Früher lernten die Chinesen von den Deutschen, jetzt ist es umgekehrt: Vorstandschef Gernot Döllner erhofft sich China-Speed für Ingolstadt. Wie das funktionieren soll.
Die neue China-Schwestermarke AUDI spielt in den Plänen von CEO Gernot Döllner eine wichtige Rolle für die Wende in China.
Als ein Jahr des Übergangs hatte Gernot Döllner das Jahr 2024 deklariert. Es war eher ein Jahr des Abtauchens: Der Audi-Absatz ist weltweit eingebrochen, nur in Europa rutschte der Absatz mit minus 5,9 Prozent nur einstellig in den negativen Bereich.
Am heimischen deutschen Markt gab es einen derben Rücksetzer um 21,9 Prozent. Insgesamt landete die Marke Audi bei 1,671 Millionen Einheiten, das entspricht 11,8 Prozent weniger verkauften Autos als 2023.
Entsprechend trübe fielen die Finanzahlen aus, die der Autobauer für das vergangene Jahr präsentierte. Dicke Minuszeichen verzeichnete der Audi Konzern beim operativen Ergebnis (-37,8 Prozent), bei der operativen Umsatzrendite (-33 Prozent), beim Ergebnis nach Steuern (-33 Prozent) und beim Finanzergebnis (-23,9 Prozent).
Und würde Lamborghini mit einer Umsatzrendite von 27,6 Prozent nicht "in einer ganz anderen Liga spielen“, wie Finanzchef Jürgen Rittersberger sagte, sähe es noch deutlich schlechter aus. Denn die Kernmarke Audi rutschte bei der operativen Umsatzrendite auf 4,6 Prozent ab und ist damit meilenweit von den elf Prozent entfernt, die man mittelfristig wieder erreichen möchte.
Ganz so schlecht, wie es die Zahlen beim ersten Blick vermuten lassen, ist die Lage bei der Marke mit den vier Ringen nicht. Schwer ins Kontor geschlagen hat die Schließung des Werks Brüssel. Die "schmerzliche, aber erforderliche Entscheidung" schlägt in der Bilanz mit Abschreibungen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro durch.
Und der schwache Fahrzeugabsatz erklärt sich zumindest teilweise durch die Vielzahl an Modellwechseln: Alleine im vergangenen und in diesem Jahr bringt Audi 20 neue Modelle, darunter so wichtige wie den A6 e-tron, Q6 e-tron, A6, A5 und Q5.
Das beschert der Marke zwar nun das jüngste Produktportfolio unter den Premiummarken. Geplant war das aber nicht. Es ist die Folge einer Reihe von Verschiebungen, ausgelöst durch Probleme in der Software-Entwicklung bei der VW-Tochter Cariad. Den dadurch entstandenen Stau bei den Modellanläufen wird jetzt abgearbeitet.
Einige der 2024 neu gekommenen Modelle, werden erst im laufenden Jahr so richtig in Schwung kommen. Audi-Chef Gernot Döllner rechnet deshalb mit Zuwächsen beim Fahrzeugabsatz, Rittersberger für den Audi-Konzern mit höheren Umsatzerlösen, einer Rendite im Korridor von sieben bis neun Prozent (2024: sechs Prozent) und einem höheren Cash-Flow.
Deutet sich beim globalen Fahrzeugabsatz eine gewisse Entspannung für die Ingolstädter an, ebenso durch die mit dem Betriebsrat gefundene Lösung über die Audi-Zukunft, offenbart die Bilanz des vergangenen Jahres, wie stark es die Marke trifft, wenn es in China nicht läuft.
Audi hat auf seinem wichtigsten Markt im vergangenen Jahr knapp elf Prozent Absatz verloren. Richtig schlecht war die Entwicklung bei den Elektroautos.
Während vor allem chinesische Marken ein teilweise fulminantes Wachstum hinlegten und der Absatz der New Energy Vehicle (NEV) im Vergleich zu 2023 um 35 Prozent auf einen neuen Rekordwert von 12,9 Millionen Einheiten hochschoss, kassierte Audi einen Absatzrückgang um mehr als 28 Prozent auf knapp 24.000 Einheiten.
Da aufgrund der Immobilienkrise und der schwachen Wirtschaft in China auch das Geschäft mit den Verbrennern nur zäh lief, war das Chinageschäft für Audi mehr als enttäuschend. So ist das Finanzergebnis aus dem Chinageschäft um mehr als 40 Prozent auf 651 Millionen Euro abgestürzt (2023: 915 Millionen).
Die Antwort auf Audis Elektroauto-Zukunft in China soll die im vergangenen November aus der Taufe gehobene China-Submarke AUDI liefern. Mit der ganz auf China fokussierten Marke, bei der das Unternehmen auf das bekannte Logo mit den vier Ringen verzichtet, zielt man auf junge, technikaffine chinesische Käufergruppen.
Um schnell konkurrenzfähige Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, baut Audi auf eine enge Partnerschaft mit dem Staatskonzern SAIC, wobei die Chinesen die Technologieplattform und die Software-Kompetenz beisteuern.
Dabei kann Audi auf eine bereits bestehende Technologieplattform von IM Motors zurückgreifen. Hinter dem Elektroauto-Start-up steckt ein Joint Venture von SAIC, Zhangjiang Hi-Tech und dem Internet-Riesen Alibaba.
Anders, räumt man in Ingolstadt ein, wäre es auch gar nicht möglich gewesen, die Schwestermarke innerhalb von nur zwei Jahren auf den Markt zu bringen.
Freilich bemüht sich Audi, den Eindruck zu vermeiden, man greife für die neue Marke auf ein fertiges Produkt zurück. Stattdessen verweisen die Ingolstädter auf die eigene Entwicklungsleistung, um die neue Marke auf Premiumqualität zu bringen.
Das erste Serienmodell der neuen Submarke steht Ende April/Anfang Mai auf Shanghai Auto Show. Der Verkaufsstart ist im Frühherbst 2025 geplant, innerhalb von drei Jahren sollen drei weitere Modelle folgen.
Das ist genau die Art von China-Speed, den Döllner nach Ingolstadt bringen möchte. Mit hohem Druck baue man weiter die Organisation so um, dass die Rahmenbedingungen passen, um im Tempo der High-Tech-Unternehmen Fahrzeuge schnell und effizient zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Zwar verfolge man im Joint Venture mit SAIC einen "klaren China-für-China“-Ansatz", insbesondere was Infotainment und Konnektivität anbelangt.
Döllner räumte aber ein, dass man bei der Entwicklungszeit "gewaltig“ von den chinesischen Partnern profitiere. Letztlich geht es um mehr als nur den schnellen Markterfolg: "Wir lernen aus der Partnerschaft und nehmen das Gelernte mit zu uns.“
Deutlicher könne man kaum sagen, dass aus dem Automobil-Lehrmeister aus Deutschland binnen nur weniger Jahre der Lehrling geworden ist.
