Stuttgart. Fiat-Chef Sergio Marchionne ist ein unkonventioneller und ausgebuffter Manager. Mit dem Einstieg bei Chrysler nutzt er die Gunst der Stunde, um praktisch umsonst einen gewichtigen Anteil am US-Hersteller Chrysler zu erhalten. Ein Unternehmen, an dessen Sanierung sich bereits Daimler die Zähne ausgebissen hat, und das von vielen Wettbewerbern und Investmentgesellschaften angesichts der düsteren Zukunftsperspektiven nicht einmal mit der Zange angefasst wird. Warum also dieser Schritt?
Zunächst ist der Einsatz der Mittel begrenzt: Fiat zahlt kein Geld, sondern liefert Technologie, die ohnehin bereits vorhanden ist. Dafür bekommt Marchionne praktisch umsonst einen Anteil von 35 Prozent. Gleichzeitig gibt er dem nur mit Staatshilfe zu rettenden US-Hersteller eine Zukunftsperspektive, die dieser alleine niemals erreichen könnte. Da der erfolgreiche Fiat-Sanierer die eigene Erfahrung inklusive Management-Kapazitäten nun auch bei Chrysler einbringt, dürfte sich die Position des angeschlagenen US-Konzerns bei der Regierung deutlich verbessern. Damit Chrysler überhaupt eine Chance hat und Fiat nicht in die gleiche Falle tappt wie seinerzeit Daimler muss die US-Regierung die milliardenschweren Gesundheits- und Pensionslasten von Chrysler übernehmen. Das zu erreichen wird sicher leichter, wenn ein tragfähiger Sanierungsplan vorgelegt wird und US-Arbeitsplätze erhalten werden können. Immerhin hat sich Marchionne bereits die Unterstützung der US- und kanadischen Autogewerkschaft für die angestrebte Allianz gesichert.
Außerdem wird entscheidend sein, dass Fiat die Kosten für die notwendige Schrumpfkur von Chrysler nicht Schultern muss. Lässt sich die US-Regierung also auf den Deal ein, hat Marchionne die Chance, vom Turnaround des Pleitekandidaten zu profitieren. Überlebt Chrysler in einer vernünftigen Aufstellung, eröffnen sich Fiat strategische Optionen: In gemeinsamen Werken könnten Kompakt- und Kleinfahrzeuge mit italienischer Technologie vom Band laufen, die sowohl unter einer Chrysler-Marke als auch als Fiat oder Alfa Romeo verkauft werden können. Damit könnte Fiat den angestrebten Markteintritt in den USA mit einer lokalen Produktion auf Basis deutlich größerer Stückzahlen schaffen als alleine. Beispielhaft für diese Strategie ist der Kleinwagen Fiat 500, der sich die Plattform mit dem Panda und dem Ford Ka teilt. Alle drei Fahrzeuge laufen in der Fabrik in Polen vom Band. Möglicherweise kann Fiat außerdem das bestehende US-Händlernetzwerk von Chrysler nutzen. Angedacht sind auch weltweite Synergien bei der Distribution und im Einkauf.
Dies alles würde Fiat/Chrysler helfen, gemeinsam Kosten zu sparen und die Stückzahlen zu erhöhen. Erst vor kurzem hat Marchionne klar gemacht, dass seiner Ansicht nach im Volumensegment nur Hersteller mit einer Stückzahl von mindestens 5,5 Millionen Einheiten die aktuelle Krise überleben können. Im Jahr verkauft Fiat rund 2,2 Millionen Fahrzeuge. Chrysler liegt noch in der gleichen Größendordung, dürfte aber deutlich schrumpfen. Die angestrebte Allianz mit Chrysler zeigt vor allem eins: Marchionne will das Heft in der Hand behalten und nicht selbst zum Konsolidierungsopfer werden. Ob der Schritt erfolgreich ist, wird vor allem die US-Regierung entscheiden.