Elektrobit-Chefin Maria Anhalt: "Europäische Software-Plattform ist starkes Signal"

Frau Anhalt, was sagen Sie zu der Initiative des VDA für eine deutsche und künftig auch europäische Software-Plattform im Bereich Car-IT?

Die Initiative ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Elektrobit befürwortet seit Langem den Einsatz eines Open-Source-Ökosystems, um die Entwicklung von Software-Plattformen voranzutreiben.  

Kommt dieser Versuch, ein europäisches Gegengewicht gegen die großen US-Techkonzerne, gegen Google & Co, zu schaffen, nicht viel zu spät?

Elektrobit begrüßt die Initiative ausdrücklich. Wir sind seit vielen Jahren ein Verfechter von strategischen Partnerschaften und Kollaboration in der Automobilindustrie. Auch das Thema Standardisierung gewinnt weiter an Bedeutung. Die europäische Software-Plattform vereint diese Themen und ist ein starkes Signal.

Welche Auswirkungen hat die Abtrennung von Continental Automotive und die Gründung des neuen Unternehmens Aumovio für Elektrobit? Bisher stammen viele Ihrer Aufträge von Ihrem Eigentümer Continental.

Für uns verändert sich zunächst einmal kaum etwas. Auch unser Markenname Elektrobit bleibt – denn er ist seit gut 30 Jahren ein Begriff in der Branche. Und unsere Kunden werden weiter mit denselben Ansprechpartnern zu tun haben wie bislang. Allerdings erwarte ich mittelfristig Veränderungen in unserer Kundenstruktur – das wäre auch ohne die Neugründung von Aumovio passiert.

Was konkret wird sich dabei ändern?

Unsere Kundenlandschaft war schon immer divers. Wir arbeiten mit allen etablierten OEMs sowie Zulieferer wie unserer Mutter Continental und deren Wettbewerbern ZF und Magna. Auch Tech-Unternehmern gehören zu unseren Kunden und Partnern.

Wir sehen aber gleichzeitig seit Jahren viele neue Player im Markt – Sony Honda Mobility ist einer davon. Und mit diesen "Neueinsteigern" und Disruptoren der Industrie arbeiten wir heute stärker zusammen als noch vor ein paar Jahren.

Sie haben bei der jüngsten Automesse in Schanghai ausgestellt und danach über eine neue Zusammenarbeit mit dem chinesischen Unternehmen Metoak berichtet, das in China im Bereich autonome Fahrfunktionen führend ist.  Wie kommt es, dass ein deutscher IT-Spezialist mit einem chinesischen Automotive-Unternehmen ins Geschäft kommt?

Wir sagen schon lange, dass es in der Car-IT mehr Kollaboration und mehr Open-source-Ansätze braucht. Und genau das leistet unsere Lösung EB corbos Linux for Safety Applications, um die es hier geht. Chinesische Unternehmen sind meiner Erfahrung nach schneller bereit als Europäer, neue Ansätze auszuprobieren und Risiken einzugehen.

Was unterscheidet chinesische IT-Entwicklung darüber hinaus von der Denkweise in Europa?

Ich sehe generell eine sehr hohe Einführung von Softwarelösungen in China. Und natürlich ist die Entwicklung dort auch schneller als in Europa. In China gibt es kein Automotive-Unternehmen mehr, das diese Erkenntnis nicht in veränderte Prozesse, in entsprechende Toolings und in neue Organisationsstrukturen umgesetzt hätte.

Es ist daher kein Zufall, dass unsere neueste Entwicklung auf Linux-Basis zu einem ersten Vertrag mit einem chinesischen Unternehmen, Metoak, geführt hat.

Also hinkt Europa dieser digitalen Transformation immer noch hinterher, auch wenn die Erkenntnis teilweise schon vorhanden ist?

In den vergangenen zwei Jahren hat sich schon viel getan. Aber während beispielsweise in China die IT überwiegend von Managern auf Top-Level-Niveau entschieden wird, ist das in Europa häufig noch Aufgabe von Mitarbeitern auf Level 4 oder 5.

Ist das so wichtig?

Absolut. Denn da geht es beispielsweise um die Frage, wie schnell ein Prozess virtualisiert wird, wie konsequent er automatisiert wird oder wie eine bestimmte Cloud-Technik adaptiert wird. Solche Entscheidungen prägen ein ganzes Unternehmen.

Wo haben europäische Software-Schmieden noch ihre Vorteile gegenüber den schnellen Chinesen?

Gegenüber chinesischer Software besteht in vielen Ländern ein genereller Vorbehalt. Westliche Software erfüllt sämtliche Regularien und Standards. Westliche IT hat häufig den Vorteil, dass sie in langfristigen Zyklen denkt, dass sie die großen Unterschiede in vielen Märkten mitdenkt und dass sie Wissen aus vielen Jahren Erfahrung mit Kunden und Endkunden hat.

Sie ist auf Langlebigkeit ausgelegt. Ich muss aber betonen, dass solche Aspekte auch von unseren Mitarbeitern in Peking, Shanghai und Chongqing gelebt werden.