Weil ZF dringend Geld benötigt, könnte sich der Zulieferer von seiner Antriebssparte trennen. Es nur eins von mehreren Szenarien. Experten bewerten sie für die Automobilwoche.
ZF-Zentrale in Friedrichshafen: Der Zulieferer diskutiert Optionen für seine Antriebssparte.
Der Zulieferer ZF Friedrichshafen steht vor einer ungewissen Zukunft. Der Konzern hat weiterhin mit einem Schuldenberg von rund zehn Milliarden Euro und einer jährlichen Zinslast von mehr als 500 Millionen Euro zu kämpfen, die aus den Übernahmen von TRW (2015) und Wabco (2020) resultieren.
Konzernchef Holger Klein hatte vor rund einem Jahr angekündigt, die Schuldenlast innerhalb von zwei Jahren um sechs Milliarden Euro zu senken.
Um sich einen größeren Spielraum zu verschaffen, steht bei dem Unternehmen auch eine Abspaltung der gesamten Antriebssparte im Raum.
Die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien (E-Division) leidet unter dem verzögerten Hochlauf der E-Mobilität, hohen Kosten und entsprechend niedrigen Margen im traditionellen Getriebegeschäft.
Die Einheit mit rund 11,5 Milliarden Euro Umsatz und 32.000 Mitarbeitern soll laut ZF wieder auf Kurs gebracht werden. Der Zulieferer bündelt hier alle Pkw-Antriebsvarianten – von konventionellen über Plug-in-Hybrid- bis zu rein elektrischen Antrieben. Diese Komponenten haben das Unternehmen groß gemacht und gehören zu seinen Kernkompetenzen.
Um die Division wieder auf Kurs zu bringen, prüft der Konzern strategische Kooperationen und Partnerschaften sowohl für einzelne Komponenten als auch für die gesamte Division.
Neben Partnerschaften oder einem Verkauf wäre theoretisch auch ein Börsengang der Division denkba. Zu den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Optionen hat Automobilwoche mit Branchenkennern gesprochen.
ZF-Chef Holger Klein. Er will die Schuldenlast des Konzerns um sechs Milliarden Euro reduzieren.
Der unabhängige Automobilanalyst Jürgen Pieper hält eine Partnerschaft oder Kooperation für sinnvoll, da ZF mit seiner unbestrittenen Expertise in der Getriebetechnik weiterhin eine starke Marktposition hat.. Zudem müsste der Konzern sein Antriebsgeschäft so nicht komplett aus der Hand geben.
Der Analyst kann sich für ZF beispielsweise einen „Partner mit guten Kenntnissen in der E-Technik“ vorstellen. Dort vermutet er auch Unternehmen, die agiler sind als ZF mit seinen bestehenden Strukturen.
Frank Schwope, Experte für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands Köln (FHM Köln) sieht in einer Kooperation einen Weg, der nicht nur Vorteile für die ZF-Mitarbeiter bietet.
Eine Kooperation könnte auch für den Zulieferer von Vorteil sein, „da das Unternehmen bei einer positiven Entwicklung des Geschäfts von den Gewinnen profitieren könnte. Denn Schwope ist davon überzeugt, dass die E-Mobilität unter anderem wegen drohender Strafzahlungen weiter Fahrt aufnimmt.
Nachdenklich stimmt ihn, dass ZF in der Vergangenheit keine auskömmlichen Aufträge im Bereich der E-Mobilität geschlossen haben soll. Falls das zutrifft, könnte dies darauf hindeuten, dass ZF in einigen technologischen Feldern nicht mehr auf dem neuesten Stand ist. „Das wäre kein gutes Zeichen“, sagte Schwope.
Für Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM), ist es entscheidend, ob eine Kooperation eine Kapitalbeteiligung einschließt oder ob es sich nur um eine Zusammenarbeit handelt. „Das ist ein Riesenunterschied“. Da die Lage bei ZF mit der hohen Verschuldung so dringlich ist, komme eigentlich nur eine Partnerschaft mit Kapitalbeteiligung infrage.
„ZF braucht das Geld und muss von der hohen Zinslast runter.“ Zudem werde das Geld benötigt, um die Transformation weiter voranzutreiben.
Auch ein Verkauf der Antriebssparte wäre für Bratzel eine Option.Falls mit den für die Division gewonnenen Aufträgen tatsächlich kein Geld verdient wird, schätzt er den möglichen Verkaufserlös der E-Division auf fünf bis zehn Milliarden Euro.. Das würde beim Unternehmen jedenfalls für eine deutliche Entlastung sorgen.
Da ihm keine konkreten Zahlen des Konzerns vorliegen, hält Schwope eine seriöse Schätzung des Verkaufspreises der Division für nicht möglich. Die Summe hänge stark vom Ergebnis der Division und den perspektivisch zu erwartenden Gewinnen ab. Mit allen Einschränkungen nennt er eine Spanne von fünf bis 15 Milliarden Euro.
Produktion des 8-Gang-Hybridgetriebes für Pkw am ZF-Standort Saarbrücken.
Analyst Pieper räumt zwar ein, dass ein Verkauf vor dem Hintergrund der Schuldenproblematik „ein Befreiungsschlag“ für das Unternehmen wäre, rät aber dennoch davon ab. Denn: Die E-Mobilität in Europa zieht wieder an, auch Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieben boomen. „Für einen Verkauf ist es der falsche Zeitpunkt“, sagt Pieper.
Auf lange Sicht gehöre der E-Mobilität „mit großer Wahrscheinlichkeit“ die Zukunft. Sollte es dennoch zu einem Verkauf der Sparte kommen, hält er einen Preis zwischen fünf und elf Milliarden Euro für möglich. Er weist aber darauf hin: „Da gibt es aber einen riesigen Verhandlungsspielraum.“
Als potenzielle Interessenten für Partnerschaften oder auch Käufer nennt ein weiterer Branchenbeobachter den taiwanesischen Elektronik-Auftragsfertiger Foxconn oder auch chinesische Konzerne. „Wenn ein Unternehmen wie ZF Spitzentechnologie in die Auslage stellt, dann werden sich chinesische Unternehmen das sehr genau anschauen.“ Ein chinesischer Partner oder Käufer könnte jedoch in der Belegschaft und in der Öffentlichkeit auf Skepsis stoßen, warnt er..
Für Foxconn spreche, dass der Konzern große Ambitionen hat, in der Automotive-Branche weiter Fuß zu fassen. Zudem betreibt Foxconn mit ZF bereits ein Joint Venture. Seit Ende April vergangenen Jahres hält Foxconn 50 Prozent an der ZF Chassis Modules. Der Name des Gemeinschaftsunternehmens: ZF Foxconn Chassis Modules.
Rund 500 Millionen Euro hat das in die Kasse von ZF gespült. „Die Unternehmen kennen sich gut und über das Joint Ventures ist nichts Schlechtes bekannt“, so der Experte.
Pieper verweist bei einem möglichen Börsengang auf den großen Vorbereitungsaufwand, beispielsweise in der aufwändigen Finanzkommunikation, die dafür aufgebaut werden müsste. Ein Verkauf wäre in diesem Fall der einfachere Weg.
Automobilexperte Bratzel warnt davor, sich allzu viel von einem Börsengang zu versprechen. Wenn doch, müsse es eine gute Idee des Unternehmens für ein künftiges Investment geben. Denn die Banken seien sehr zurückhaltend bei der Vergabe von Autokrediten.
