Leapmotor: "Unsere Wettbewerber sind die anderen chinesischen Hersteller"

Die zum Stellantis-Konzern gehörende chinesische Marke Leapmotor kommt zunehmend in Deutschland an und steckt die Ziele höher. "Wir trauen uns im laufenden Jahr einen Absatz im mittleren einstelligen Tausender-Bereich zu", sagte Tianshu Xin, der Automobilwoche. Er ist CEO von Leapmotor International, dem Gemeinschaftsunternehmen von Stellantis und Leapmotor.

Für die Zuversicht hat Xin allen Grund: In den ersten vier Monaten zählte das Kraftfahrtbundesamt knapp 1000 Neuzulassungen. Mitte Mai waren es bereits mehr als 1200 Einheiten. "Die offiziellen Zulassungen spiegeln nicht die Situation in unseren Auftragsbüchern wider", sagte Xin. Diese seien deutlich voller, als es die Zahlen vermuten ließen.

Damit liegt Leapmotor zwar deutlich hinter MG (7250 Neuzulassungen), BYD (2800 Neuzulassungen) und Polestar (1150 Neuzulassungen), aber vor Great Wall Motor (700 Neuzulassungen).

Xin sieht Leapmotor in Deutschland auf einem guten Weg. "Wir haben in den vergangenen Monaten deutliche Fortschritte gemacht", so Xin. Deutschland sei aktuell für die internationale Expansion von Leapmotor der wichtigste Markt. Dabei verfolgt er ein klares Ziel: "Wir wollen in allen Segmenten, in denen wir vertreten sind, unter den Top 3 der chinesischen Anbieter sein."

Während die Wettbewerber zum Teil schon seit mehreren Jahren auf dem deutschen Markt aktiv sind, kam Leapmotor erst im Spätherbst vergangenen Jahres. "Wir sind mit 50 Vertriebsstandorten gestartet, innerhalb von vier Monaten haben wir die Zahl auf 100 Standorte verdoppelt", so Xin.

Damit ist das Ende noch nicht erreicht. Der Leapmotor-Manager lässt offen, wie groß das Netz letztlich werden soll. "Bis Jahresende wollen wir eine Marktabdeckung von rund 80 Prozent erreichen", sagte Xin.

Er wirbt um Vertrauen der Händler und hofft auf weitere Investitionen. Doch da war zuletzt mehr Skepsis gegenüber chinesischen Marken zu spüren. Kein Wunder: Die Konsolidierung in China läuft. Nur wer auf dem Heimatmarkt überlebt, hat auch in Europa eine Chance.

Xin sieht Leapmotor dafür gut aufgestellt, nicht zuletzt wegen des starken Partners Stellantis. Der Konzern hat für 1,5 Milliarden Euro einen Anteil von 21 Prozent an Leapmotor gekauft und ist damit größter Investor. Am gemeinsamen Joint Venture Leapmotor International hält Stellantis mit 51 Prozent die Mehrheit.

"Als Teil der Stellantis-Familie werden wir hier für lange Zeit bleiben", ist Xin überzeugt. Leapmotor International sei komplett in das Vertriebssystem von Stellantis integriert. "Wir teilen nicht nur IT-Systeme, auch die Logistik – letztlich alles", so der Leapmotor-Manager. "Nur deshalb konnten wir so schnell den Markteintritt durchziehen."

Das Interesse der Stellantis-Partner an der chinesischen Marke rührt auch von den ambitionierten Zielvorgaben: Um den Bonus zu erhalten, müssen Händler nicht nur Volumen- und Qualitätsziele erfüllen, sondern auch die E-Quote von 20 Prozent. Darauf zahlt auch die Marke Leapmotor ein.

Gestartet ist Leapmotor mit dem T03. Mit einem Listenpreis von 18.900 Euro setzt der Autobauer eine Benchmark nach unten. Vom Eintritt ins A-Segment erhofft sich Xin viel: "In Europa gibt es in diesem Segment einen Bestand von rund 22 Millionen Fahrzeugen, etwa die Hälfte kommt von Stellantis."  Die Nachfrage in diesem Segment sei immer noch da, aber viele traditionelle Hersteller hätten das Segment aus Kostengründen aufgegeben.

Doch es gibt auch andere günstige Anbieter – selbst im eigenen Konzern: Den Citroën e-C3 (Listenpreis 23.900 Euro) gab es zum gleichen Preis wie den Leapmotor T03 – bei beiden lag die Leasingrate zeitweise unter 90 Euro. Daran änderten auch die unterschiedlichen Listenpreise nichts.

Allerdings scheint die Preispolitik des chinesischen Herstellers noch etwas Luft zu bieten. Das zeigt ein Blick auf den Heimatmarkt. Xin: "In China verkaufen wir den T03 umgerechnet für rund 8000 Euro."

Durch die unterschiedlichen Listenpreise sieht der Leapmotor-Manager eine klare Markentrennung: "Unsere Wettbewerber kommen nicht vorrangig aus dem Stellantis-Konzern, sondern sind die anderen chinesischen Hersteller. Wir sind die Alternative im Stellantis-Universum für diejenigen Kunden, die an chinesischen Fahrzeugen und an deren gutem Preis-Leistungsverhältnis interessiert sind."

Nun baut Leapmotor sein Angebot um eine neue Antriebsvariante beim C10 aus. Seit April gibt es ihn auch mit Range Extender (C10 REEV). Damit kommt das SUV auf eine Reichweite von mehr als 950 Kilometer, davon knapp 150 Kilometer elektrisch. Zu den Absatzzielen für den deutschen Markt will sich Xin nicht äußern, verspricht sich aber einiges: "Wir sind der erste chinesische Hersteller, der mit dieser Technologie auf den deutschen Markt kommt. Wir gehen davon aus, dass jeder zweite in Europa verkaufte C10 einer mit Reichweitenverlängerer sein wird."

Doch im Stellantis-Konzern ist der Range Extender gut bekannt. Als einer der ersten Hersteller brachte Opel die Technologie 2012 im Ampera auf den deutschen Markt. Doch das Fahrzeug kam nicht an: In fünf Jahren verkauften die Rüsselsheimer im Heimatmarkt lediglich rund 1500 Einheiten.

In der Europastrategie des chinesischen Herstellers spielt der deutsche Markt eine entscheidende Rolle, nicht zuletzt wegen seiner Größe. Mittlerweile ist Leapmotor in 14 europäischen Ländern mit eigenen Vertriebsgesellschaften aktiv, in weiteren acht arbeiten der Hersteller mit einem Importeur zusammen.

Der an der Hongkonger Börse gelistete Hersteller hat sich ambitionierte Ziele gesetzt: Im laufenden Jahr will Leapmotor seine Auslieferungen auf mehr als 500.000 Fahrzeuge nahezu verdoppeln. Das gelang dem Unternehmen schon im Jahr zuvor, als es rund 300.000 Autos verkaufte.

"Etwa zehn Prozent der Fahrzeuge wollen wir außerhalb unseres Heimatmarktes verkaufen", sagt Xin. Europa sei dabei eine der wichtigsten Regionen, mit Deutschland als wichtigstem Einzelmarkt.

Ein Vorteil für Leapmotor gegenüber den chinesischen Wettbewerbern war bislang die Montage im polnischen Stellantis-Werk in Tychy. Diese hat der Autobauer jedoch Ende März gestoppt.

Medienberichten zufolge sollen politische Gründe dabei eine Rolle gespielt haben. Polen sprach sich für zusätzliche EU-Zölle gegenüber in China produzierten Fahrzeuge aus. Zukünftig kommen die Fahrzeuge aus China.

Das Thema Produktion in Europa ist damit aber nicht vom Tisch: "Wir wollen zeitnah eine Entscheidung zu einer lokalen Produktion in Europa fällen", sagt Xin. Dabei spielen verschiedene Aspekte wie regulatorische Rahmenbedingungen, Infrastruktur, vorhandene Stellantis-Werke und natürlich Kosten eine Rolle.

"Die europäischen Industriekapazitäten von Stellantis bieten hohe Flexibilität und mehrere Optionen, um die am besten geeignete europäische Produktionsanlage - basierend auf Effizienz, Kosten und Kompatibilität mit Leapmotor-Plattformen - auszuwählen", sagt Xin. Laut Medienberichten ist Spanien eine der intern diskutierten Möglichkeiten. Im Gegensatz zu Polen hat sich Spanien bei EU-Zöllen bislang enthalten.