Der Abgesang auf den Hybridantrieb war verfrüht. Für Mathias Miedreich, den Chef der ZF-Antriebssparte, hat die kombinierte Version aus Elektro- und Verbrennungsmotor noch ein längeres Leben vor sich als von Vielen gedacht. Denn die E-Mobilität ist ins Stocken geraten und die Vielfalt der Antriebe nimmt zu.
Seine Kompetenzen in Bereich der verschiedenen Antriebsvarianten bündelt ZF in der Division E. Das Technologiespektrum für Pkw-Antriebe reicht von konventionellen Verbrennern über Plug-in-Hybride – bis hin zu rein elektrischen Antrieben. Die Division steht für rund 11,5 Milliarden Euro Umsatz, mehr als 25 Prozent der Konzernerlöse. Zirka 32.000 Mitarbeiter sind dort beschäftigt.
Verbrenner bis Elektro: Was ZF bei der Antriebstechnik jetzt anders macht
Der Zulieferer setzt große Hoffnung auf die E-Antriebsplattform Select. Im Vergleich zur chinesischen Konkurrenten sieht ZF entscheidende Vorteile.
Spekulationen, ZF könne sich von der E-Division zu trennen, erteilte Vorstandschef Holger Klein im Frühjahr eine Absage. "Es gibt im Moment keine Planungen, diese Sparte zu verkaufen." Klein sieht darin einen Geschäftsbereich mit klaren Synergien für das ZF-Kerngeschäft. Die Expertise der Division werde auch in Zukunft benötigt, beispielsweise für die Nutzfahrzeugsparte des Konzerns. Partner seien dafür willkommen.
Eine starke Nachfrage in einzelnen Regionen registriert ZF beispielsweise für ein Konzept seines Achtgang-Automatikgetriebes. Das Aggregat mit der Bezeichnung 8HP evo ist ein langjähriger Bestseller des Konzerns. Nun soll es verschiedenen Hybridplattformen eine bessere Effizienz und Leistung bieten.
Noch vor fünf Jahren hatte der Zulieferer erklärt, die Entwicklung des Automaten einstellen zu wollen. "Jetzt launchen wir flächendeckend die vierte Generation des Getriebes", erklärte Otmar Scharrer, Entwicklungsleiter für elektrifizierte Antriebstechnologien, im Gespräch mit der Automobilwoche.
Für ihn ist die aktuelle Ausbaustufe das Hybridgetriebe mit der stärksten elektrischen Leistung auf dem Markt: 160 Kilowatt Leistung und 450 Newtonmeter Drehmoment. "Und wir werden die Leistung nochmal aufbohren auf 600 Newtonmeter und 200 Kilowatt Leistung", zeigt Scharrer das Potenzial auf.
Um den unterschiedlichen Kundenwünschen gerecht zu werden und die Kosten nicht explodieren zu lassen, setzt ZF auf die E-Antriebsplattform Select als Basis. Diese hat der Zulieferer kürzlich auf seinem e-Mobility Tech Day in Zweibrücken vorgestellt.
Scharrer will die modulare und skalierbare E-Antriebsplattform aber nicht als neues Produkt verstanden wissen, sondern sieht darin eine Ausbaustufe. Die vier Hauptteile des Antriebs – E-Motor, Inverter (Umwandler von Gleich- in Wechselstrom), Konverter (Umwandler von Wechsel- in Gleichstrom) und Reduziergetriebe – seien eigenständige Produkte.
Eine weitere Komponente ist die Software. "Das ist der wesentliche Unterschied zu einer herkömmlichen Plattformentwicklung", sagt Scharrer. Die Hauptteile verfügten über einen hohen Reifegrad, sodass der Kunde Entwicklungskosten und -zeit einsparen könne.
Dabei verfolgt ZF das Prinzip der "Hochintegration": Mehrere Hardware- und Softwarefunktionen verschmelzen in einem System. Das spart Platz, Gewicht, Material und letztlich Kosten, verspricht der Zulieferer.
Der Kunde kann bei Select beispielsweise wählen, ob er mehr Leistung möchte, weniger Drehmoment oder eine bestimmte Dauerleistung. "Solange sich der Kunde in bestimmten Bandbreiten bewegt, braucht am Baukasten nichts geändert zu werden", erklärt Scharrer.
Ein aus dem Select-Baukasten entstandener E-Antrieb mit 300 Kilowatt Leistung und 5500 Newtonmetern Drehmoment sei gegenüber einem aktuellen chinesischen Referenzantrieb um zehn Kilogramm leichter, 20 Prozent kleiner und 15 Prozent günstiger. "Das hat uns schon ziemlich Auftrieb gegeben", freut sich der Entwicklungsleiter.