Theoretisch könnten Kunden an den neuen Schnellladern künftig 300 Kilometer Reichweite in acht Minuten nachladen. Praktisch scheitert das jedoch an einem Umstand, auf den das Unternehmen keinen Einfluss hat.
Laden mit 600 kW: Theoretisch sind in acht Minuten 300 Kilometer zusätzliche Reichweite möglich.
Der Erfolg der Elektromobilität entscheidet sich auch an der Ladesäule. Wenn sich Reisestopps auf wenige Minuten beschränken lassen, um die Reichweite maßgeblich zu verlängern, dann steigt die Akzeptanz der Antriebstechnologie.
Der Ladepark-Betreiber Ionity, an dem unter anderen die Hersteller BMW, Mercedes, Volkswagen, Ford und Hyundai beteiligt sind, prescht nun vor und beginnt mit der Installation von Schnellladern, die bis zu 600 Kilowatt (kW) Leistung abgeben können.
"Die neuen Megawatt-Ladesysteme sind ein bedeutender Meilenstein auf unserem Weg, europaweit ultraschnelles und komfortables Laden von Elektroautos zu ermöglichen", so Ionity-CEO Jeroen van Tilburg. Das Unternehmen hatte sich jüngst mit den Wettbewerbern Fastned, Electra und Atlante zu einem Bündnis zusammengeschlossen.
Hergestellt werden die Stromtankstellen mit dem Namen HYC1000 von Alpitronic. Auch Produzenten wie Avia Volt versprechen 600 kW. Bisher werden als Schnelllader meist Systeme mit einer Leistung von bis zu 400 kW verbaut.
Mit der neuen Generation an Schnellladern kann ein Auto rein theoretisch in weniger als acht Minuten Strom für eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern laden. Allerdings gibt es bisher kein Fahrzeug auf dem europäischen Markt, das diese Leistung auch aufnehmen kann.
Der neue Smart #5 mit 800-Volt-Bordnetz kann über einen längeren Zeitraum mit bis zu 400 kW laden, der neue CLA von Mercedes soll 350 kW schaffen. In einem ähnlichen Bereich dürfte die Neue Klasse von BMW liegen. Auch der überarbeitete Porsche Taycan kann mit 320 kW Strom zapfen.
Der chinesische Hersteller Li Auto hat nach eigenen Angaben bereits eine CATL-Batterie mit 5C-Ladetechnologie im Einsatz, die bis zu 520 kW aufnehmen kann. Und BYD verspricht eine Eisenphosphat-Batterie, die angeblich bis zu 600 kW schafft. Doch bis diese in Masse verbreitet werden, dürfte es noch Jahre dauern.
Auch wenn 600 kW bisher Zukunftsmusik sind, will Ionity für seine Kunden Planungssicherheit schaffen. "Auch in den kommenden Jahren ist an Ionity-Ladesäulen die beste Performance möglich", so ein Sprecher. Allerdings wird die Leistung entsprechend reduziert, wenn mehrere Fahrzeuge an einer Ladestation Strom tanken.
Derzeit werden die neuen Ladesäulen auf dem eigenen Testgelände in München erprobt. In der zweiten Jahreshälfte soll die Installation der ersten "Hyper Charger" beginnen. Sowohl neue Ladeparks als auch bestehende werden mit der neuen Generation ausgerüstet. Was dies kostet, wollte der Sprecher nicht sagen.
Zwar würden derzeit in erster Linie Elektro-Lkws wie der E-Actros von Mercedes von solch hohen Leistungen profitieren, da sie diese auch aufnehmen können. Doch sind die Ladeparks von Ionity hauptsächlich für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge wie Transporter von Paketdiensten ausgelegt.
Eine jüngst abgeschlossene Finanzierungsrunde soll das Wachstum ermöglichen. Dazu gehört ein grünes Darlehen in Höhe von 450 Millionen Euro und die Option, die Kreditlinie auf bis zu 600 Millionen Euro zu erhöhen. "Damit ist der nachhaltige Ausbau unseres Netzwerkes über Jahre hinweg gesichert", so der Sprecher.
Bis zum Jahr 2030 plant Ionity, sein Netzwerk auf über 1300 Ladeparks in Europa auszubauen und die Zahl der Ladepunkte auf etwa 13.000 mehr als zu verdoppeln.
Andere große Anbieter wollen mit der Aufrüstung auf 600 kW vorerst warten. Zwar bezieht beispielsweise die EnBW nach eigenen Angaben ebenfalls einen Großteil ihrer Ladesäulen von Alpitronic, bleibt aber vorerst bei 400 kW. "Gleichzeitig beobachten wir kontinuierlich den Markt und passen die Leistung unserer Schnellladesäulen an, wenn wir Bedarf dafür erkennen", so eine Sprecherin.
