Premium-Segment kommt 2010 zurück

Berlin. Im kommenden Jahr wird das Premium-Segment stärker wachsen als der weltweite Pkw-Markt und damit den deutschen Luxus-Herstellern wieder steigende Gewinne verschaffen. "Der Premium-Markt ist außergewöhnlich stark gedrückt worden, 2010 wird er langsam zur Normalität zurückkehren,“ sagte Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler auf dem Automobilwoche-Kongress in Berlin und in einem Interview am Rande der Veranstaltung.

Er begründete dies mit dem Auslaufen der Abwrackprämie, die den Kundenfokus zuletzt auf kleine Autos verschoben habe. Außerdem habe die Rezession, die Unsicherheit bei der Besteuerung im Zuge der Umweltdiskussion sowie das Wegbrechen des Firmenwagengeschäfts die Nachfrage nach Premiumfahrzeugen negativ beeinflusst. "Das zugrunde liegende Wachstum im Premiumsegment ist größer als bei Volumenfahrzeugen. Dies ist im vergangenen Jahr verschüttet worden, kommt aber 2010 wieder zurück,“ so Pieper.

Für das nächste Jahr geht der Analyst von einem Marktwachstum bei Pkw von zwei Prozent weltweit aus. Der Premiummarkt dürfte um fünf Prozent zulegen. Allerdings werden Westeuropa und vor allem Deutschland stark unter den Nachwehen der staatlichen Kaufanreize zu leiden haben: Für Westeuropa prophezeit er ein Minus von neun Prozent.

In Deutschland erwartet er einen Einbruch von rund 30 Prozent. Nachfragemotor wird hingegen China mit einem Plus von 15 Prozent sein. Auch die USA werden wieder steigende Zulassungszahlen aufweisen. "Im Moment rechne ich mit einem Plus von drei Prozent. Das ist aber wohl eher vorsichtig geschätzt,“ so Pieper.

Das größte Potenzial bescheinigt der Analyst der BMW Group: "Das Unternehmen dürfte aufgrund der neuen Modelle, die nun sukzessive auf den Markt kommen, in den nächsten Quartalen vorne liegen.“ Konkret schätzt er ein Absatzwachstum von acht Prozent im Jahr 2010. Dagegen dürfte Mercedes auf ein Plus von drei Prozent kommen. Audi liege irgendwo dazwischen. Alle drei werden seiner Ansicht nach in den nächsten drei Jahren ihre operativen Gewinne verbessern.

Damit würde Mercedes nach dem kaum zu vermeidenden Verlust in diesem Jahr wieder in die Gewinnzone zurückkehren. "Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Gewinner der Abwrackprämie, nächstes Jahr eher zu den Verlierern zählen werden,“ so Pieper weiter. Davon ist seiner Ansicht nach auch der Volkswagen-Konzern betroffen – allerdings weit weniger als Konkurrenten wie Fiat. "VW hat sich eine gute Position erarbeitet,“ betont der Analyst. Neben starken Produkten wie dem Golf und Polo, die neu auf dem Markt seien, profitiere der Konzern auch von China und Lateinamerika, wo die Konjunktur gut laufe. Die Wolfsburger dürften damit im Rahmen des Marktwachstums abschneiden.

Dennoch werden die Anforderungen an die Autobranche weiter steigen, wie Pieper warnt: "Die zunehmende Komplexität – sei es technologisch oder regional – ist unausweichlich.“ Deshalb sollte die Konzentration auf zwei bis drei zentrale Stärken die Leitidee sein. Während große Unternehmen wie VW die Komplexität der Produkte als Stärke anbieten könnten, sei für mittelgroße Anbieter die weitgehende Standardisierung ein möglicher Erfolgsweg.

Die Anforderungen an Autos ändert sich seiner Ansicht nach strukturell: Gab es früher nur die Unterscheidung zwischen Premium und Masse, splittet sich der Markt von morgen. Manche verzichtet bewusst auf ein Auto. Andere sehen darin ein preiswertes Transportmittel. Wieder andere wollen ein Luxusobjekt oder definieren sich über den Lifestyle. Während das Auto für andere Teil der Arbeit ist.

Unter Anlageaspekten empfiehlt Pieper die Aktien von BMW, weil die Produktpipeline für die nächsten drei Monate gut gefüllt ist und kein negativer Effekt durch den Auslauf der Abwrackprämie zu erwarten ist. Außerdem seien die Münchner führend bei der Co2-Einsparung. Einziges Fragezeichen: Möglicherweise sei das Unternehmen gegenüber VW, Daimler und Toyota auf Dauer zu klein.

Zu den Profiteuren der komplexeren Welt zählt Pieper vor allem Zulieferer, Entwicklungsdienstleister und branchenfremde Unternehmen wie Versorger sowie Batteriehersteller und Maschinenbauer. Als Beispiel für ein interessante Anlage bei Zulieferern nannte der ElringKlinger. Der Zylinderkopfdichtungshersteller und Abschirmspezialist weise auch in der Rezession eine außerordentliche Ertragsstärke aus. "Eine EBIT-Marge zwischen acht und zehn Prozent schaffen 2009 nur Ausnahmeunternehmen,“ so der Analyst. Die Aktie sei aber gegenwärtig hoch bewertet. Dritte Empfehlung von Pieper ist Der Reifenhändler Delticom, der als First-Mover im Internethandel seinen Größenvorteil konsequent ausspiele. "Die Durchdringung des Reifenmarkts mit Onlinetransaktionen liegt in Europa erst bei Schätzungsweise vier Prozent. Das Potenzial dürfte enorm sein,“ sagt Pieper. Allerdings lebe das Unternehmen von den außergewöhnlichen Fähigkeiten sehr weniger Individuen.