Automatisiertes Fahren: Autobrains bringt neue KI für Level-2 in Serie

Das israelische Start-up Autobrains bringt im dritten Quartal 2025 in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Partner Joynext das erste Fahrzeug mit seiner KI-basierten Fahrerassistenzsoftware in Serie. Joynext ist aus dem Zulieferer TechniSat hervorgegangen und gehört seit 2019 zur Joyson-Gruppe.

Mit welchem Hersteller Autobrains und Joynext kooperieren, unterliegt noch der Geheimhaltung. Bekannt ist lediglich, dass es sich um einen chinesischen OEM handelt und dass das System zunächst in China an den Start gehen soll. Der Hersteller strebe aber auch einen Start in Europa an, erklärt Manuel Yoon, Deutschland-Geschäftsführer von Autobrains.

Während viele Start-ups an der Überführung ihrer Technik in serienreife Produkte scheitern, ist Autobrains nun dort angekommen, wo es zählt: auf der Straße. Ein Schritt, der nicht ganz einfach war, wie Yoon betont.

Am Ende gehe es darum, Entwickler und Einkäufer der OEMs zu überzeugen, sich auf ein Start-up einzulassen. Vielen Herstellern wünscht Yoon mehr Mut. Auch der günstigere Preis der Autobrains-Lösung helfe da nicht immer.

Das System basiert auf einer kostengünstigen Acht-Megapixel-Kamera und benötigt einen Chip mit nur zwei Tops (Tera Operations per Second). Das ist nur ein Bruchteil der Rechenleistung vergleichbarer Systeme, die meist mit fünf oder mehr Tops arbeiten. Die Hardware und auch die Steuerung der Fahrfunktionen bringt Joynext ein, Autobrains stellt die KI-Software bereit. 

Was Autobrains von anderen Playern unterscheidet, ist der KI-Ansatz. Während Mitbewerber wie etwa Mobileye auf einen sogenannten deterministischen, modularen AD-Stack setzt, bei dem der Prozess in einzelne Module aufgeteilt ist (Wahrnehmung, Planung, Steuerung, etc.), verfolgt Autobrains einen Skills-basierten End-to-End-Ansatz.

Dabei handelt es sich im Grunde um neuronale Netzwerke, die alle Funktionen abdecken, sogenannte „Skills“. Das sind sehr viele, spezialisierte „KI-Agenten“. Diese werden jeweils auf ganz bestimmte Fahrsituationen trainiert und optimiert – etwa für Kreisverkehre, Regenfahrten oder riskante Linksabbiege-Situationen. Durch das hinzufügen weiterer Skills lässt sich die Leistungsfähigkeit Schritt für Schritt an zusätzliche Verkehrsszenarien anpassen.

Die einzelnen Agenten benötigen deutlich weniger Code und sind effizienter – und Fehler lassen sich leichter beseitigen. Während sich bei modularen Systemen ein Fehler durch alle Ebenen durchzieht, kann beim Skill-Ansatz gezielt der eine Agent, der den Fehler verursacht hat, bestimmt werden. Zudem werden nicht alle Agenten permanent zur Lösung der einzelnen Fahraufgaben benötigt, was viel Rechenleistung einspart.

Ein weiterer Vorteil dieses Ansatzes: Das System ist Hardware-agnostisch, lässt sich also je nach Kundenwunsch anpassen. Laut Yoon dauert es nur rund drei Monate, um die Software an einen anderen Chip anzupassen.

Autobrains setzt mit der ersten Serie bewusst auf Level 2 – der Bereich, der laut Yoon durch Regulatorien und NCAP-Anforderungen global kostengünstig darstellbar und nachgefragt ist. Die Kosten liegen Autobrains zufolge zudem rund 30 Prozent unter denen der Konkurrenten. Der Wettbewerb sei ziemlich komplex sei, so Yoon. Allein die beteiligten Player unterscheidet der Manager in fünf Kategorien:

• Unternehmen wie Autobrains, die hardware-agnostisch Software entwickeln.
• Integrierte Unternehmen wie Mobileye, die Chip und Software im Bundle anbieten.
• Tier-1-Zulieferer, die die KI-basierte Software und Hardware selbst entwickeln, aber die Chips zukaufen, wie zum Beispiel Bosch oder Denso.
• Die großen Halbleiterhersteller wie Nvidia und Qualcomm, bei denen Kunden je nach Bedarf nur Chips oder aber auch die Software im Bundle einkaufen können.
• OEMs, die alles selber machen von der Chip-Herstellung über die Software bis hin zur Steuerung der Fahrfunktionen. Als Vorreiter gilt hier Tesla, aber auch Nio verfolgt diesen Ansatz. 

Generell sieht Yoon den ADAS-Markt (Advanced Driver Assistance Systems) unter Druck: Es gehe um Effizienz, Skalierung und Differenzierung. Während Mobileye als Komplettanbieter lange den Ton angab, wächst bei den OEMs der Wunsch nach Alternativen. Große Halbleiterunternehmen wie Nvidia und Qualcomm bieten inzwischen Chips auch ohne Software-Bundle an, was den Markt öffnet – und auch die Entwicklung weiter beschleunigen dürfte. 

Während Yoon Level-3-Lösungen noch für zu teuer hält, in Anbetracht des eher geringen Kundennutzens und der Einschränkungen beim Betriebsbereich, arbeitet auch Autobrains längst an kosteneffizienten Lösungen für das autonome Fahren. Auch hier soll das eigene End-to-End-Skills-System zum Einsatz kommen. Das Problem, so Yoon: Für Level-4-Autonomie fehlten bislang kommerziell skalierbare Geschäftsmodelle.

Der Weg dorthin führe über drei verschiedene Ansätze: Anbieter wie Waymo seien mit Level 4 in Serie, aber lokal begrenzt auf derzeit wenige Städte. Die Herausforderung sei es, diesen Ansatz zu skalieren und breit auszurollen.

Alternativ könnten Level-2++-Systeme weiterentwickelt werden. Der Vorteil: Diese seien bereits im Serieneinsatz und sammelten nicht nur in einigen Städten, sondern in zahlreichen Regionen und Gebieten Daten, die für den Level-4-Einsatz relevant sind. Ob ein evolutionärer Ansatz von Level-3-Lösungen möglich ist, sei fraglich.

Entscheidend für den Durchbruch zu Level 4 sei in jedem Fall aber die richtige KI, um das autonome Fahren kostengünstig zu ermöglichen, resümiert Yoon. Und die will Autobrains zukünftig bereitstellen – verrät allerdings noch nicht, wann es so weit sein könnte.