Bis heute um kurz nach halb sechs am späten Nachmittag schien undenkbar, dass ein gesunder Ferdinand Piech dem Volkswagen-Konzern je den Rücken kehren könnte. Ebenso unvorstellbar war bis vor wenigen Tagen allerdings auch, dass dieser Machtmensch par excellence je einen Machtkampf verlieren würde. Geschehen ist es dann doch, auch noch auf eigenem Terrain, in Salzburg. Am 78. Geburtstag. In der entscheidenden Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums stellten sich alle Mitglieder gegen Piech – und hinter Winterkorn.Hätte ein Regisseur diese Demütigung in sein Drehbuch geschrieben, es wäre von der Kritik als völlig unrealistisch verrissen worden.
Wolfsburg steht Kopf, seit Piech dem "Spiegel" sagte, er sei "auf Distanz" zu Winterkorn. Seinem Ziehsohn, mit dem er sich in technischen Fragen oft gar nicht absprechen musste, weil beide ohnehin die selbe Sichtweise hatten. Worin diese plötzliche Entfremdung ihren Ursprung hat, ist noch immer nicht geklärt. Eine Möglichkeit ist der Ärger über die "Handelsblatt"-Geschichte, wonach Piech aus Gesundheitsgründen bald seinen Posten als Chefkontrolleur räumen werde.
Nun hat er seinen Posten geräumt, seine Frau Ursula im Schlepptau. Die Distanz zu Winterkorn war unüberbrückbar. Und dass Winterkorn als "bestmöglicher" VW-Chef sogar noch eine Vertragsverlängerung bekommen sollte, ein klares Zeichen, dass der so stark von den Piechs geprägte Konzern nicht mehr auf das Wort aus Salzburg hörte.
Für VW mit seinen fast 600.000 Mitarbeitern ist es ein Ende mit Schrecken. Volkswagen steht nun ohne seine Vaterfigur da. Kein anderer deutscher Konzern hat noch einen Manager in seinen Reihen, dessen Lebensweg so untrennbar mit dem Weg des Unternehmens verbunden ist. Aber erst in den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob Ferdinand Piech davon lassen kann, aus Salzburg Störfeuer nach Wolfsburg zu schicken. Als Großaktionär behält er in jedem Fall immensen Einfluss. Sollte er diesen nutzen, um bei VW fortlaufend Unruhe zu schüren undWinterkorn doch noch zu Fall zu bringen, würde aus dem Ende mit Schrecken ein Schrecken ohne Ende.