, hinaus oder bieten zusätzliche Funktionen an.

Bis 2023 haben auch Audi-Kunden über DCS geladen. Danach schlossen sich die Ingolstädter mit ihrem Dienst Audi Charging dem Volkswagen-eigenen E-Mobility Service Provider Elli mit über 900.000 Ladepunkten an. Der stellt auch das Ladeangebot für VW (We Charge), Cupra (Cupra Charging) und Škoda (Powerpass) zur Verfügung.

Auf das Netzwerk von Plugsurfing mit über 940.000 Ladepunkten wiederum greifen unter anderem Renault mit dem Mobilize Charge Pass, Volvo mit dem Volvo Public Charging Service sowie Polestar mit Polestar Charge zurück. Auch der chinesische Hersteller Xpeng setzt in Europa auf Plugsurfing.

Ford dagegen hat mit BlueOval Charge Network einen eigenen EMP, der in Europa auf über 800.000 Ladepunkte kommt und über den Ford-Pass genutzt werden kann. Auch Porsche betreibt seinen Dienst selbst.

Viele der Anbieter haben mit Ladesäulenbetreibern, zum Beispiel Ionity oder Mer, Sonderkonditionen verhandelt, von denen die eigenen Kunden profitieren. Je nach Vertrag und Höhe der Grundgebühr, die Neukunden der eigenen Marke anfangs oft erlassen wird, fallen die Ladetarife für AC- (Wechselstrom) und DC-Laden (Gleichstrom) unterschiedlich hoch aus.

Einige Dienste sind auch für Fahrer anderer Marken nutzbar. DCS bietet ebenso wie Elli sogar eine markenunabhängige Lösung an.

Einen eigenen Weg ging von Anfang an Tesla. Der E-Pionier tritt mit seinen über 70.000 Superchargern auch als CPO auf und betreibt nach eigenen Angaben das größte Schnellladenetzwerk weltweit, das inzwischen auch für andere Marken offen ist.

Mittlerweile bauen auch andere Hersteller eigene Ladenetzwerke auf. Bis Ende des Jahrzehnts will Mercedes in den USA 2000 Charging-Hubs installieren und hat auch in Europa schon erste eigene Ladeparks eröffnet. VW arbeitet in China im Joint Venture CAMS an einem Ladenetz.

Dazu kommen zahlreiche eigene Stationen bei den Händlern. Audi sowie Porsche betreiben einige wenige eigene Ladelounges, wo nur ihre Kunden sich die Wartezeit mit einer Tasse Kaffee vertreiben können.

Und es geht noch mehr. Zwar bieten viele Hersteller E-Auto-Käufern über den Handel gleich eine Wallbox für zu Hause mit an. Elli aber verkauft darüber hinaus auch noch PV-Anlagen und sogar einen Stromtarif für zu Hause.