Chinesische Autos: Warum die Briten sie viel lieber kaufen als die Deutschen

Im Mai haben die chinesischen Hersteller ihren Absatz in Europa auf mehr als 60.000 Pkw nahezu verdoppelt. Der Marktanteil lag bei deutlich mehr als fünf Prozent. Doch von dieser Dynamik ist in Deutschland wenig zu spüren. Zwar kommen viele chinesische Marken voran, aber meist nur langsam. 

So kamen SAIC, BYD & Co. im Jahr 2024 lediglich auf 1,2 Prozent Marktanteil. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Rückgang von 0,3 Prozentpunkte. Immerhin haben sie in den ersten fünf Monaten des Jahres 2025 wieder die Wende geschafft und liegen bei 1,7 Prozent.

Das ist jedoch kein Vergleich zur Entwicklung in Großbritannien: Mit einem Marktanteil von acht Prozent hatte von Januar bis Mai 2025 nahezu jede zehnte Neuzulassung ein chinesisches Logo. Hier ging es für die Hersteller in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach oben. 

Zwischen diesen beiden Extremen stehen die Niederlande: Der dortige Marktanteil von 3,7 Prozent ist dieser etwa halb so groß wie in Großbritannien, aber doppelt so groß wie in Deutschland.

Ein entscheidender Faktor ist die Stärke der deutschen Automobilindustrie. Nach wie vor ist die Branche ein Aushängeschild für Deutschland. Das spiegelt sich bei den Absatzzahlen auf dem Heimatmarkt wider.

Die fünf größten Hersteller in Deutschland – VW, Mercedes, BMW, (VW-Tochter) Škoda und Audi – kommen im laufenden Jahr zusammen auf einen Marktanteil von 53 Prozent.

"Viele Käuferinnen und Käufer möchten generell eine deutsche Marke kaufen, und das gilt für private und gewerbliche Kunden, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen", sagt Dataforce-Analyst Benjamin Kibies.

In Großbritannien fehlt diese Verbundenheit, da es quasi keine eigene Industrie mehr gibt. Entweder sind die britischen Hersteller pleite gegangen oder sie wurden von Wettbewerbern übernommen. Das macht den Markt offener: Auf die fünf größten Hersteller (VW, BMW, Kia, Ford und Audi) entfällt weniger als ein Drittel (32,5 Prozent) des Marktes.

"Bis auf Nischenhersteller sind alle Marken in den Händen internationaler Konzerne", so Kibies. JLR sei zwar stärker als auf dem Festland, könne aber kein so breites Portfolio abdecken wie die deutschen Marken.

Das machte sich SAIC zunutze, als der chinesische Konzern MG übernahm. Nach der Rover-Pleite übernahm Nanjing im Jahr 2005 die Markenrechte und gehört seit 2008 zur SAIC-Gruppe. Der Draht zu Großbritannien ist nie ganz abgerissen.

Folgerichtig kam der chinesische Hersteller über Großbritannien nach Europa. In den  vergangenen beiden Jahren verkaufte MG jeweils mehr als 80.000 Einheiten, der Marktanteil lag bei über vier Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Marktanteil noch unter einem Prozent, allerdings kehrte der Hersteller auch erst seit 2021 wieder auf dem deutschen Markt vertreten.  

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu. "Die Verbraucher in Großbritannien und den Niederlanden sind viel offener für eine breite Palette von Marken und auch für Newcomer", ergänzt Steve Young, Chef des britischen Marktforschungsunternehmens ICDP. So haben japanische und koreanische Marken in diesen Ländern fast doppelt so hohe Anteile wie in Deutschland.

"Aus dieser Offenheit ergibt sich auch, dass die Händler eher bereit sind, in neue Marken zu investieren, da die finanzielle Rentabilität wahrscheinlich früher erreicht wird als auf Märkten mit geringerem Wachstumstempo", so Young.

Denn während in Deutschland das Interesse der Händler, chinesische Marken aufzunehmen, wieder nachgelassen hat, ist in Großbritannien eher das Gegenteil der Fall. 

Aus Sicht von Young hat dies einen weiteren Grund: die Struktur des Marktes. Während die Konsolidierung in Deutschland im Kfz-Handel derzeit massiv voranschreitet, ist sie in Großbritannien und den Niederlanden bereits abgeschlossen. Der deutsche Markt ist noch viel kleinteiliger als die beiden anderen.

Die Folge: "Große Autohausgruppen haben mehr Möglichkeiten, ihr Portfolio aktiv zu verwalten, indem sie Marken aufnehmen oder aufgeben, je nachdem, wo sie mittel- bis langfristig die besten Erträge erwarten", sagt Young. Durch den Markenmix können sie das Risiko steuern.

Auch der deutsche Markt entwickelt sich in diese Richtung, aber deutlich langsamer. Marktforscher Young geht davon aus, dass sich die Märkte mit der Zeit einander angleichen, aber "das dürfte eher ein Jahrzehnt als zwei oder drei Jahre dauern", so Young. 

Selbst dann wird es noch Unterschiede geben, denn der Heimvorteil der deutschen Hersteller bleibt bestehen.