Mathias Miedreich: Was auf den neuen ZF-Chef zukommt

Der Zulieferer ZF Friedrichshafen kommt nicht zur Ruhe. Nach einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung wird der Vorstand des Konzerns umgebaut. Mathias Miedreich, als Vorstand verantwortlich für die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien, übernimmt den Vorstandsvorsitz von Holger Klein.

Klein, der den Konzern seit Anfang 2023 geführt hat, scheidet ebenso Ende September aus wie der Chef der Nutzfahrzeugsparte Peter Laier. In beiden Fällen ist von einer "einvernehmlichen" Trennung die Rede.

Allerdings muss es zwischen Laier und dem Aufsichtsrat ordentlich geknirscht haben. Unterschiedliche Auffassungen über die künftige strategische Ausrichtung des Unternehmens haben für die Trennung gesorgt. Laier gilt als ambitioniert. Er wurde auch als möglicher Kandidat für eine Nachfolge Kleins gehandelt.  

ZF-Aufsichtratschef Rolf Breidenbach betont, dass Kleins Nachfolger Miedreich "nicht nur über tiefgreifende Erfahrung in der Industrie, auch bereits in einer CEO-Position, verfügt, sondern auch seit seinem Antritt als ZF-Vorstand mit einer Kombination aus Entscheidungsstärke und Kommunikationsfähigkeit die Restrukturierung der Division E bedeutend vorangetrieben hat."

In dieser Formulierung deutet sich auch eine Kritik an Klein an: fehlende Kommunikationsfähigkeit. Ihm wurden in der Vergangenheit immer wieder Schwächen in diesem Bereich vorgeworfen.

Bei den Arbeitnehmern wurde Klein zudem heftig dafür kritisiert, die Unternehmensberatung McKinsey in den Konzern geholt zu haben. Seit McKinsey im Unternehmen sei, herrsche die Vorstellung, dass man den Konzern zentral aus der Vorstandsetage führen und die Führungskräfte dabei überspringen könne, kritisierte ZF-Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich.

Miedreich war vor seinem Wechsel zu ZF bis Mai 2024 CEO des Batterie-Recycle-Unternehmens Umicore. Davor lagen bei dem Betriebswirtschaftler Managementstationen bei den Zulieferern Faurecia, Continental und Siemens.

In einer gemeinsamen Erklärung von Gesamtbetriebsrat und IG Metall heißt es, dass ein Kurswechsel längst überfällig gewesen sei. Helene Sommer, ZF-Konzernbeauftragte der IG Metall erwartet "von dem neuen Vorstandsvorsitzenden einen sichtbaren und klaren Kurswechsel".

Wer Arbeitsplätze sichern wolle, müsse die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens aktiv gestalten – durch Investitionen in Innovation. Das gehe nicht gegen die Beschäftigten, sondern nur durch Beteiligung. "Daran werden wir den neuen Vorstand messen."

Dietrich bedauert indes den Weggang von Laier "außerordentlich". Insbesondere der Bereich Nutzfahrzeuge und Industrietechnik haben ihm viel zu verdanken. "Seine außerordentlichen Kundenerfolge und seine unternehmerische Ausrichtung werden der ZF fehlen", betont Dietrich

Der Gesamtbetriebsrat stehe "für einen Schulterschluss mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden bereit, sofern Beschäftigte, Technologie und Kunden wieder im Mittelpunkt der ZF stehen".

Auf Miedreich warten nun zahlreiche Aufgaben und Entscheidungen: Bis Ende September soll ein Plan für die von ihm geleitete Antriebssparte stehen. Vorstand und Arbeitnehmer hatten sich auf einer Aufsichtsratssitzung von wenigen Wochen auf ein Eckpunktepapier mit dem Titel "Bündnis für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung" geeinigt.

Ziel der Beteiligten ist es, bis Ende September einen Plan für die Antriebssparte von ZF zu erarbeiten. Beide Seiten wollen die Restrukturierungsmaßnahmen in Vereinbarungen mit den entsprechenden Gremien festlegen.

Der Zulieferer hatte in den vergangenen Monaten erklärt, einzelne Komponenten bei E-Mobilitätsthemen künftig auch gemeinsam mit Partnern entwickeln zu wollen, um dann Skaleneffekte zu erzielen. Auch für die Division Elektronik und Fahrerassistenzsysteme werden Partner gesucht.

Zudem gibt es eine Gruppe von Unternehmensbereichen, die ZF nicht zum Kerngeschäft zählt und die nur geringe Synergien aufweisen. Dazu gehört beim Konzern die Division passive Sicherheitssysteme. Das Unternehmen hat die Division unter dem Namen ZF Lifetec eigenständig aufgestellt.

ZF ist offen für einen Käufer oder auch für einen Börsengang. Ebenfalls in diese Kategorie fällt das Geschäft für die Montage von Achssystemen, das ZF in ein 50/50-Joint-Venture mit Foxconn überführt hatte.

ZF Friedrichshafen ist mit rund zehn Milliarden Euro hoch verschuldet und muss massiv sparen. Jährlich drückt den Konzern eine Zinslast von mehr als einer halben Milliarde Euro. Die Verbindlichkeiten des Unternehmens rühren aus den Übernahmen des US-Zulieferers TRW im Jahr 2015 und des US-Herstellers von Nutzfahrzeugbremsen Wabco fünf Jahre später.

Bis Ende 2028 will der Zulieferer in Deutschland bis zu 14.000 Stellen abbauen, das wäre rund jede vierte Stelle. Betriebsbedingte Kündigungen werden dabei vom Unternehmen nicht mehr ausgeschlossen.