Grammer bereitet sich auf jahrelange Marktschwäche vor

Frankfurt. Die Grammer AG hat im vergangenen Jahr frühzeitig gegen die sich abzeichnende Krise angesteuert und will diesen Kurs angesichts weiter trüber Aussichten mit Nachdruck fortsetzen. „Wir müssen unsere Kapazitäten so schnell es geht, an die Nachfrage anpassen,“ so Rolf-Dieter Kempis, der seit August 2007 an der Spitze des Automobilzulieferers steht. Dabei komme es vor allem darauf an, schnell zu reagieren. „Sonst wird man überrollt,“ sagt Kempis mit Blick auf die zahlreichen Insolvenzfälle in der Branche. Oberstes Ziel des ehemaligen McKinsey-Beraters und seiner Vorstandskollegen Alois Ponnath und Hartmut Müller ist es deshalb, den Innenraumspezialisten und Sitzehersteller auf eine längere Durststrecke vorzubereiten. Immerhin halten sie in diesem Jahr sogar einen Marktrückgang von 40 Prozent für möglich.

Im Gegensatz zu vielen anderen Zulieferern, die bereits 2008 in die Verlustzone gerutscht und finanziell geschwächt sind, weist Grammer ein Umsatzwachstum von knapp einem Prozent auf eine Milliarde Euro aus. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) stagniert bei 32 Millionen Euro, die Marge liegt damit bei 3,2 Prozent. Aufgrund des Finanzergebnisses von minus 12,4 Millionen Euro geht der Gewinn nach Steuern um fast 20 Prozent auf 14,1 Millionen Euro zurück. Die Kapitalrendite (Return on Capital Employed – ROCE) liegt mit 8,3 Prozent über den Kapitalkosten, die Finanzvorstand Ponnath mit rund sechs Prozent veranschlagt. Damit hat das im oberpfälzischen Amberg beheimatete Unternehmen trotz der Krise den Unternehmenswert gesteigert. Die hohen Investitionen von 39,9 Millionen Euro (bei Abschreibungen von 23,4 Millionen Euro) wurden vollständig aus dem free Cash-flow bezahlt. Die Nettofinanzverbindlichkeiten belaufen sich auf 80,2 Millionen Euro, die Eigenkapitalquote auf 36 Prozent.

Im ersten Halbjahr rechnet Kempis mit einem Umsatzrückgang zwischen 25 und 30 Prozent. Deshalb und wegen der hohen Sonderaufwendungen für den Kapazitätsabbau prognostiziert er einen operativen Verlust. Auf Gesamtjahressicht rechnet Grammer laut Geschäftsbericht mit einem Ergebnis „deutlich unter dem Niveau des abgelaufenden Jahres“. „Wir gehen von einem nachhaltigen Umsatzrückgang aus,“ so Müller. Darauf reagiert Grammer mit einem Abbau von 2600 Stellen – das sind insgesamt 25 Prozent gegenüber Mitte 2008 als der Konzern weltweit 9754 Mitarbeiter beschäftigte. Während das Gros bisher im Ausland gekürzt wurde, fallen auch in Deutschland 227 Jobs weg. Möglich werden betriebsbedingte Kündigungen, weil in Abstimmung mit der IG Metall ein Ergänzungstarifvertrag, der diesen Schritt bis Ende 2010 ausschloss, vorzeitig aufgelöst wurde. Insgesamt wird der Stellenabbau in diesem Jahr zehn bis 12 Millionen Euro kosten. „Dafür wollen wir Einsparungen zwischen 30 und 35 Millionen Euro erreichen,“ so Müller. Rund 70 Prozent aller beinflussbaren Kosten entfallen bei Grammer auf das Personal. Auch die Sachinvestitionen und sonstige Kosten werden deutlich zurückgefahren.

Während Grammer auf der einen Seite den Abschwung managen muss, gilt es auf der anderen Seite, das strukturelle Ungleichgewicht der Sparten zu beseitigen: Mit 657,7 Millionen Euro schreibt die Sparte Automotive, vor allem mit Kopfstützen sowie Armlehnen und zunehmend auch mit Mittelkonsolen, rund zwei Drittel des Konzernumsatzes. Dagegen erzielt der Geschäftsbereich Seating Systems mit 31 Millionen Euro fast den ganzen Gewinn der Gruppe. Die operative Marge liegt bei 8,0 Prozent, Automotive schafft gerade mal 0,5 Prozent. Gegenüber 2007 als dieses Thema bereits addressiert wurde, haben sich die Kennzahlen sogar noch weiter verschlechtert. Zumindest auf der Kostenseite sieht sich Grammer nach der Verlagerung der Nähaktivitäten von Tschechien, Spanien, Polen und Slowenien nach Serbien und Bulgarien, wo noch riesige Lohnkostenvorteile zu realisieren sind, besser aufgestellt.

Um die Liquidität zu schonen, hat der Vorstand den Aktionären vorgeschlagen, die Dividende für 2008 komplett ausfallen zu lassen. Während Mitarbeiter und Anteilseigner Verzicht üben, sind die Gesamtbezüge des Vorstands trotz einer stagnierenden operativen Performance und eines hohen Rückgangs des Nettogewinns sogar gestiegen: Insgesamt bekamen die drei Vorstände 1,784 Millionen Euro (Vorjahr 1,764) Millionen Euro, davon waren 1,235 Millionen Euro erfolgsunabhängig. Der Vertrag von Kempis wurde um ein Jahr bis 31. Juli 2010 vom Aufsichtsrat verlängert.