In der Anfangszeit haben die Vorstände der konventionellen Autobauer Tesla belächelt. Es erschien ihnen undenkbar, dass der Neuling aus dem Silicon Valley in der Lage wäre, ein richtiges Auto zu bauen. Inzwischen lachen sie nicht mehr. Elon Musk, der schillernde Milliardär aus dem Silicon Valley, hat es tatsächlich geschafft, aus dem Nichts eine Automobil-Serienproduktion aufzubauen. Mehr noch: Er hat eine Marke geschaffen, deren Produkte ähnlich begehrenswert sind wie die von Apple. Er hat die Elektroauto "vom Müsli-Image befreit", wie Daimler-Chef Dieter Zetsche einmal lobend gesagt hat. Zum 15. Jubiläum der Firmengründung stellt sich die Frage: Wie zukunftsfähig ist Tesla? Wird es die Marke in einigen Jahren noch geben?
Hat Tesla noch eine Zukunft?
Firmenchef Elon Musk ist momentan nicht zum Lachen zumute – im Gegenteil. „Hinter mir liegen die höllischsten Monate meines Lebens“, sagte er Anfang Juni. Denn Tesla hat Probleme – massive sogar. Das Assistenzsystem "Autopilot" ist nach mehreren Unfällen in die Kritik geraten, nach Unfällen sind Fahrzeuge des Herstellers in Brand geraten, der Aktienkurs ging auf Talfahrt, nachdem Musk in einer Telefonkonferenz unbequeme Fragen abgebügelt hatte. Am schlimmsten aber sind die Produktionsprobleme beim Model 3. Die Mittelklasse-Limousine sollte Tesla von der Nischenmarke zum Volumenhersteller machen. Doch die Fertigung kommt seit Monaten nicht auf Touren. Schon Ende 2017 hätte die Produktionskapazität 5000 Fahrzeuge pro Woche erreichen sollen, das Ziel ist immer noch nicht erreicht. Dass es, wie von Musk versprochen, Ende Juni 2018 erreicht wird, erscheint Experten utopisch. Da hilft auch die öffentlichkeitswirksam in einem Zelt errichtete zusätzliche Produktionslinie nichts. Musk braucht Erfolge und zwar möglichst schnell. Die Entlassung Tausender von Mitarbeitern dürfte den Aktionären gefallen. Aber ob das reicht, um den Hersteller langfristig profitabel zu machen, ist noch nicht absehbar.
Der Analyst Frank Schwope glaubt nicht daran, dass Tesla zum Massenhersteller werden kann. Er verweist darauf, dass Musk selbst zugegeben hat, dass Tesla „Geld verlieren und sterben“ würde, wenn es das Model 3 jetzt schon zum angekündigten Basispreis von 35.000 Dollar anbieten würde. Schwope geht davon aus, dass viele Kunden die Geduld verlieren und abspringen werden.
Für ein Überleben von Tesla spricht dem Analysten Roger Lanctot zufolge der technologische Vorsprung im Hinblick auf Hard- und Software, den er den Konkurrenz gegenüber hat sowie die Vertriebsstrategie. Tesla sei womöglich der erste Hersteller, der von der Vernetzung profitiere, sagte er der Automobilwoche. Der Autobauer habe großen Nutzen von den Daten, die er jeden Tag sammelt, während die Konkurrenten noch lange nicht soweit sind. Zu den Vorteilen von Tesla zählt Lanctots Ansicht nach auch die Ladeinfrastruktur, die das Unternehmen mit seinen Superchargern aufgebaut hat, während andere Hersteller noch damit beschäftigt waren, Subventionen zu fordern und sich über einen gemeinsamen Stecker zu streiten.
Momentan hat der Hersteller den Vorteil, dass es kaum konkurrenzfähige Produkte gibt. Doch das wird nicht mehr lange so bleiben. VW, Audi, BMW, Toyota – sie alle haben angekündigt, in den nächsten Jahren Elektroautos in Großserie bauen zu wollen. Der Chevrolet Bolt von General Motors und der I-Pace von Jaguar sind bereits auf der Straße. Hinzu kommen neue Konkurrenten aus China, sowohl vergleichsweise etablierte Hersteller wie BAIC als auch Start-ups wie Byton, von denen noch niemand weiß, wie sie sich entwickeln werden.
Im Gegensatz zu anderen Herstellern hat Tesla bereits tausende von Elektroautos gebaut und besitzt einen entsprechenden Erfahrungsvorsprung. Hinzu kommt die eigene Batterieproduktion in der sogenannten Gigafactory.
Zu den weiteren Vorteilen von Tesla zählen die treuen Kunden und Aktionäre. Eine knappe halbe Million Menschen hat das Model 3 bestellt und eine Anzahlung von 1000 Dollar geleistet, ohne das Fahrzeug vorher gefahren zu haben. Die Tesla-Anleger bleiben der Aktie treu und haben den Hersteller zu einem der wertvollsten Autobauer der USA gemacht, obwohl Tesla bisher noch in keinem Geschäftsjahr einen Gewinn ausgewiesen hat. Sollte der Glaube der Kunden und/oder der Aktionäre an Tesla erschüttert werden, hätte der Hersteller ein großes Problem.
Wenn in den kommenden Jahren zahlreiche Elektroautos anderer Hersteller auf den Markt kommen, werden vor allem zwei Punkte entscheidend für das Überleben von Tesla sein: Erstens die Produktionskapazität und Konkurrenzfähigkeit des Model 3 und später des darauf basierenden Kompakt-SUVs Model Y und zweitens die Positionierung auf dem chinesischen Markt. Dieser ist für Elektroauto-Hersteller womöglich noch wichtiger als für die anderen Autobauer, weil die chinesische Regierung die Elektromobilität stark fördert. Zwei Zahlen verdeutlichen das: Der Unternehmensberatung Alix Partners zufolge sind im vierten Quartal 2017 in China knapp 265.000 E-Autos zugelassen worden. Weltweit waren es rund 447.000. Lanctot sieht deshalb den Erfolg von Tesla auf dem chinesischen Markt als entscheidend für den weiteren Verlauf der Unternehmensgeschichte an.
Der Psychologieprofessor Rüdiger Hossiep weist darauf hin, dass Tesla-Fahrer besonders sicherheitsbewusst sind. Probleme mit dem Assistenzsystem „Autopilot“ könnten deshalb ebenfalls eine entscheidende Rolle für Tesla spielen.