Während 14 EU-Länder Autos bereits nach dem CO2-Ausstoß besteuern, ist hierzulande keine Lösung in Sicht. Die deutsche Autobranche steht vor einem Desaster.
München. Ein Zweispalter in der "Bild"-Zeitung reichte aus, und eines der wichtigsten umweltpolitischen Projekte der Bundesregierung war gescheitert: die CO2-basierte Kfz-Steuer. Halter von Altfahrzeugen sollten nach Plänen des Bundesfinanzministers wegen des höheren CO2-Ausstoßes "den Gegenwert einer halben Tankfüllung" (VDA-Präsident Matthias Wissmann) mehr Kfz-Steuer zahlen - im Jahr! "Bild" sprach von Abzocke, und die gesamte Bundesregierung fiel um. Damit dürfte die nunmehr dritte Regierung an der Kfz-Steuerreform gescheitert sein.
Die Folgen für den Automarkt, der seit Jahren auf die neue Steuer wartet, sind drastisch: Der Käuferstreik hält an, der "Havanna-Effekt", wie Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer die Überalterung des Fahrzeugbestandes nennt, setzt sich fort. Schon hat das Durchschnittsalter der Autos in Deutschland acht Jahre erreicht. Das ist zwar noch weit von der Situation in Kubas Hauptstadt entfernt, wo US-Straßenkreuzer, die vor der Revolution 1959 importiert wurden, die Straßen beherrschen. Doch auch Deutschlands Autos waren nie älter.
VDA-Präsident Wissmann gibt die Hoffnung dennoch nicht auf, dass zum 1. Januar wie geplant die neue Kfz-Steuer in Kraft tritt. Mit Sorge beobachtet er aber, dass die Bundesregierung ältere Fahrzeuge mit hohen Schadstoffemissionen nicht stärker belasten will (siehe Interview): "Eine Steuerreform, die den Altbestand überhaupt nicht einbezieht, halte ich für einen ökologischen Treppenwitz." Damit ist der Chef-Lobbyist der Autobranche ausnahmsweise einer Meinung mit Umweltschützern und zahlreichen Experten. "Wenn man hochemittierende Altfahrzeuge von der Steuer verschont, dann braucht man auch keine neue Kfz-Steuer", so Winfried Hermann, Verkehrspolitischer Sprecher der Grünen.
Dabei geht es um rund 16 Millionen Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 2 und Euro 3. Diese sollten dem Entwurf zufolge künftig etwas höher als bislang besteuert werden. Damit würden Anreize geschaffen, sparsamere Neufahrzeuge zu kaufen, wovon sowohl die Autoindustrie als auch das Klima profitieren würden. Auch die Besteuerung der Neufahrzeuge ist offener denn je: Nachdem die Regierung das Konzept neu überdenkt, existieren mindestens zwei weitere Vorschläge: Das Finanzministerium sieht ab 2009 einen hubraumbezogenen Sockelbetrag vor. Danach sollen die Fahrzeuge oberhalb eines Freibetrags mit zunehmendem CO2-Ausstoß linear besteuert werden.
Das Umweltministerium hingegen will die Steuer auf CO2-Emissionen über 120 Gramm progressiv steigern. Außerdem hat das Kabinett im Dezember entschieden, Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß unter 100 Gramm für eine bestimmte Frist ganz von der Steuer zu befreien. Ein aberwitzig niedriger Wert: Nur ein paar Kleinwagenmodelle emittieren so wenig CO2, darunter ist kein familientaugliches Auto.
Die Bundesländer, denen die Kfz-Steuer zusteht, erwarten auch künftig ein Steueraufkommen von mindestens neun Milliarden Euro. Ohne die höhere Besteuerung des Altautobestands ist das Experten zufolge kaum zu schaffen. "Die Politiker können es nicht allen recht machen, eine eierlegende Wollmilchsau kann es nicht geben", urteilt Dudenhöffer.
Dass es auch anders gehen kann, zeigt der Blick in die Nachbarstaaten: 14 EU-Länder haben eine CO2-Steuer verabschiedet. Die Art der Besteuerung ist sehr unterschiedlich. Allerdings gibt es in keinem Land eine höhere Besteuerung der Altfahrzeuge.
Auffällig ist aber, dass Frankreich und Italien die Steuerreform dazu genutzt haben, der heimischen Autoindustrie mit Verschrottungsprämien und steuerlichen Anreizen ein eigenes Konjunkturprogramm zu verschaffen. In Deutschland hingegen befürchtet nicht nur Wissmann ein Eigentor der Politik: Entweder wird die neue Steuer zwischen Länderinteressen und Wahltaktik zerredet, oder der Vorschlag von Umweltminister Sigmar Gabriel setzt sich durch.
Während die Politik weiter um die richtige Klima-Strategie streitet, haben die Bundesbürger längst reagiert: 2007 ist der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr um mehr als drei Prozent gesunken.