Die Hoffnung, dass sich die Finanzkrise auf eine Region oder Branche begrenzen lässt, hat sich zerschlagen. Tatsache ist vielmehr, dass sie schon längst auf die Realgüterwirtschaft übergegriffen hat. In den USA spüren wir bei Bosch nicht nur die schwache Nachfrage im Kraftfahrzeuggeschäft, sondern auch bei den Gebrauchsgütern. Und es ist spürbar, dass inzwischen auch Europa von diesen Tendenzen betroffen wird. Bei unserer dritten Säule im Konzern, der Industrietechnik, gibt es im Moment noch einen hohen Auftragsbestand. Wahrscheinlich ist aber, dass der lange Boom im Maschinenbau auch bald ausläuft.
Fehrenbach: "Das eigentlich schwierige Jahr wird 2009"
Die Bankenkrise dürfte das Abkühlen der Weltkonjunktur beschleunigen. Das ist bedauerlich, denn die erneute Verschärfung der Krise kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da sich die Weltkonjunktur bereits deutlich abgeschwächt hat. Auf der anderen Seite begrüße ich, dass es jetzt endlich zu Korrekturen in der Finanzwirtschaft kommt. Womöglich musste eine so schlimme Situation entstehen, damit eine Neuordnung des Finanzsystems mit wirksameren Kontrollinstrumenten überhaupt durchsetzbar ist. Die Vielzahl der Finanzinstrumente wird heute selbst von Insidern nicht mehr durchschaut und in ihren Wirkungen verstanden. Wenn wieder mehr Vertrauen entstehen soll, muss vor allem die Transparenz entscheidend verbessert werden.
Das ist richtig. Die Bosch-Gruppe wird in diesem Jahr das noch im April in Aussicht gestellte Umsatzwachstum von fünf Prozent nicht erreichen. Allerdings hatten wir zu dem Zeitpunkt auch schon gesagt, dass es Unwägbarkeiten gibt, die eine punktgenaue Prognose erschweren. Wir werden trotz allem zwar in diesem Jahr zulegen, aber eben nicht in diesem Maße. Im ersten Halbjahr konnten wir die Schwäche in den USA mit dem hohen Wachstum in den Schwellenländern noch mehr als ausgleichen. Nun stellt sich auch in den Märkten wie China und Indien eine deutliche Beruhigung ein. Zusätzlich beginnt die zuvor stabile Nachfrage in Europa zu bröckeln. In der Kraftfahrzeugtechnik, die rund 60 Prozent zum Konzernumsatz beisteuert, werden wir in diesem Jahr voraussichtlich auf Vorjahresniveau liegen. Bereinigt um Wechselkurseffekte rechnen wir mit einem leichten Plus.
Wir haben auf der Kostenseite durch die stark gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise so hohe Belastungen, dass wir in der Gruppe unseren Zielkorridor von sieben bis acht Prozent Vorsteuermarge in diesem Jahr verfehlen werden. Der Gewinn unserer Kraftfahrzeugtechnik wird schwächer sein als die 1,6 Milliarden Euro des Vorjahres. Das eigentlich schwierige Jahr ist aber 2009, weil sich erst dann viele Kostenerhöhungen voll in der Gewinn-und-Verlustrechnung niederschlagen und mit dem verringerten Umsatzwachstum Deckungsbeiträge fehlen werden.
Eine genaue Prognose ist derzeit noch nicht möglich, weil viel davon abhängt, auf welchem Niveau wir in das Jahr 2009 hineinkommen. Da wissen wir erst zu Jahresbeginn mehr.
Ich habe schon Verständnis dafür, dass die Arbeitnehmer nach der guten Konjunkturentwicklung 2006 und 2007 einen Nachschlag erwarten. Da wäre zum Beispiel eine angemessene Einmalzahlung die passende Lösung. Wir sollten aber keinesfalls die konjunkturelle Abschwächung, die schon jeder spürt, mit extremen neuen Belastungen noch beschleunigen. Ich erinnere daran, dass es erst durch die moderaten Lohnabschlüsse der vergangenen Jahre gelungen ist, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Standorte zu verbessern und sogar die Beschäftigung wieder zu erhöhen.
Ich sehe bezogen auf den einzelnen Mitarbeiter kein großes Potenzial, die Personalkosten wesentlich zu senken. Was die Beschäftigung insgesamt angeht, werden wir zunächst einmal Zeitverträge auslaufen lassen und die in der Vergangenheit angefüllten Arbeitszeitkonten abarbeiten. In Erwartung, dass sich die derzeitige Konjunkturentwicklung auch wieder wendet, ist es für mich klar, dass die Konten auch mal in den negativen Bereich laufen dürfen.
Die Rohstoffpreise sorgen in diesem Jahr für eine Zusatzbelastung in Höhe eines kräftigen dreistelligen Millionenbetrags. Obwohl die Spekulationsblase geplatzt ist, liegen wir immer noch auf einem extrem hohen Niveau. Das kann man über Produktivitätssteigerungen und andere Maßnahmen nicht ausgleichen. Damit ist ein Punkt erreicht, wo wir ernsthafte Verhandlungen mit unseren Kunden und Lieferanten führen müssen.
Wir müssen zu einer fairen Kostenteilung kommen. Die Lösung des vergangenen Jahres, als wir die Belastung zu je einem Drittel auf die Hersteller, die Lieferanten und uns verteilt haben, reicht heute nicht mehr aus, weil zu den Materialpreisen noch die Verteuerung der Energie- und Logistikkosten dazukommt.
Das sehe ich so kommen. Einige Hersteller haben einen solchen Schritt ja schon angekündigt oder bereits vollzogen. Die Konsequenz dürfte bei den herrschenden Rahmenbedingungen sein, dass sich der Markt in Richtung mittelgroße und kleinere Fahrzeuge verschiebt.
Bei bestimmten Produkten, wo beispielsweise der Materialkostenanteil mit 60 Prozent sehr hoch ist und die Verteuerung damit sehr stark durchschlägt, stellt sich dann die grundsätzliche Frage, ob wir diese weiter fertigen können. Auf Dauer kann es auch bei Bosch keine Quersubventionierung von Produkten geben.
Wir lagen im vergangenen Jahr immerhin bei knapp sechs Prozent. Die Unterschreitung der Zielrendite müssen wir jedoch vor dem Hintergrund sehen, dass die Branche in einer besonderen Phase ist. Wir wollen und werden als führender Automobilzulieferer gleichzeitig eine Vielzahl von Lösungen für den Antriebstrang erarbeiten – die reichen vom Diesel und Benziner über den Hybriden bis hin zur Elektrifizierung. Denn wir verstehen uns als Zulieferer aller zukunftsfähigen Antriebstechnologien. Das heißt, die Entwicklungsbandbreite ist so groß, wie ich sie in meinen über 30 Jahren bei Bosch noch nicht erlebt habe. Entsprechend hoch ist unser Forschungs- und Entwicklungsaufwand. 2007 lag er bei 10,2 Prozent vom Umsatz, und wir werden ihn auch dieses Jahr nicht reduzieren. Die Innovationen sind der Erfolgsfaktor Nummer eins für Bosch. Deshalb nehmen wir es eher in Kauf, beim Ergebnis möglicherweise ein bis zwei Prozentpunkte zu verlieren als den Forschungs- und Entwicklungsaufwand in diesem Umfang zu kürzen. Ich weiß, dass hier andere Unternehmen durchaus anders vorgehen.
Die Krise bei den drei großen US-Herstellern, die seit Jahren zu unseren großen Kunden zählen, trifft uns natürlich hart. Wir werden also 2008 Verluste schreiben. Ein Rückzug aus dem US-Markt steht aber keinesfalls zur Diskussion, immerhin handelt es sich mit rund 14 Millionen neu gebauten Fahrzeugen in diesem Jahr immer noch um den größten Einzelmarkt der Welt. Auch 2009 dürfte der Markt nicht besser werden. Irgendwann aber wird sich die Nachfrage wieder drehen. Möglicherweise ist dann die Struktur bezüglich Fahrzeugklassen und Motorisierung anders. Gerade darauf sind wir mit unserer modernen Kraftfahrzeugtechnik gut eingestellt.
Da stoßen wir schnell an kartellrechtliche Grenzen. Um es klarzustellen: In der Kraftfahrzeugtechnik wollen wir keinen Umsatz kaufen, sondern hauptsächlich Technologie. Da sehe ich in den USA derzeit keinen größeren Ansatz. Grundsätzlich ist der Zeitpunkt für Zukäufe eher günstig, weil einerseits die Wechselkurse Vorteile bieten und den Finanzinvestoren das Geld ausgegangen ist. Deshalb gibt es bei uns im Moment eine verstärkte Akquisitionstätigkeit, die auch anhalten wird. Vorausgesetzt, es gibt Unternehmen, die uns weiterbringen. Das gilt für die Kfz-Technik ebenso wie für die anderen Unternehmensbereiche.
Wir verfügen bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen über jahrzehntelange Erfahrung und haben bei Lithium-Ionen-Zellen mit Samsung bereits einen kompetenten Joint-Venture-Partner für die eigene Herstellung dieser Batterien. Dennoch wäre es überheblich zu glauben, dass man allein gute Lösungen findet. Deshalb haben wir einen Venture-Capital-Fonds über 200 Millionen Euro aufgelegt, der Start-ups und interessante Unternehmen sehr intensiv beobachtet und sich gegebenenfalls engagiert.
Wir haben die Entwicklung bei der Brennstoffzelle lange beobachtet und jetzt entschieden, in die Komponentenentwicklung einzusteigen. Chancen sehen wir vor allem in Schwellenländern, die noch nicht über eine bestehende Infrastruktur verfügen. Die Chinesen denken zum Beispiel stark in diese Richtung. Dort werden in den nächsten Jahrzehnten rund 250 Millionen Menschen Richtung Küste wandern, wo Megacities am Reißbrett entstehen. Wenn Sie dort die Wasserstoff-Infrastruktur für die Brennstoffzelle als stationäre Energieversorgung und möglicherweise auch im Fahrzeug von Anfang an berücksichtigen, kann dies ein wirtschaftlich lohnender Weg sein.
Wir werden sicher nicht die Brennstoffzellen selbst herstellen, sondern alles, was man zur Regelung des Gesamtsystems braucht. Wann wir da zu einer Serienreife gelangen, ist heute noch nicht absehbar.
Der Trend geht eindeutig zu weniger Zylindern und zur Aufladung. Damit kann man mit einem Vierzylindermotor Leistungswerte erreichen wie bisher mit einem Sechszylinder. Wenn man die Zahl der Zylinder reduziert, haben wir zunächst natürlich weniger Umsatz. Allerdings wird die Technik immer aufwändiger. Die Benzindirekteinspritzung in einem Vierzylinder ist zum Beispiel wesentlich teurer als die Saugrohreinspritzung bei einem Sechszylinder.
Der spezifische Mobilitätsbedarf wird zukünftig deutlich stärker als früher das Fahrzeug und den Antrieb bestimmen. Während in ländlichen Gebieten, gerade auch in den USA, der SUV weiter seine Berechtigung hat, dürften die Kunden in Ballungszentren eher auf Stadtautos zurückgreifen.
In der Tat – wir müssen diese Mobilitätskonzepte genau im Auge behalten. Ich erwarte zwar keine abrupte Nachfrageverschiebung in der Automobilindustrie. Dennoch könnten der Klimawandel und andere Rahmenbedingungen erheblichen Einfluss auf die Struktur und den Markt der Branche haben. Wir beobachten daher neue Ideen und Geschäftsmodelle in Richtung Mobilitätskonzepte ebenfalls sehr intensiv und beziehen das in unsere strategischen Überlegungen mit ein.
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir in eine wie auch immer geartete Infrastruktur zur Batterieversorgung für Elektroautos einsteigen. Denn Energie steht im Zentrum der gesamten strategischen Ausrichtung des Technologieunternehmens Bosch. Da beschäftigen wir uns auch mit Themen wie dezentralem Energiemanagement - E-Mobilität ist davon ein Baustein. Dass wir aber ein Netz von Ladestationen betreiben, sehe ich nicht.
Der Schritt von Schaeffler ist nachvollziehbar: Man will sich stärker von rein mechanischen Komponenten in Richtung Systeme mit Elektronik-Content entwickeln. Durch die Übernahme entsteht ein großes Unternehmen mit deutlich mehr Umsatz als Conti bisher hatte. Für uns ändert sich jedoch nicht so viel, da die beiden Unternehmen bisher keine Überlappung hatten. Dadurch ist auf unseren Geschäftsfeldern kein neuer, größerer Konkurrent entstanden. Zudem ist die Integration sicher eine herausfordernde Aufgabe, zumal die Eingliederung von Siemens-VDO auch noch nicht abgeschlossen ist. Uns ist diese Lösung lieber als eine Übernahme von Conti durch einen Finanzinvestor. Sowohl Schaeffler als auch Conti sind gut geführte Unternehmen und haben sich bisher trotz harter Konkurrenz immer vernünftig und fair verhalten.