Autonomes Fahren: Simulation von Here und AWS soll Entwicklung verbilligen

Der Kartenanbieter Here Technologies und AWS, die Cloud-Computing-Plattform von Amazon, hatten auf der CES Anfang Januar in Las Vegas SceneXtraxct vorgestellt. Inzwischen haben verschiedene Kundengruppen, Automobilhersteller, Tier-1-Lieferanten und Plattform-Provider das Toll ausgiebig getestet und bewertet.

Diese Evaluierung ist jetzt abgeschlossen, die Entscheidung ist gefallen: Noch vor Ende des Jahres wird SceneXtract kommerziell am Markt eingeführt, sagt Here Technologies. 

Das auf realem, hochpräzisen Kartenmaterial von Here basierende Softwaretool soll die Simulation als zentrales Instrument zur Entwicklung des autonomen Fahrens auf ein neues Level heben. Gleichzeitig soll der bisher hohen zeitliche und finanzielle Aufwand beim Aufbau komplexer Simulationsumgebungen drastisch reduziert werden.
 

Für Here bedeutet das den Eintritt in ein neues, vielversprechendes Geschäftsfeld: "Es gibt eine relativ einfache Regel bei den OEM: Je höher der Grad der Automation, umso höher die Anforderung an die Simulation", sagt Julian Gonsior, Senior Product Manager Automated Driving Solutions bei Here Technologies.

Eine entscheidende Rolle spiele der Übergang der Verantwortung vom Fahrer auf das Fahrzeug, respektive an den Hersteller, wie das bei Robotaxi-Anbietern der Fall ist, aber auch bereits bei den L3-Systemen von BMW und Mercedes. Um ein Höchstmaß an System-Sicherheit sicher zu stellen, habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass spätestens mit Erreichen des Autonom-Level 3 der Testaufwand "nicht linear, sondern exponentiell" steige.

Dabei spielt die Simulation, also das Auslagern aller denkbaren Verkehrsszenarien in die virtuelle Welt, eine zentrale Rolle. Allerdings steckt auch heute noch hinter der Erstellung des Simulationsumfelds viel "Handarbeit": Millionen von Kilometern werden gefahren, Verkehrsszenarien aufgezeichnet und daraus dann von Testingenieuren die Simulation mit allen denkbaren Szenarien gebaut. 

Hier kommt Here ins Spiel. Das nach eigenen Angaben "weltweit führende" Unternehmen für digitale Karten und ortsbezogene Technologie", das sich seit 2015 mehrheitlich im Besitz von Audi, BMW, Mercedes-Benz, Bosch und Continental befindet, verfügt bereits genau über diese Datenfülle zu allen denkbaren, real existierenden Verkehrsszenen, die es zur Erstellung eines Zentimeter-genauen Simulationsumfelds braucht. 

So nutzt SceneXtract die Here HD Live Map, einen cloudbasierten Dienst, über den die Automobilindustrie Zugriff auf hochpräzise, genaue und ständig aktualisierte Kartendaten hat. Die HD Live Map enthält Informationen zu Topologie und Geometrie von Straßen, einschließlich spurgenauer Attribute und Funktionen zur Fahrzeuglokalisierung.

Die HD Live Map wird bereits kommerziell genutzt, um einige der derzeit fortschrittlichsten automatisierten Fahrsysteme auf der Straße zu unterstützen. So kommt HD Live Map für die Level 3-Funktion in der Mercedes S-Klasse und dem 7er BMW zum Einsatz und soll künftig auch den SceneXtract-Kunden zur Verfügung gestellt werden: "Wir haben mit Blick auf L3-Funktionen kartentechnisch das Beste zu bieten, was auf dem Markt verfügbar ist", sagt Gonsior. 

AWS wiederum steuert seine Dienste zur natürlichen Sprachverarbeitung (NLP) und für generative künstliche Intelligenz (KI) bei. Das ermögliche es Entwicklern, HD Live Map-Daten schnell zu lokalisieren und im OpenDrive-Format in Szenen für Tests zu exportieren. Dies erspare viel Zeit und Aufwand, die normalerweise für die Vorbereitung von Simulationen erforderlich sind.

Wie Gonsior bestätigte, gibt es für das Simulationstool bereits einen großen OEM als Kunden, das Interesse sei hoch, Namen nannte er nicht.

Den kommerziellen Start für das Softwaretool peilt man bis Ende des Jahres an. Zielgruppe sind globale Kunden, die Simulation in den Regionen benötigen, in den denen Here über das bestausgebaute Netz verfügt: in Westeuropa, USA und Kanada. Perspektivisch werde man HD-Infos auch in anderen Ländern ausrollen, ein Zeitplan sei hierfür noch nicht definiert. Außen vor bleibt China, wo Here mit seinen Diensten nicht vertreten ist.